In seiner jüngsten Arbeit setzt sich Fabrick, dessen Werke ohnehin stets von einer ganz besonderen emotionalen Tiefe sind, mit einem ähnlichen Thema auseinander: Die junge Miriam (Julia Koschitz) hat Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bevor sie stirbt, will sie dafür sorgen, dass ihr Mann Ingmar (Filip Peeters) nach ihrem Tod nicht allein mit den beiden kleinen Zwillingen bleibt. Nachfolgerin soll ausgerechnet die Vorgängerin werden: Miriam spürt, dass Ingmar und seine Ex-Frau Lene (Barbara Auer), eine protestantische Pastorin, immer noch viel füreinander empfinden; ihre Liebe ist im Lauf der Ehejahre nicht verschwunden, sondern bloß verschüttet worden. Aber Miriam bleibt nicht mehr viel Zeit, zumal Lene alle Annäherungsversuche brüsk ablehnt.
Besser hätte das Trio nicht besetzt werden können
Der Titel "Pass gut auf ihn auf!" nimmt bereits vorweg, dass Miriam ihr Ziel am Ende erreicht. Es sind quasi ihre letzten Worte, und wäre das Drama ein Kinofilm, würde man sie womöglich gar nicht verstehen, weil viele Tränen fließen würden. Trotzdem ist Fabricks Inszenierung weit davon entfernt, sentimental zu sein, zumal es immer wieder auch unbeschwerte Szenen gibt. Aber natürlich betrachtet man diese Momente buchstäblich mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Da Miriam abgesehen von einer Zufallsbekanntschaft (Felix Klare) niemanden in ihr Schicksal einweiht, bekommen viele Dialoge einen Subtext, der sich nur ihr erschließt; und dem Zuschauer.
Trotzdem ist "Pass gut auf ihn auf!" wie jedes Melodram eine Gratwanderung. Dass der Film nie Gefahr läuft, ins Kitschige abzugleiten, ist Fabricks Gespür für die richtige Dosierung zu verdanken; und natürlich seiner Führung der Schauspieler. Besser hätte das Trio nicht besetzt werden können, weil alle drei vortrefflich in der Lage sind, auch die zum Teil mühsam unterdrückten Gefühle mitzuspielen. Das gilt vor allem für Barbara Auer, denn Lene verbirgt eine tiefe Verletztheit, seit ihr Mann sie und die gemeinsamen Kinder vor gut drei Jahren wegen Miriam verlassen hat. Welche Wunde dies im familiären Gefüge verursacht hat, zeigt sich vor allem am mittleren Sohn, den es einige Male heftig aus der Bahn wirft. Ähnlich groß wie für Barbara Auer war die Herausforderung für Julia Koschitz, die hier ausgesprochen schmal und fragil wirkt. Weil der kurze Haarschnitt und die betont bunte Kleidung Miriams Jugendlichkeit zusätzlich hervorheben, ist die Krankheit doppelt schockierend und ungerecht. Nicht minder zu würdigen ist die Leistung von Filip Peeters, der nicht einfach einen Mann zwischen zwei Frauen, sondern im Grunde zwei unterschiedliche Rollen spielt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Darüber hinaus erfreuen Buch (Britta Stöckle) und Regie mit vielen beiläufig eingestreuten Details, die jedes für sich nicht weiter wichtig sein mögen, aber enorm dazu beitragen, dass dieses Drama ähnlich wie "Der letzte schöne Tag" (wie viele Werke Fabricks in Zusammenarbeit mit Produzentin Kirsten Hager entstanden) aller Schwermut zum Trotz auch ein schöner Film ist: die Abdrücke fettiger Kinderhände auf den Scheiben des Autos; oder die Wolken, die sich im Zeitraffer im Dach des Wagens spiegeln, nachdem Miriam die Diagnose erfahren hat. Auch die Dialoge deuten oft über sich hinaus, was naturgemäß gerade für Lenes Predigten gilt. Geschickt eingefädelt ist auch die Annäherung zwischen Miriam und Lene: Die eine nutzt die Gelegenheit, sich zu offenbaren, als die andere im Krankenhaus einen Gesprächskreis zum Thema "Einer trage des anderen Last" anbietet.