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Christlich ausgewogen? Die Koalition und die Kirchen
Was bedeutet der schwarz-rote Koalitionsvertrag für die Kirchen und Religionsgemeinschaften? Die neue Regierung setzt einige neue Akzente, die langjährigen Forderungen aus dem kirchlichen Raum folgen. Eine erste Analyse.

Kirchen und Religionsgemeinschaften

Anders als in früheren Koalitionsverträgen wird das Verhältnis zu den christlichen, wie aber auch den jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften in Deutschland ausführlich erwähnt. Zum Gedenken an den weit 500. Jahrestag der Reformation 2017 will auch der Bund einen angemessenen Beitrag leisten.

Staat und Kirche bleiben weiterhin finanziell miteinander verbunden: Das System der Kirchensteuer bleibt unangetastet. Die sogenannte Ablösung des Staates von den Ausgleichszahlungen an die Kirche (das sind staatskirchenrechtliche Verpflichtungen im Zuge der Säkularisierungen Anfang des 19. Jahrhunderts) wird auch von der neuen Bundesregierung nicht in Angriff genommen.

Asyl und Migration

Die Asylverfahren sollen auf drei Monate beschränkt, also beschleunigt  werden. Das sogenannte "Resettlement"-Verfahren, bei dem besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus dem Ausland aufgenommen werden, soll in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) fortgesetzt und spätestens 2015 deutlich ausgebaut werden.

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Union und SPD haben sich grundsätzlich auf ein stichtagsunabhängiges Bleiberecht für Menschen geeinigt, die lange Zeit von den Ausländerbehörden nur geduldet wurden. Auch die geplanten Erleichterungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt und die Lockerungen der sogenannten "Residenzpflicht", die es Geduldeten und Asylsuchenden verbietet, ihre Stadt oder ihren Landkreis zu verlassen, dürfte von kirchlichen Asylrechtsgruppen als Verbesserung gewertet und begrüßt werden.

Die doppelte Staatsbürgerschaft wird eingeführt. Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, müssen sich künftig nicht mehr zwischen zwei Staatsangehörigkeiten entscheiden, sondern können beide kulturelle Identitäten leben.

Familie

Der Koalitionsvertrag bekennt sich zur klassischen Vater-Mutter-Kinder-Familie, betont aber ausdrücklich auch die Legitimität homosexueller Lebenspartnerschaften und so genannter Regenbogenfamilien. Ein explizites Adoptionsrecht für sie ist aber nicht festgeschrieben.

Die Elternzeit von 36 Monaten soll künftig flexibler gestaltet werden. Dazu sollen zukünftig 24 statt 12 Monate auch zwischen dem 3. bis 8. Lebensjahr des Kindes von Müttern und Vätern in Anspruch genommen werden können.

Zur Weiterentwicklung des Elterngeldes soll das "ElterngeldPlus" eingeführt werden. Es soll vor allem Alleinerziehenden den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern. Eltern können es für die Dauer von bis zu 28 Monaten in Anspruch nehmen und gleichzeitig in Teilzeit arbeiten.

Das Kindergeld wird allerdings nicht angehoben, auch die Elternfreibeträge nicht. Das Betreuungsgeld wird im Koalitionsvertrag nicht explizit erwähnt. Daher ist damit zu rechnen, dass es weiterhin bestehen bleibt.

Rente

Künftig soll der abschlagsfreie Renteneintritt schon mit dem 63. Lebensjahr möglich sein, allerdings erst nach 45 lückenlosen Beitragsjahren. Zu fragen ist allerdings, welche Bürger diese Voraussetzungen überhaupt erfüllen können. Die Erwerbsminderungsrente wird zum 1. Juli  2014 um zwei Jahre angehoben (von 60 auf 62).

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Im Sinne kirchlicher Sozialverbände dürfte die Anerkennung der Lebensleistung von Eltern sein. Unter die so genannte Mütterrente fallen auch Väter! Bisher sind Kindererziehungszeiten ab 1992 rentenrechtlich anerkannt sind, doch für frühere Jahrgänge gilt das nicht im selben Umfang. Diese Lücke soll geschlossen werden. Ab dem 1. Juli 2014 wird für alle Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, die Erziehungsleistung in der Rente berücksichtigt.

Pflege

Positiv hervorzuheben ist, dass der Begriff der Pflegebedürftigkeit neu bewertet und damit gerade auch die Versorgung dementer Menschen verbessert wird. Der paritätische Beitragssatz zur Pflegeversicherung wird spätestens zum 1. Januar 2015 um 0,3 Prozentpunkte erhöht, später noch einmal um 0,2 Punkte. Von den Einnahmen wird eine bessere Betreuung alter Menschen bezahlt, ein Teil fließt außerdem in einen Vorsorgefonds. Schon jetzt aber dürfte strittig sein, ob das Tempo und die Höhe der Verbesserung ausreichen, um dem Pflegenotstand zu begegnen.

Prostitution

Das von der rot-grünen Regierung eingeführte Prostitutionsgesetz soll überarbeitet werden, unter anderem damit eine bessere Kontrolle möglich wird. Frauen sollen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution geschützt werden. Künftig sollen Verurteilungen nicht mehr daran scheitern, dass das Opfer nicht aussagt. Für die Opfer werden das Aufenthaltsrecht verbessert sowie eine intensive Unterstützung, Betreuung und Beratung angeboten.

Arbeitsmarkt

Auffallend wird die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit zum  Schwerpunkt erklärt. Die neue Bundesregierung will die kommende Legislaturperiode ausdrücklich auch für die soziale Absicherung von Kreativen und Kulturschaffenden nutzen. So soll etwa die Künstlersozialkasse weiterhin erhalten und in ihrem Bestand gestärkt werden.

Zum 1. Januar 2015 wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt, der nach einer Übergangsfrist nach zwei Jahren für das ganze Bundesgebiet gelten soll.

Rüstungsexporte

Die Koalition bekennt sich ausdrücklich zu einer restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anders als in der Vergangenheit will die künftige Bundesregierung das Parlament zeitnah über künftige Rüstungsexporte informieren. Damit entspricht der Koalitionsvertrag langjährigen Forderungen etwa der ökumenischen Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung GKKE nach einer transparenteren Waffenexportpolitik.