Foto: dpa/Stephanie Pilick
Gewerkschaften hatten vor dem Bundeskanzleramt in Berlin für einen gesetzlichen Mindestlohn demonstriert.
Koalitionsvertrag steht - Mindestlohn kommt
Nach einem Verhandlungsmarathon einigten sich die Parteien am Mittwoch in den frühen Morgenstunden in den letzten strittigen Punkten. SPD, CDU und CSU verständigten sich auf die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns, Verbesserungen bei der Rente und die Erleichterung der doppelten Staatsbürgerschaft.

Auch soll eine Pkw-Maut für Ausländer kommen. Auf Steuererhöhungen für neue Projekte will man verzichten. Die konkreten Ergebnisse sollen im Verlauf des Tages offiziell vorgestellt werden. Nach den Verhandlungen gab es zunächst nur kurze Statements. Sowohl Union wie auch SPD äußerten sich überzeugt, dem Koalitionsvertrag ihre "Handschrift" verliehen zu haben.

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CDU-Generalsekretär Herrmann Gröhe betonte, dass es laut der Einigung keine Steuerhöhungen und keine Neuverschuldung ab 2015 geben werde. Er bestätigte zudem eine Einigung auf einen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro. Nach seinen Angaben sollen die Tarifpartner bis Ende 2016 Zeit bekommen, den Mindestlohn anzupassen. Künftig soll es zudem eine politikferne Kommission geben, die über den Mindestlohn entscheidet. Dem Vernehmen nach sind Ausnahmen für bestimmte Branchen geplant. Darunter fallen Arbeitsplätze in der Saisonarbeit, der Landwirtschaft und der Fischerei.

Ebenfalls beschlossen ist nach Gröhes Angaben die Mütterrente für Frauen, die vor 1992 Kinder geboren haben. Sie solle bereits im kommenden Juli in Kraft treten, sagte Gröhe. Zudem soll es eine abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren nach 45 Berufsjahren geben. Ferner soll ab 2017 eine "solidarische Lebensleistungsrente" für Geringverdiener von bis zu 850 Euro pro Monat kommen.

Mehr Entwicklungshilfe

Bis zuletzt wurde um das Thema doppelte Staatsbürgerschaft gerungen. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern müssen künftig nicht mehr bis zum 23. Geburtstag für einen der beiden Pässe entscheiden. Aus dem Ausland Zugewanderte sollen bei einer Einbürgerung aber ihren alten Pass aufgeben müssen.

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In die Entwicklungshilfe wollen Union und SPD mehr investieren. Für die gesamte Legislaturperiode werden zwei Milliarden Euro mehr zur Verfügung gestellt, um dem 0,7-Prozent-Ziel näherzukommen, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Deutschland hat sich im Rahmen eines EU-Stufenplans verpflichtet, die Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. 2012 lag der Anteil bei 0,38 Prozent.

Die Maut-Einigung wurde unterschiedlich gewertet. Während die CSU von einem Erfolg für sich ausging, wurde in Kreisen von CDU und SPD die Vertragsformulierung lediglich als Prüfauftrag gewertet. Bedingung soll sein, dass die Maut nur ausländische Autofahrer belastet und mit dem Europarecht vereinbar ist. Dazu soll 2014 ein Gesetz verabschiedet werden.

Kompromiss beim Ökostrom

In der wichtigen Frage des Ausbauziels für erneuerbare Energien soll ein Ökostrom-Anteil von 55 bis 60 Prozent bis zum Jahr 2030 angestrebt werden. Zuvor hatte die Union für 50 bis 55 Prozent plädiert, die SPD für 75 Prozent.    

Trotz der Einigung ist noch nicht entschieden, ob es eine schwarz-rote Bundesregierung tatsächlich geben wird. Die SPD lässt darüber ihre Mitglieder abstimmen. Die Verständigungen zu Mindestlohn, Renten und Staatsbürgerschaft könnten die kritische SPD-Basis beruhigen. Das Ergebnis wird für den 14. Dezember erwartet. Wenn die insgesamt 475.000 SPD-Mitglieder grünes Licht geben, könnte Merkel in der Woche vor Weihnachten - am 17. Dezember - im Bundestag als Kanzlerin wiedergewählt werden.

Offen blieb zunächst die Besetzung der Ministerposten. Die SPD will offenbar erst den Mitgliederentscheid abwarten, bis sie bekannt gibt, wer welchen Posten übernimmt. Fest steht, dass die SPD in einem schwarz-roten Kabinett sechs Ministerien bekommen soll, die CDU fünf (plus Kanzleramtsminister) und die CSU drei. SPD und Union hatten bereits zwischen 2005 und 2009 unter Merkel gemeinsam regiert. Zuvor gab es zwischen 1966 und 1969 schon einmal eine große Koalition unter Kurt Georg Kiesinger (CDU).