"Anders als etwa bei Bananen ist es noch nicht selbstverständlich, dass es auch zu Handys eine fair gehandelte Alternative gibt", sagt Jörg Nowak von der katholischen Hilfsorganisation missio in Aachen. Kein Wunder, denn faire Bedingungen sind bei elektronischen Geräten viel schwerer zu garantieren als bei Lebensmitteln. Jedes Smartphone besteht aus Hunderten von Einzelteilen, die Produktionsketten spannen sich rund um den Globus.
An den Handy-Rohstoffen klebt Blut
Mobiltelefone enthalten seltene Metalle, die oft aus aus Bürgerkriegsgebieten stammen, wo Milizen und Rebellen die Bevölkerung terrorisieren. Aber an einem neuen Handy soll kein Blut kleben. Für die Herstellung sind 40 verschiedene Rohstoffe nötig wie Silber, Gold, Kupfer, Kobalt - und Coltan. Das Mineral kommt nur in wenigen Ländern vor, unter anderem im Kongo.
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"Als um das Jahr 2000 die weltweite Nachfrage nach Handys stieg, haben kongolesische Bürgerkriegsgruppen das ausgenutzt", sagt Nowak. "Die Warlords haben gezielt Coltangebiete erobert." Sie brauchten Geld, um Waffen zu kaufen und ihre Kämpfer zu ernähren. Der Bürgerkrieg in dem zentralafrikanischen Land schwelt bis heute. Das Geschäft mit den Handy-Rohstoffen ist profitabel. "In den 35 Millionen Handys, die in Deutschland jährlich auf den Markt kommen, stecken allein 60 Millionen Euro für Coltan und Gold", sagt Nowak.
Als Pionier in Sachen ethisches Handy betätigt sich nun das niederländische Start-Up-Unternehmen Fairphone. Irgendwann im Dezember will die junge Firma, die 15 Mitarbeiter beschäftigt, ihre ersten 25.000 fairen Smartphones an die Kunden verschicken. Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, gemessen an den 720 Millionen Handys, die im vergangenen Jahr weltweit verkauft wurden.
Auch die Firma Fairphone bezieht Mineralien aus dem Kongo, die meisten kommen aus Minen außerhalb von Konfliktgebieten, wie das Unternehmen versichert. Doch nicht alle Rohstoffe, die in dem 325 Euro teuren Handy stecken, sind fair gehandelt. "Noch können wir nicht nachprüfen, ob sich alle Glieder in unserer Lieferkette an faire Standards halten", sagt Sprecher Robin van Peppen. Langfristig wolle man das ändern. Eine zweite Fairphone-Edition ist schon in Planung.
Auch in den Montagefabriken herrschen oft unmenschliche Zustände. 2010 stürzten sich 13 Arbeiter bei dem Zulieferer Foxconn in China von einem Fabrikdach in die Tiefe - ein kollektiver Suizid, um auf die unmenschlichen Bedingungen in den Fabriken hinzuweisen. Löhne, die nicht einmal für das Nötigste reichen, Kontakt mit giftigen Stoffen, 72-Stunden-Woche, so lauten die Vorwürfe an Hersteller wie Apple oder Samsung.
Das Fairphone wird ebenfalls von chinesischen Arbeitern zusammengebaut - bei ausreichendem Lohn und fairen Arbeitszeiten, wie Sprecher van Peppen betont. "Wir hätten die Handys auch in Europa produzieren können", sagt er. "Aber wir wollten zeigen, dass man die Arbeitsverhältnisse in China ändern kann."
120 Millionen Handys verstauben in Schubladen
Die Firma verspricht Transparenz und will die Liste aller Zulieferer im Internet veröffentlichen. Zugleich setzt sie auf eine lange Haltbarkeit des Handys, um weniger Ressourcen zu verschwenden. Pro verkauftem Telefon gehen drei Euro an eine Hilfsorganisation, die sich für ein sozial- und umweltverträgliches Recycling von Elektroschrott in Entwicklungsländern einsetzt.
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Wer sich ein Bio-Phone wünscht, sucht bislang vergeblich. Der Betrieb der vielen Bergwerke hat fatale Folgen für die Umwelt. "Der Goldabbau ist weltweit die größte Ursache für Quecksilberverschmutzung", sagt Benjamin Bongardt vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). Er empfiehlt, Handys so lange wie möglich zu nutzen.
In deutschen Schubladen liegen 120 Millionen alte, unbenutzte Handys, schätzt das entwicklungspolitische Südwind-Institut. Mit jedem Jahr werden es mehr. "Wenn das Smartphone kaputt geht, kann man auch ein Gebrauchtes kaufen", empfiehlt Bongardt. Wer bislang zwei Mobiltelefone nutzt, um Berufliches und Privates zu trennen, könne sich künftig mit einem Handy begnügen, das Platz für zwei Simkarten bietet. Auch das Fairphone hat eine solche Funktion.
Die Fairphone-Gründer erhoffen sich von ihrer Initiative Impulse für generell bessere Umwelt- und Sozialstandards in der Handyherstellung. Das koreanische Unternehmen verkauft derzeit weltweit die meisten Smartphones. "Wir überprüfen ständig unsere Bezugsquellen, um sicherzustellen, dass diese den internationalen Standards unserer Branche entsprechen", versichert die Samsung-Zentrale in Deutschland. Der Elektronikriese teilt mit, bis Ende 2013 sollten alle seine Zulieferer nur noch konfliktfrei gefördertes Coltan verwenden.