Sie ist erst 16 und hat bereits ihre Biografie veröffentlicht, vor der UN-Vollversammlung gesprochen und einen Madonna-Song gewidmet bekommen. Nun nimmt das Mädchen mit den dunklen Augen und dem locker um den Kopf geschwungenen Kopftuch den Sacharow-Preis des Europaparlaments entgegen. Dabei hätte Malala Yousafzai, die Bildungsaktivistin aus dem Swat-Tal in Pakistan, um ein Haar ihren 16. Geburtstag gar nicht mehr erlebt: Am 9. Oktober 2012, als das Mädchen auf dem Nachhauseweg von der Schule war, schossen radikalislamische Taliban-Kämpfer auf die Schülerin.
###mehr-artikel###
Eine Kugel traf Malala in den Kopf und verletzte sie schwer. Doch wie durch ein Wunder überlebte sie den Mordanschlag. Nach einem Rettungsflug in ein Militärkrankenhaus im englischen Birmingham und zahlreichen Operationen wurde die junge Bildungsaktivistin und Bloggerin Anfang des Jahres als geheilt entlassen. Seither wird sie mit Auszeichnungen geradezu überhäuft.
Ihr 16. Geburtstag am 12. Juli 2013 wurde in der ganzen Welt als Malala-Tag gefeiert. "Ich bin hier, um das Recht eines jeden Kindes auf Bildung zu verteidigen", sagte Malala in ihrer Rede vor der UN-Vollversammlung an jenem Tag. "Terroristen glaubten, sie könnten meine Ziele und Ambitionen zerstören, doch nichts in meinem Leben hat sich verändert - außer, dass Schwäche, Furcht und Hoffnungslosigkeit gestorben sind."
Schon früh ein Medienstar
In der Öffentlichkeit zu stehen, daran ist Malala früh gewöhnt worden. Ihr ehrgeiziger Vater, Ziauddin Yousafzai, der Besitzer einer Schul-Kette in Pakistan, nahm die Tochter schon 2008 in den Presseclub von Peshawar mit. Die damals kaum Elfjährige hielt dort Vorträge über Bildung. Wenig später begann der britische Sender BBC einen Blog des Kindes zu veröffentlichen: In Tagebuchform berichtete Malala von den Gräueltaten der Taliban im Swat-Tal.
Sie setzte sich dabei vehement für den Schulbesuch von Mädchen ein, den die Taliban verboten hatten, die zu jener Zeit das Tal besetzten und ein Schreckensregime führten. Malala geriet ins Visier der Extremisten. Ihr Vater sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, seine Tochter gefährlich exponiert zu haben.
###mehr-info###
Als die "New York Times" einen Dokumentarfilm über Malala produzierte, fiel dem Journalisten Adam B. Ellick auf, dass Malalas Vater die Aufmerksamkeit zusehends genoss. Malala trat inzwischen im Fernsehen auf, um für das Recht von Mädchen auf Schulbildung zu streiten. Im Dezember 2011 verlieh ihr der damalige Ministerpräsident Yusuf Gilani den Jugendfriedenspreis des Landes.
Mit ihrer öffentlichen Rolle als Vorkämpferin für Bildung nahm aber auch die Gefahr für Malala zu. Lokalzeitungen druckten Warnungen, Drohbriefe tauchten vor ihrer Haustür in Mingora auf - bis am 9. Oktober 2012 vermummte Bewaffnete den Schulbus anhielten, nach Malala fragten und dann das Feuer auf sie eröffneten. Man habe sie wegen ihrer "pro-westlichen Haltung" töten wollen, erklärten die Taliban später. Mit dem Anschlag wurde Malala im Westen über Nacht zur Ikone im Kampf gegen den Extremismus. Islamisten äußern weiter Morddrohungen.
Eine internationale Marke
Malala lebt inzwischen mit ihren Eltern und ihren beiden jüngeren Brüdern in Birmingham. Ihr Vater arbeitet als Kulturattaché des pakistanischen Konsulats. Die Familie plant bislang keine Rückkehr nach Pakistan. Beraten von einem Stab von PR-Experten ist Malala zu einer internationalen Marke geworden, die der Familie Millionen Euro mit Buchverträgen, Auftritten und Filmrechte sichert.
Vor Auszeichnungen kann sich Malala mittlerweile kaum mehr retten: Das "Time"-Magazin wählte sie unter die 100 einflussreichsten Menschen weltweit. Sie erhielt unter anderem den Internationalen Kinder-Friedenspreis und den Simone-de-Beauvoir-Preis. Vielen galt sie als Favoritin für den Friedensnobelpreis.
###mehr-links###
In Pakistan ruft dies nicht nur Stolz hervor. Vielmehr wurden wiederholt Vorwürfe laut, Malala sei zu einer Marionette des Westens geworden. Die Aktivistin weist dies klar zurück: "Ich bin eine Tochter Pakistans und ich bin stolz, Pakistanerin zu sein", sagte sie der BBC. Auch gegenüber den extremistischen Angreifern hegt Malala keine Rachegedanken, wie sie immer wieder beteuert.
Sie wolle Bildung für alle Kinder, auch "die Söhne und Töchter der Taliban und aller Terroristen und Extremisten", erklärte sie in ihrer Rede vor der UN. "Lasst uns unsere Stifte und Bücher in die Hand nehmen. Sie sind unsere mächtigsten Waffen", forderte sie. Bildung sei die einzige Lösung gegen Armut und Extremismus. Malalas Berufswunsch? Politikerin in Pakistan.