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TV-Tipp des Tages: "Spreewaldkrimi: Feuerengel" (ZDF)
TV-Tipp des Tages: "Spreewaldkrimi: Feuerengel", 18. November, 20.15 Uhr im Zweiten
Die Identität der Person, die von den Flammen eines brennenden Hotels bis zur Unkenntlichkeit verzehrt worden ist, wird selbst ausgebuffte Krimifreunde überraschen, zumal man bis zu diesem Zeitpunkt überzeugt ist, diese Person sei noch quicklebendig.

Auch Filme sind Regeln unterworfen. An die muss sich ein Regisseur zwar nicht halten, aber meistens tut er es doch: weil die Zuschauer das erwarten. Eine dieser Regeln besagt: Rückblenden lügen nicht. Dieses ungeschriebene Gesetz lässt sich jedoch umgehen, indem man zum Beispiel nur die halbe Wahrheit zeigt. Thomas Kirchner (Buch) und Roland Suso Richter (Regie) probieren in ihrem Beitrag zur stets sehenswerten ZDF-Krimifilmreihe mit Geschichten aus dem Spreewald eine neue Variante: Was wie Rückblenden wirkt, sind in Wirklichkeit Visualisierungen des ermittelnden Kommissars, der sich vorstellt, wie die Tat abgelaufen sein könnte.

Wer steckt mit wem unter einer Decke?

Dieses Stilmittel ist aber nur eine der erzählerischen Besonderheiten, die "Feuerengel" auszeichnen. Geschickt enthüllen Kirchner und Richter die ganze Komplexität der Handlung Stück für Stück, indem sie immer wieder zwischen den Zeiten hin und her springen. So sieht man am Anfang, wie sich die Einwohner eines Ortes zum traditionellen Osterfeuer versammeln. Man bekommt Bruchstücke der Gespräche mit, aber die Dialogfragmente ergeben kein ganzes Bild. Doch der Film kommt immer wieder auf diese Eingangsszene zurück und ist nun auf Hörweite der Menschen, die man zuvor bloß aus der Ferne sah. Jetzt kann man einordnen, warum zwei Männer in ein Handgemenge ausbrechen oder welche Bedeutung das Telefonat einer Frau mit ihrem verreisten Mann hat.

Den größten Knüller aber zögern Kirchner und Richter eine ganze Weile hinaus: Die Identität der Person, die von den Flammen eines brennenden Hotels bis zur Unkenntlichkeit verzehrt worden ist, wird selbst ausgebuffte Krimifreunde überraschen, zumal man bis zu diesem Zeitpunkt überzeugt ist, diese Person sei noch quicklebendig. Kirchners Drehbuch zeichnet sich ohnehin durch eine ausgeklügelte Raffinesse aus. Es dauert eine Weile, bis man durchblickt, wer mit wem unter eine Decke steckt, und das zum Teil auch noch buchstäblich, zumal auch auf Seiten der Polizei diverse Beziehungskisten auf einen Deckel warten. Schrägste Figur in dieser Hinsicht ist ein von Thorsten Merten als sympathischer Verlierer verkörperter uniformierter Beamte, der aufs Stichwort Klassiker der deutschen Lyrik rezitiert und die Dorfgemeinde mit Goethes Faust-Monolog beim Osterspaziergang ("Vom Eise befreit...") unterhält.

Der Film hat eine ganze Reihe solcher liebevoll entworfener Nebenrollen zu bieten, doch dominiert wird die Handlung von einem Trio, das vor Jahren mit einem hochfliegenden Projekt gescheitert ist, seine Schäfchen aber rechtzeitig ins Trockene gebrach hat, und das für das Erreichen seiner Ziele auch über Leichen geht. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist die schillerndste Figur dieses Krimis: Die von Anja Kling wunderbar vielschichtig gespielte Lisa Engel fasziniert durch einen Facettenreichtum, der lange Zeit offen lässt, ob sie Teil des Komplotts oder sein Opfer ist.

Mit Martin Lindow und Roman Knižka hat "Feuerengel" noch weitere Darsteller zu bieten, denen gleichfalls nicht auf Anhieb anzumerken ist, ob sie Sympathieträger oder Schurke sind. Die ruhende Mitte des Films wird gewohnt glaubwürdig und sparsam von Christian Redl verkörpert, dessen stets leicht melancholischer Kommissar Krüger zunächst allerdings ein Ermittler auf Abruf ist. Weitere prägnante Rollen spielen Kai Scheve und Jochen Nickel. Ein darstellerisch und dramaturgisch herausragender "Spreewaldkrimi".