Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat am Mittwoch einen vorläufigen Schlussstrich unter den jahrelangen Streit um kirchliches Arbeitsrecht gezogen. Künftig können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer - im kirchlichen Sprachgebrauch Dienstgeber und Dienstnehmer - auch in Tarifverhandlungen und nicht nur nach dem kirchlichen Dritten Weg einigen. Voraussetzung dafür ist aber der Verzicht auf das Recht zu Streik und Aussperrung. "Kirchengemäße Tarifverträge setzen eine uneingeschränkte Friedenspflicht voraus", heißt es in dem neuen Kirchengesetz. Erst wenn der Arbeitgeber gegen Kirchenrecht verstößt, gilt staatliches Arbeitsrecht und damit auch Streikrecht.
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Die EKD-Synode nahm mit der Neuregelung ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. November 2012 auf. Darin hatte die Gewerkschaft ver.di zwar im Einzelfall gewonnen. Allerdings war der sogenannte Dritte Weg bestätigt worden, nach dem die Kirche ihr Arbeitsrecht eigenständig regeln darf. Es folgt dem Modell einer christlichen Dienstgemeinschaft, die Regelungen in paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommissionen trifft. Deren Entscheidungen sind verbindlich.
Verbessert wurde von der EKD-Synode die Möglichkeit für Gewerkschaften, sich über die Kommissionen hinaus in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen zu betätigen, Mitglieder zu werben und zu informieren. Während das EKD-Ratsmitglied Klaus Winterhoff bei der Einbringung des Gesetzes von einer deutlichen Öffnung zugunsten der Gewerkschaften sprach, lehnte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bereits im Vorfeld der Synode eine Neuregelung ohne Streikrecht ab. Mit weiteren Gewerkschaftsprotesten dürfte zu rechnen sein, zumal ver.di trotz des formalen Sieges vor dem BAG beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen das Erfurter Urteil vorgeht.
"Die Diakonie ist über ihren Schatten gesprungen"
In Kirche und Diakonie werden allerdings keine großen Debatten mehr erwartet. Das am Mittwoch beschlossene Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz der EKD muss noch von den Landeskirchen in eigenes Recht umgesetzt werden. Bei den 20 Gliedkirchen in der Region sind die weitaus meisten kirchlichen Mitarbeiter beschäftigt. Die Diakonie hatte schon vor der Düsseldorfer EKD-Entscheidung ihre Zustimmung vorweggenommen und bereits am 17. Oktober eine entsprechende Ordnung beschlossen. "Die Diakonie ist deutlich über ihren Schatten gesprungen", war aus der Führungsetage des Sozialverbands zu hören.
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In der Debatte des Kirchenparlaments hatte Synodenmitglied Kerstin Griese auf die Herausforderungen der Diakonie auf dem Arbeitsmarkt hingewiesen, in dem viele private Anbieter zu schlechteren Arbeitsbedingungen unterwegs sind als die diakonischen Arbeitgeber. Pflege- und Hilfsbedürftige seien auf Helfer angewiesen, "die ihre Arbeit gern machen, Zeit für sie haben und ordentlich bezahlt werden", sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete. In der Zukunft gehe es darum, überhaupt genügend junge Bewerber zu finden.
Insgesamt sind die evangelische Kirche und ihre Diakonie einer der größten Arbeitgeber Deutschlands, auch wenn die Beschäftigungsverhältnisse formal mit Tausenden einzelnen Arbeitgebern geschlossen sind. In der verfassten Kirche sind nach EKD-Angaben rund 224.000 Menschen beschäftigt, in der Diakonie weitere rund 453.000 Voll- und Teilzeitkräfte. Für Pfarrer und Spitzenfunktionäre gilt in der Regel das Beamtenrecht - der Erste Weg. Tarifverträge nach einem kirchlich angepassten Zweiten Weg gelten in den Landeskirchen von Norddeutschland und Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Für die meisten anderen Arbeitsverhältnisse gilt der kirchenspezifische Dritte Weg.