Foto: dpa/epa ANA Orestis Panagiotou
Klimagipfel im Kohleland
Bis 2015 hat sich die Weltgemeinschaft Zeit gegeben, einen umfassenden Klimavertrag auszuhandeln. Beim Klimagipfel in Warschau wollen die Verhandler jetzt Weichen stellen. Die Erfahrung lehrt, dass Fortschritte nur im Kleinen möglich sind.

Zähe Verhandlungen, erbitterte Interessenkämpfe, hochkomplexe Materie - der nächste Klimagipfel der Vereinten Nationen steht an. Vom 11. bis 22. November werden Delegierte aus aller Welt in Warschau erneut den schwierigen Spagat der Klimadiplomatie üben: Es gilt, Fortschritte bei der Lösung eines drängenden Menschheitsproblems zu finden - und zugleich die widerstrebenden Interessen von mehr als 190 Ländern unter einen Hut zu bringen. Die Verhandlungsführung hat dabei ein berüchtigter Bremser: das Gastgeber- und Kohleland Polen, das schärfere Klimaschutz-Ziele der EU seit Jahren blockiert.

Im Schweinwerferlicht der Weltöffentlichkeit werden die Verhandler in Warschau vermutlich nicht stehen, anders als noch vor vier Jahren beim schließlich gescheiterten Kopenhagener Gipfel. Damals war der Klimawandel ein politisches Top-Thema, von den Medien mit schaurigen Weltuntergangsszenarien begleitet. Inzwischen hat das Interesse merklich nachgelassen. So spielte im vergangenen Bundestagswahlkampf die Erderwärmung keine Rolle: Im Duell der Kanzlerkandidaten wurde der Klimawandel nicht angesprochen.

"Warschau ist eine Schlüsselkonferenz"

Schlechte Voraussetzungen für Erfolge bei den Warschauer Gesprächen. Dabei hat der jüngst vorgelegte fünfte Sachstandsbericht des Weltklimarates die Dringlichkeit des Handelns unterstrichen. Den Forschern zufolge wird der Meeresspiegel deutlich stärker ansteigen als bisher vermutet. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erderwärmung vom Menschen verursacht ist, beziffern die Wissenschaftler auf 95 Prozent.

Der Fahrplan der Verhandlungen steht seit der Klimakonferenz von Durban vor zwei Jahren fest: Bis 2015 will die internationale Gemeinschaft einen Weltklimavertrag vereinbaren. Darin sollen sich alle Staaten zu Klimaschutz verpflichten - auch große CO2-Sünder wie die USA und China, die unter dem Kyoto-Protokoll keine Verpflichtungen eingegangen waren. Der neue Kontrakt soll dann 2020 in Kraft treten.

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Auch wenn das Treffen an der Weichsel also nur einen Zwischenschritt darstellt, betonen Klimaschützer die Bedeutung des Gipfels: "Warschau ist eine Schlüsselkonferenz", sagt Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam: "Hier müssen Meilensteine erreicht werden, damit es 2015 klappt." Nach den Worten der Klimaexpertin von "Brot für die Welt", Sabine Minninger, werden in der polnischen Hauptstadt entscheidende Weichen gestellt. "Wir brauchen dort klare und transparente Arbeitspläne, die zu einem Vertragstext in zwei Jahren führen."

Im wichtigsten Verhandlungsstrang geht es um die CO2-Minderung ab 2020 und um eine gerechte Verteilung der Lasten zwischen Industriestaaten und Schwellenländern. Noch ist nicht einmal geklärt, woran sich die Klimaschutz-Vorgaben für die einzelnen Staaten bemessen sollen: Soll es um Ziele zur absoluten Senkung des Treibhausgases, um Energieeffizienzziele oder um Ausbauziele für erneuerbare Energien gehen? In Warschau wollen die Staaten auch klären, welche Informationen sie austauschen müssen, um ihre Klimaschutzmaßnahmen wechselseitig beurteilen zu können.

Die Delegierten wollen auch über die Klimaschutz-Maßnahmen sprechen, die schon jetzt greifen sollen. Denn 2020 ist noch lange hin, Wissenschaftler warnen davor, wertvolle Zeit zu verlieren: Die Zusagen, die bisher auf dem Tisch liegen, könnten zu einer globalen Erwärmung um vier Grad oder mehr führen. Vereinbartes Ziel der Weltgemeinschaft ist es, zwei Grad nicht zu überschreiten.

Wer kommt für Verluste auf?

Und wie üblich beim Klimapoker wird auch beim Warschauer Gipfel wieder das Geld eine wichtige Rolle spielen: Bis 2020 - so wurde es bereits beschlossen - sollen 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stehen, um arme Staaten beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Doch anstatt mehr Geld zur Verfügung zu stellen, nimmt die Zahlungsbereitschaft reicher Staaten offenbar ab. Oxfam-Experte Kowalzig, der die Verhandlungen eng verfolgt, kritisiert: "Es sieht so aus, als würde in den kommenden Jahren nicht mehr, sondern weniger Geld zur Verfügung stehen."

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Auch der Umgang mit den Schäden, die der Klimawandel verursacht, steht auf der Agenda. Im Blick ist dabei zum Beispiel der steigende Meeresspiegel, der Küstenregionen und Inseln bedroht. Entscheidende Fragen lauten: Wer kommt für Verluste auf? Sind spezielle Versicherungen eine Lösung?

Gegner von Kompensationszahlungen wie etwa die USA argumentieren, dass klimabedingte Schäden nicht eindeutig festzustellen sind: Es sei zum Beispiel unmöglich zu bestimmen, ob ein konkreter Hurrikan von der Erderwärmung ausgelöst worden sei. "Brot für die Welt"- Referentin Minninger sagt: "Der Klimawandel hinterlässt natürlich nicht nach jedem Unwetter eine Postkarte und schreibt: 'Ich war's mal wieder' - aber der Klimawandel ist wissenschaftlich eindeutig belegt." Es sei die Pflicht der Staatengemeinschaft, den ärmsten Menschen Hoffnung auf eine Zukunft zu geben.