Foto: epd/Jens Schulze
Wenn der Pfarrer zum Manager wird
Theologen müssen sich in den Gemeinden als "Unternehmer" behaupten
Pfarrer werden an der Universität zu Gelehrten ausgebildet, müssen aber später in der Gemeinde jede Menge organisieren und verwalten. Der Theologieprofessor Michael Herbst bringt Pastoren deshalb "spirituelles Gemeindemanagement" bei.
18.11.2013
epd
Marcus Mockler

In ihrer Ausbildung haben sie Griechisch und Hebräisch gelernt, sich in Altes und Neues Testament vertieft und das Predigen geübt. In der Gemeinde stehen junge Pastoren dann plötzlich vor Herausforderungen, auf die sie nicht unbedingt vorbereitet sind: ein Budget verwalten, Personal führen, Immobilien managen, Gremien leiten. Nicht alle kommen mit diesem Aufgabenpaket sofort klar. Um Pfarrerinnen und Pfarrer nachzuqualifizieren, hat der Greifswalder Theologieprofessor Michael Herbst mit Kollegen das Weiterbildungsangebot "Spirituelles Gemeindemanagement" entwickelt.

Visionen entwickeln und umsetzen

Als eines der größten Probleme betrachtet es Herbst, dass Theologen in der Ausbildung nicht gelernt haben, wie man gemeinsam mit anderen eine Vision entwickelt und diese dann in Strategien und Ziele herunterbricht: "Eine Führungskraft ohne Vision hinterlässt ein Team ohne Perspektive". In einer Gemeinde müsse man immer wieder darüber nachdenken, warum es sie überhaupt gibt und welchen speziellen Auftrag sie in einer Region hat.

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Aber auch Selbstorganisation und Kommunikationsfähigkeit fällt nicht allen Pastoren in den Schoß. Wie man effektiv mit seiner Zeit umgeht, Menschen führt und Konflikte bearbeitet, bevor sie in einen Dauerstreit ausarten - das erfährt mancher in einem schmerzhaften "learning by doing"-Prozess. Von der Managementliteratur, die solche Themen in den vergangenen Jahrzehnten intensiv bearbeitet hat, hören viele erst im Weiterbildungskurs "Spirituelles Gemeindemanagement".

Das Programm geht über zwei Jahre, enthält vier einwöchige Präsenzkurse, monatliche Supervisionsgruppen und spezielle Projekte, die die Teilnehmer anpacken müssen. Gestartet wurde das "Spirituelle Gemeindemanagement" Ende der 90er Jahre in der westfälischen Landeskirche, erlebte dann besonders starke Nachfrage im Rheinland, in Niedersachsen, in Österreich und in den evangelischen Landeskirchen von Baden und Württemberg.

Immer auch ein Gebet formulieren

Ein Teilnehmer ist der 37-jährige Pfarrer Martin Weber aus Kirchberg bei Waiblingen. Er schätzt an dem Angebot, dass es nicht nur in theoretischen Überlegungen verharrt, sondern ihm ganz praktische Hilfen zur Verbesserung seiner Gemeindearbeit gibt, wie er sagt. Seine Projekt-Aufgabe: ein kirchliches Angebot für Ehepaare zu schaffen. Mit einem Team aus der Gemeinde bereitet er zunächst ein Candle-Light-Dinner vor, hinzu kommen Impulse von Gastreferenten. All das soll Paaren bei der Vertiefung ihrer Beziehung helfen.

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Knapp 400 Frauen und Männer haben das Programm "Spirituelles Gemeindemanagement" seit 1999 durchlaufen. Prominenteste Teilnehmerin war Annette Kurschus, die später das Amt der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen übernommen hat. Theologieprofessor Herbst betrachtet die Weiterbildung allerdings nicht als "Karriereförderungsmittel". Die meisten Teilnehmer wappneten sich damit für die Arbeit vor Ort und bastelten nicht an ihrer Beförderung, so seine Beobachtung.

Für Herbst ist es wichtig, bei der Vermittlung von Managementtechniken die geistliche Seite nicht zu vernachlässigen. Wenn Teilnehmer an Strategien arbeiteten, dann sollen sie sich seiner Ansicht nach nicht nur messbare und realistische Ziele setzen, sondern daraus dann auch ein Gebetsanliegen formulieren. Beim Zeitmanagement ist einer seiner wichtigsten Gedanken, dass Pfarrer trotz der hohen Arbeitsbelastung die Stille und das Hören auf die Bibel nicht vernachlässigen.

Und wenn Herbst die Seminarteilnehmer bereits morgens um 7 Uhr zum Joggen einlädt, dann geht es ihm nicht nur um ausgleichende Gymnastik, sondern um die Pflege des Körpers - der nach den Worten der Bibel ein "Tempel des Heiligen Geistes" ist.