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Heinig: Nur mit Spenden wäre die Kirche schwächer
Über die Kirchensteuer und das Geld der Kirche wird viel diskutiert, nicht erst seit den Finanzeskapaden des katholischen Bischofs Tebartz-van Elst, dessen Umgang mit dem Vermögen des Bischöflichen Stuhls von Limburg in die Kritik geraten war. Wie steht's also mit der Kirchensteuer und den Staatsleistungen und ließe sich dieses System ändern? Ein Interview mit dem Kirchenrechtler Michael Heinig.

Ist die staatliche Förderung kirchlicher Arbeit in einem säkularen Land wie der Bundesrepublik Deutschland noch zeitgemäß?

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Hans Michael Heinig: Der moderne Wohlfahrtsstaat fördert bürgerschaftliches Engagement auf vielfältige Weise, so auch die kirchliche Arbeit. Daran ist nichts unzeitgemäß. Die Förderung betrifft unterschiedliche Handlungsfelder; die staatlichen Motive variieren entsprechend.

Schaffen die Kirchen genügend Transparenz über ihren Umgang mit Geld vom Staat?

Heinig: Man kann sich über die Eckdaten der Kirchenfinanzen zum Beispiel im Internet auf www.kirchenfinanzen.de informieren und so einen schnellen Überblick über Einnahmen und Ausgaben der EKD und ihrer Gliedkirchen gewinnen. Aber die Kirchen sind keine Konzerne mit einheitlicher Bilanz, sondern bestehen aus Tausenden Gemeinden, Verbänden und Einrichtungen. Die Details wirken deshalb schnell unübersichtlich.

"Wer eine reine Spendenkirche fordert, will die Kirche bewusst schwächen oder ist naiv"

Der Staat zieht die Kirchensteuern ein. Warum nimmt er den Kirchen diese Arbeit ab?

Heinig: Die Verfassung garantiert den kirchlichen Mitgliedsbeitrag in Steuerform. Das dient einer soliden und solidarischen Finanzierung der Religionsgemeinschaften. Dem dient auch der staatliche Einzug. Die Kirchen sparen sich so bürokratischen Aufwand und der Staat lässt sich seinen Einsatz bezahlen, mit rund drei Prozent des Steueraufkommens. Das sind jährlich etwa 160 Millionen Euro.

In anderen Ländern finanzieren die Kirchen sich ohne Steuern. Wäre das auch in Deutschland ein gangbarer Weg?

Heinig: Nur mit einer Änderung des Grundgesetzes. Ich sehe aber keine Vorteile. Die Steuer garantiert, dass alle Mitglieder sich nach ihrer Leistungsfähigkeit beteiligen. Sie schützt vor einseitigen Abhängigkeiten von zahlungskräftigen Gliedern der Gemeinden. Wer eine reine Spendenkirche fordert, will die Kirche bewusst schwächen oder ist naiv. Auch die "Kultursteuer", nach der jeder Steuerpflichtige einen bestimmten Steuersatz einer wohltätigen Organisation zur Verfügung stellen soll, ist keine Alternative. Sie erhöht die Abhängigkeit vom Staat. In Italien und Spanien lässt sich die Kirche dadurch nicht finanzieren, weshalb dort hohe Staatsleistungen fließen. Die Kirchensteuer ist im Vergleich dazu deutlich vorzugswürdig.

Hält der Weg der Kirchensteuer der europäischen Angleichung stand?

Heinig: Es gibt in Europa in religionsrechtlichen Fragen nur Sonderwege. Das Recht der Kirchenfinanzierung ist eine nationale Angelegenheit. Das erkennt das Europarecht an. Ein Teil der staatlichen Förderung sind laufende Zahlungsverpflichtungen an die Kirchen, die unter anderem auf dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 gründen. Schon die Weimarer Reichsverfassung sah die Ablösung dieser Leistungen durch eine Einmalzahlung vor.

Woran ist das bisher gescheitert?

Heinig: Am notorischen Geldmangel der öffentlichen Hand und fehlendem politischem Willen. Ablösung meint Einstellung der jährlichen Zahlungen bei finanzieller Schadlosstellung. Lange Zeit galt die Ablösung politisch als kirchenfeindlicher Akt – was falsch ist, wenn denn eine Kompensation erfolgt. Für die Länder ist es zudem einfacher, jährlich zu zahlen, statt für eine Entschädigung aufzukommen.

"Die Trägerpluralität spiegelt die Vielfalt unserer Gesellschaft wider"

Die Kirchen und ihre Diakonie beziehungsweise Caritas erhalten vom Fiskus Geld für Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen. Warum organisiert der Staat das nicht selbst?

Heinig: Der Staat refinanziert diese Arbeit zu einem Großteil, aber nicht vollständig. Er spart also Geld und organisatorischen Aufwand. Zudem spiegelt die Trägerpluralität die Vielfalt unserer Gesellschaft wider. Die meisten Patienten und Eltern fühlen sich gerade vom religiösen Profil einer kirchlichen Einrichtung angesprochen. Wunsch- und Wahlrechte stärken die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger.

Die Kirchen verlieren an Mitgliedern. Was bedeutet das für die Finanzierung kirchlicher Arbeit?

Heinig: Die mit dem steigenden Wohlstand in Deutschland verbundene Kirchenfinanzierung ist zu Ende. Die Kirche wird Prioritäten setzen müssen. Seit den 1970er Jahren sind viele Einrichtungen und Sonderstellen dazugekommen. Wenn das zurückgefahren wird, muss die Kirche in ihrem Kernauftrag nicht unbedingt Schaden nehmen.