Foto: epd/Conny Wenk
Herausfordernd und einzigartig
Wenn Paare sich für die Adoption behinderter Kinder entscheiden
David und Carolin Neufeld haben zwei Söhne mit Down-Syndrom zu adoptiert. Diese Entscheidung haben sie bewusst getroffen - ein ungewöhnlicher Schritt, denn in ganz Deutschland haben Vermittlungsstellen Mühe, Adoptiveltern für behinderte Kinder zu finden.
02.11.2013
epd
Jasmin Maxwell

Manchmal macht David Neufeld auf der Arbeit kurz Pause und schaut seinen Bildschirmschoner an: Ein Foto von seinem Adoptivsohn Alexander. Der Verleger und seine Frau Carolin haben Alexander zu sich genommen, als er sechs Wochen alt war. Alexander hat das Down- Syndrom, heute ist er zwölf. "Sein Bild anzugucken, tut total gut", sagt David Neufeld. "Das Leben zu genießen, den Augenblick wahrzunehmen - Alexander verkörpert das ganz stark."

Die Neufelds leben mit Alexander und ihrem zweiten Adoptivsohn, dem siebenjährigen Samuel, der ebenfalls das Down-Syndrom hat, im oberpfälzischen Schwarzenfeld. Ihr Pflegesohn Onur lebt mittlerweile nicht mehr in der Familie. "Das ist ein herausforderndes Leben", sagt Neufeld, "aber auch ein ganz einzigartiges, das ich nie missen möchte."

In Deutschland standen 2012 rechnerisch einem zur Adoption freigegebenen Kind sechs mögliche Elternpaare gegenüber. Lange Wartezeiten für Adoptiveltern sind die Regel. Bei Kindern mit Behinderungen ist das anders. Jugendämter haben Mühe, Eltern für sie zu finden.

Nur wenige Paare nehmen behinderte Kinder auf

Vermittlungsstellen fragen alle adoptionswilligen Paare, ob sie auch ein behindertes Kind aufnehmen würden. Es gibt keine Zahlen darüber, wie viele mit "ja" antworten. "Aber es sind ganz wenige, leider", sagt Claudia Flynn, Leiterin der zentralen Adoptionsstelle des bayerischen Landesjugendamtes. Die Adoptionsstellen der Landesjugendämter werden eingeschaltet, wenn für ein Kind nach drei Monaten keine Adoptiveltern gefunden wurden - oft sind das Kinder mit Behinderungen.

Flynn schätzt, dass in Bayern jährlich um die fünf Kinder mit Beeinträchtigungen vermittelt werden. Oft nicht in Adoptivfamilien, sondern zunächst oder auf Dauer in eine Pflegefamilie. Der letzte Ausweg ist eine Unterbringung im Heim.

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David und Carolin Neufeld hatten eigentlich nicht geplant, ein behindertes Kind aufzunehmen. Als sie gefragt wurden, ob sie sich auch einen Sohn oder eine Tochter mit einer Behinderung vorstellen könnten, antworteten sie dennoch mit ja. "Wir haben das nicht als Wunschkonzert gesehen", sagt David Neufeld heute. Bei einem leiblichen Kind könne man schließlich auch nicht vorhersehen, ob es mit einer Behinderung auf die Welt komme.

Berührungsängste hatte das Paar nicht. Carolin Neufeld hatte zuvor als Erzieherin in einer Schule für Kinder mit geistiger Behinderung gearbeitet. Als dann Pflegesohn Onur schon in der Familie lebte, kam ein Anruf vom Jugendamt: Sie hätten da ein besonderes Kind. Ob sich die Neufelds noch immer eine Adoption vorstellen könnten? "Wir haben Alexander am Dienstag zum ersten Mal gesehen", erzählt Neufeld. "Onur hat sich im Krankenhaus direkt neben ihn ins Bett gelegt. Am Freitag haben wir ihn mit nach Hause genommen."

Betreuung rund um die Uhr

Kerstin Held ist seit 2000 Pflegemutter. Zurzeit hat sie zwei schwerbehinderte Pflegekinder, bald kommt ein drittes. "Man muss sich das einfach trauen", sagt Held, die stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes behinderter Pflegekinder ist. "Denn das Leben mit den Kindern ist ein Geschenk. Sie konzentrieren einen auf das Wesentliche im Leben."

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Held berichtet aber auch, dass ihr Leben mit viel Aufwand verbunden ist. Ihre Kinder benötigen rund um die Uhr teure medizinische Betreuung. Es gebe durchaus staatliche Unterstützung, sagt sie. "Aber man muss wissen, an wen man sich wenden muss." Gerade bei behinderten Pflegekindern ist die rechtliche Lage kompliziert. Nicht selten schöben sich die Ämter die Zuständigkeiten gegenseitig zu, kritisierte das Deutsche Jugendinstitut in einer Untersuchung für das Bundesfamilienministerium.

"Wir sind als Eltern enorm gefordert", sagt auch David Neufeld. "Die Kinder brauchen gerade am Anfang besonders viel Zuwendung." Alexander und Samuel bekommen Logopädie, von Zeit zu Zeit auch Ergotherapie und Physiotherapie. Seine Frau hat ihren Beruf aufgegeben, als Onur in die Familie kam. Bereut haben die Neufelds ihr "Ja" zu ihren Söhnen nie. "Unser Leben ist ein bisschen anders, bringt aber ganz bedeutsame und besondere Momente mit sich", sagt Neufeld.