Bis heute ist die Initiative "Hellersdorf hilft" nur über E-mail, Twitter oder Facebook erreichbar. Telefonnummern oder Nachnamen werden nicht herausgegeben, man ist vorsichtig. Auch Fotos sind eher unerwünscht. Denn bis heute gibt es nicht nur freundliche, sondern immer wieder auch fremdenfeindliche Haß- und Schmäheinträge auf der "Hellersdorf hilft"-Facebookseite. Ein Treffen zum Interview findet in einer Berlin-Lichtenberger Privatwohnung statt. Denn ein festes Büro oder gar angestellte Mitarbeiter hat "Hellersorf hilft" noch lange nicht.
###mehr-links### Alles begann im Sommer dieses Jahres, als Hellersdorfer Bürger, unter die sich offensichtlich auch ortsfremde Neonazis gemischt hatten, lauthals die Eröffnung eines Asylbewerberheims im ehemaligen Max-Reinhardt-Gymnasium verhindern wollten. Genau das Gymnasium, in dem Tim wie viele seiner baldigen Mitstreiter einst zur Schule ging. Einen Tag später gründete er die Facebook-Seite "HellersdorfhilftAsylbewerbern". Schnell erfuhr die Internet-Seite großen Zuspruch.
"Über diese Seite haben dann wir, die wir uns vorher nur durch Kommentieren gefunden hatten, zur Initiative zusammengeschlossen", erinnert sich Stefan, einer von mittlerweile 15 jungen Aktivisten bei "Hellersdorf hilft". "Wenn man verfolgt hat, wie in Hellersdorf in den letzten Monaten von Anwohnern, Rechtsradikalen, von Nazis gegen Flüchtlinge gehetzt wurde, da konnte ich gar nicht wegschauen, das war ein inneres Bedürfnis dagegen zu halten für mich", ergänzt Luisa.
Kleidung, Küchengeräte, Fußbälle, Bobbycars
Die meisten von ihnen sind erst Anfang 20 und haben Familie und Verwandte in Hellersdorf wohnen. Viele studieren noch, andere arbeiten bereits etwa in Verwaltungen, in Jugendheimen oder in der Medienbranche. Die ehemaligen Hellersdorfer wohnen zwar längst über die ganze Stadt verteilt, fühlen sich aber ihrem alten Stadtteil weiterhin verbunden. Aus der virtuellen Gruppe ist in kürzester Zeit eine sehr lebendige und reale Fulltime-Initiative geworden, berichtet Stefan, der kaum noch zu etwas anderem kommt: "Wir haben, als die Flüchtlinge noch nicht da waren, Aufklärungsarbeit versucht zu leisten. Wir haben, als die Flüchtlinge dann da waren, Willkommensbriefe geschrieben und ihnen die Situation um das Heim und die ganzen Geschehnisse erklärt. Dann haben wir eine Spendenwoche ins Leben gerufen und haben über 200 Umzugskartons mit Sachspenden gesammelt."
###mehr-artikel### Nach den Negativ-Berichten aus Hellersdorf, die bundesweit für Empörung bis Verwirrung sorgten, waren dies die erlösenden Fernsehbilder aus dem Plattenbaubezirk: Junge Menschen und Anwohner tragen Pakete mit Hilfsgütern in das Flüchtlingsheim. "Beispielhaft war die Solidarität aus ganz Deutschland, dass uns aus der ganzen Bundesrepublik Pakete mit Spendensachen erreicht haben. Es kamen Kleidung, Küchengeräte, Spielsachen, Fußbälle, eine Torwand, Bobbycars. Wir konnten beispielsweise auch die Kinder der Flüchtlinge mit Ranzen und Schulsachen für die Einschulung ausstatten", erzählt Michael.
"Hellersdorf hilft" arbeitet eng mit der Heimleitung und mit den Flüchtlingen zusammen, um den Bedarf zu erfragen. Auch gebe es gute Kontakte zu anderen sozialen Einrichtungen, Kirchengemeinden und dem Bezirk am Ort. Vor allem gilt es, die Welle an Hilfsbereitschaft zu bündeln und zu koordinieren. Da geht es etwa um Dolmetscherdienste, das Organisieren von Festen, Sprachkurse und Workshops, Begleitung zu Behördengängen oder Kinderbetreuung. Die Initiative will jetzt zu einem eingetragenen Verein werden und dauerhaft im Stadtteil arbeiten. Über die Anerkennung und den Preis aus der Jüdischen Gemeinde freuen sich die jungen Macher von "Hellersdorf hilft" außerordentlich. Das Preisgeld in Höhe von 3000 Euro soll in die weitere Vereinsarbeit fließen.
"Geflüchtete Leute werden immer Hilfe brauchen"
"Wir haben eine Art Vorbildrolle. In Moabit hat sich etwa eine Organisation 'Moabit hilft' gegründet, in Leipzig gibt es mittlerweile eine ähnliche Organisation, die mit uns zusammenarbeiten möchte. Von Hellersdorf wurde ein Zeichen gesendet, dass sich auch andernorts Menschen solidarisieren und organisieren", sagt Stefan.
Ein langer Atem scheint nötig zu sein. Nicht nur Helfer und Unterstützer melden sich zu Wort, sondern weiterhin auch Gegner des Asylbewerberheims, zum Beispiel die rechtslastige "Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf". Offensichtlich wird es im Ostberliner Plattenbaubezirk auch weiterhin Auseinandersetzungen um das Asylbewerberheim geben - leider.
"Wir wollen auch längerfristig arbeiten, weil es die Probleme immer geben wir, auch wenn die Rechtsradikalen hoffentlich bald nicht mehr so aktiv im Bezirk sein werden. Trotzdem werden geflüchtete Leute immer Hilfe und Unterstützung brauchen und deswegen wird es auch uns noch lange geben", verspricht Luisa von "Hellersdorf hilft".