Man nehme: Einen promovierten Bischof, einen überzeugten Atheisten, eine nicht-gläubige frühere TV-Psychologin, eine vom Islam zum Christentum konvertiert junge Frau, eine Mutter, die bei einem Unfall nicht nur ihren Sohn, sondern auch ihren Glauben verloren hat, sowie einen Rocker, der nach dem Tod seiner Freundin Jesus gefunden hat – dazu die Frage "Nur wer glaubt wird selig?". Schon hat man einen Freitagnacht-Talk im SWR "Nachtcafé".
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Zum Einstieg redet Moderator Wieland Backes an der Bar mit einem jungen Vater. Seine Frau hat kurz nach der Geburt der gemeinsamen Tochter Suizid begangen. Backes und sein Gast erzählen gemeinsam die Geschichte nach. Glückliches Paar, Schwangerschaft, Geburt, Wochenbettdepression, Psychiatrie und dann der Selbstmord. Sein Glaube an Jesus war in dieser Zeit die wichtigste Stütze, erzählt Steffen Schwarz. Er habe auch dann eine Stärke gespürt, wenn die Kraft eigentlich hätte aufgebraucht sein müssen.
Ein Glaube, der Berge versetzt
Auch in der anschließenden Runde finden sich berührende Einzelschicksale. Ute Nelz erzählte, wie sie vor sechs Jahren ihren Sohn bei einem Motorradunfall verlor. Für sie gibt es seit diesem Tag keinen Gott mehr. Ganz anders ist die Geschichte von Mexx Koch. Jahrelang war er heroinsüchtig. Nach dem Drogentod seiner Freundin fand er im Glauben einen neuen Halt und veränderte sein Leben.
Heute ist Koch als fahrender Motorradprediger unterwegs. Er hat sich nicht nur Bibelstellen auf den Körper tätowiert, sondern zitiert sie auch mit Begeisterung. Fast im gleichen Atmenzug sagt er Sätze wie: "Ohne Glaube wäre das Leben für den Arsch." Glaube für jeden, Glaube zum Anfassen.
Sabatina James hat "die Abgründe des Glaubens kennengelernt", heißt es in der SWR-Sendung. Die junge Frau wuchs in einem streng islamischen Elternhaus auf, floh vor einer Zwangsheirat aus Pakistan und konvertierte zum Christentum. Heute hilft sie Frauen, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Jeder dieser Gäste erzählt Geschichten aus dem Leben. Manche haben über sie zu Gott gefunden, andere haben ihn verloren.
Auf ganzer Linie gescheitert
Doch Backes und seine Redaktion haben weitere Gäste geladen. Auf atheistischer Seite sitzen Philipp Möller von der Giordano-Bruno-Stiftung und Angelika Kallwass, manchem vielleicht noch als TV-Psychologin auf Sat.1 bekannt. Als Theologe kam Dr. Friedhelm Hofmann, Bischof im Bistum Würzburg. Der Versuch, der Sendung mit diesen Gästen zu einem anderen Diskurs zu verhelfen, scheitert jedoch auf ganzer Linie. Kurz spricht man über die Theodizee-Frage: Möller und Kallwass führen an, dass es keinen Gott geben könne, der so großes Leid auf der Erde zulasse.
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Möller sprich über die Verbrechen, die die Institution Kirche begangen habe. Nur wer im Geschichtsunterricht geschlafen habe, könne glauben, dass die Kirche, die Religion die Welt besser gemacht habe. Leider kommt dabei niemand auf die Idee, die Frage von Machtgefügen und Machtmissbrauch in einer Gesellschaft zu stellen. Dafür wird das alte Bild von der "Religion als Opium für das Volk" wieder und wieder gebraucht – auch wenn Bischof Hoffmann es lieber in ein "Medikament für das Volk" umwandelt.
"Mensch, nicht Gott sei Dank"
Relativ einig ist man sich, dass Gott sich weder widerlegen noch beweisen lässt – auch wenn Möller der Nicht-Beweis reicht, um fest an die Nicht-Existenz Gottes zu glauben. Dass er Kallwass an einer Stelle ermahnt, nicht "Gott sei Dank", sondern "Mensch sei Dank" zu sagen, spiegelt das Niveau der Debatte wieder. Auch die christlichen Gäste kommen über ein doch eher kindliches Gottesbild selten hinaus.
Das ist besonders schade, weil Möller immer wieder auf sehr simple Religionskritiken setzt. Auch wenn 100 Prozent der Menschheit an Einhörner glaube, gebe es sie nicht, ist eines seiner Beispiele. Eine ideale Gelegenheit auf die Größe, auf die Wertigkeit von Religion einzugehen – auch in ihrer kulturhistorischen Bedeutung. Doch in keinem Moment gelangt die Sendung auf eine abstraktere Ebene. Schade, denn das Thema wäre es Wert gewesen.