Näherinnen in einer Fabrik in Maseru/Lesotho
Foto: Lori Waselchuk/South Photographs/Photoshot
Näherinnen in einer Fabrik in Maseru/Lesotho
Große Chance für kleines Land: faire Jeans aus Lesotho
Heute vor einem halben Jahr, am 24. April 2013, stürzte in Bangladesch eine Textilfabrik ein. Seitdem kämpfen die Opfer für Entschädigungen und höhere Löhne. Dass Textilien auch unter fairen Arbeitsbedingungen genäht werden können, zeigt das Beispiel Lesotho: Amerikanische Wirtschaftsriesen wie Levi Strauss und Wal-Mart lassen Mode-Kollektionen in dem afrikanischen Zwergstaat fertigen.
24.10.2013
epd
Benjamin Dürr

Gleich hinter der Grenze tauchen in Lesotho die ersten Fabriken auf. Im Industriegebiet der Hauptstadt Maseru geht es geschäftig zu, die Straßen sind von Minibussen und Autos verstopft. Dabei hat das Mini-Königreich, das vollständig von Südafrika umgeben ist, denkbar schlechte Voraussetzungen: Es besitzt keine Rohstoffe, kaum Straßen und liegt im Gebirge. Trotzdem entwickelt sich Lesotho zu einem weltweit gefragten Handelspartner. Mit der Spezialisierung auf Kleidung, die unter Einhaltung internationaler Arbeitsstandards entstehen, erschloss sich das Land eine Marktlücke.

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In Lesothos Fabriken gibt es Gewerkschaften und die Verhältnisse sind angenehmer als in vielen asiatischen Ländern. Vor allem amerikanische Firmen wie Levi Strauss und Wal-Mart lassen inzwischen große Teile ihrer Kollektionen in Lesotho produzieren. Ein Textilarbeiter bekommt dort mindestens 833 Maloti im Monat, rund 63 Euro.

In Bangladesch liegt der Mindestlohn derzeit bei 28 Euro. Am Montag haben die Arbeitgeber immerhin eine Erhöhung um 50 bis 80 Prozent in Aussicht gestellt. Das asiatische Land machte traurige Schlagzeilen, als im April ein Fabrikhochhaus einstürzte, bei dem mehr als 1.100 Arbeiter und Arbeiterinnen ums Leben kamen. Das Unglück warf ein Licht auf miserable Arbeitsbedingungen.

Kinderarbeit ist verboten

In Lesotho wird höchstens 45 Stunden pro Woche gearbeitet, dazu können noch elf bezahlte Überstunden kommen. Kinderarbeit ist verboten, die Gründung von Gewerkschaften wird gefördert. Die Regierung hat strenge Arbeitsgesetze erlassen, die internationalen Standards entsprechen. Ende 2008 hatten die Firmenbesitzer gemeinsam und einstimmig entschieden, höhere Standards für die Arbeitsbedingungen einzuführen - in Kooperation mit der Regierung, den Gewerkschaften und der Internationalen Arbeitsorganisation.

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Eine Weltbank-Tochter kam mit ins Boot, es entstand die Initiative "Better Work Lesotho". Sie hat seither mit der Hälfte der Fabriken Verträge geschlossen. "Better Work" darf unabhängige Beobachter schicken, um Firmenbesitzer zu beraten und die Arbeitsbedingungen zu kontrollieren. Gewerkschaften bestätigen deutliche Fortschritte.

Trotz aller Bemühungen gibt es aber auch in Lesothos Fabriken noch Verbesserungsbedarf. Dem jüngsten "Better Work"-Bericht zufolge werden vor allem Vorgaben zur Arbeitssicherheit nicht eingehalten. Von 14 überprüften Produktionsstätten waren zwar bei zwölf Gebäuden die Fluchtwege gut ausgeschildert, nur drei hatten allerdings genügend Notausgänge für alle Mitarbeiter.

Kunden sind mächtig, kritisch und informiert

Das Arbeitsministerium hat ebenfalls Kontrolleure eingestellt, denn die Regierung hat großes Interesse an der Vorzeige-Kleidung: Die Textilindustrie trägt rund 20 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und ist der größte Arbeitgeber Lesothos, das dank seiner Wasserressourcen genug Strom erzeugen kann. 40.000 Menschen sind in den Textilfabriken des Zwei-Millionen-Einwohner-Landes beschäftigt. Mit 40 Produktionsstätten ist Lesotho zu einem der größten Textilproduzenten Afrikas und einem der wichtigsten Handelspartner für US-Firmen geworden.

Die Modefirma Levi Strauss lässt seit 2004 dort Jeans nähen. Die Entscheidung sei gefallen, weil die Firmen die Expertise und die Bereitschaft gezeigt hätten, sich hohen Standards zu verpflichten. Denn immer öfter fragten Käufer nach der Herkunft der Kleidung, erklärt eine Unternehmenssprecherin. "Die Kunden sind heute mächtiger, kritischer und informierter als je zuvor."

Die Idee der "ethischen Kleidung" in Lesotho sei entstanden, "um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu sein und eine Marktlücke zu besetzen", erklärt Gay Seidman, Soziologie-Professorin an der Universität Wisconsin in den USA, die die Branche erforscht. Und die Nachfrage nach Waren aus den Fabriken des Königreichs dürfte in nächster Zeit noch steigen: Nach den Textil-Katastrophen in Südasien hat sich laut einer Umfrage in 16 Ländern die Mehrheit der Verbraucher bereiterklärt, mehr für Kleidung zu zahlen, wenn damit die Arbeitsbedingungen besser werden.