Der humanistische Gelehrte aus Spanien endete 1553 als Ketzer auf dem Scheiterhaufen der evangelischen Stadt Genf. Johannes Calvin, Philipp Melanchthon und andere Wortführer der Reformation erteilten den Segen zu seiner Hinrichtung.
###mehr-info### Durch einen franziskanischen Mönch hatte Michael Servet den Geist und des Humanismus entdeckt, jener Denkrichtung, die von Norditalien aus ganz Europa erreichte. Er beginnt, Rechtswissenschaft zu studieren. Doch seine Leidenschaft gehört der Theologie. Wenn die Humanisten Recht haben mit ihrer Lehre, man solle zu den Quellen zurückkehren – dann müssten sich die Christen von der Trinititätslehre verabschieden. Die Vorstellung, dass Gott aus "dreifaltig" sei, als drei Wesenheiten bestehe: Gott-Vater, Sohn und Heiligem Geist -, sei schlicht unbiblisch, meinte Servet.
Ein weiterer Grund treibt Servet zu der Ablehnung der Trinitätslehre. Er will Muslimen wie Juden ein wichtiges Argument gegen den christlichen Glauben nehmen. Denn aus beiden Religionen sind Polemiken zu hören: Die Christen würden eigentlich an drei Gottheiten glauben, heißt es. Zu Recht, meint Servet. Ein Dialog zwischen den drei verschwisterten Religionen könne nur gelingen, wenn alle an eine – und nicht an mehrere – Gottheiten glauben würden. Im Alter von zwanzig Jahren präsentiert Michael Servet seine Argumente in Buchform. "De trinitatis erroribus", lautet der Titel, "der Irrtum der Dreifaltigkeit".
Unterschlupf in Paris
In seltener Einmütigkeit bezichtigen der katholische Klerus und die Reformatoren Servet der Gotteslästerung. Beim altkirchlichen Glaubensbekenntnis endet ihr Reformwille, die Dreifaltigkeit Gottes wollen sie stehen lassen, das war schließlich die Grundlage des Glaubens seit 1200 Jahren! Michael Servet ist ihnen zu radikal.
###mehr-artikel### Servet nimmt einen neuen Namen an. In Paris sucht er Unterschlupf. Er entschließt sich, seiner zweiten Leidenschaft zu folgen, der Medizin. Servet studiert in Paris, dann in Lyon, und erlangt als Doktor der Medizin einigen Ruhm – allerdings unter dem Pseudonym Michel de Villeneuve. Unter anderem entdeckt er den Blutkreislauf durch die Lunge, Ergebnis seiner Leichensezierungen. Daneben veröffentlicht er astrologische und geografische Bücher. Gleichzeitig kursieren Servets Schriften gegen die Dreifaltigkeit weiter und sorgen in den Kirchen für Empörung.
Auch für den Genfer Reformator Johannes Calvin ist Servet ein Gotteslästerer. "Für Calvin waren Leute wie Servet, also Leute, die sich gegen die offizielle Kirche stellten, eigentlich keine Menschen. Da hat er oft von "Hunden" und "Schweinen" gesprochen", erzählt Hans Weber, der bis vor kurzem Pastor in der reformierten Genfer Kirche St. Madeleine war. Weber verbindet viel mit dem "Fall Servet": In seiner Kirche begann am 13. August 1553 der dramatische letzte Lebensabschnitt des Humanisten.
Calvin verweigert Servet den Segen
Auf der Durchreise hatte er einen Gottesdienst besucht – Johannes Calvin war der Prediger. Der Reformator lässt Servet sofort festnehmen und liefert dem Gericht Beweise: Briefe, aus den Servets "Ketzerei" hervorgeht. Calvin wird zum Zeugen, Ankläger und Gutachter zugleich. Servets Hinrichtung ist für ihn unbedingt nötig – "aber es ist mein Wunsch, dass die Grausamkeit der Hinrichtung gemildert wird", schreibt Calvin einem Freund.
"Was wird von der Religion noch übrigbleiben", fragt Calvin danach rechtfertigend, "durch welche Kennzeichen kann die wahre Kirche noch erkannt werden, was wird schließlich Christus selber noch sein, wenn die Lehre der Frömmigkeit unsicher und zweifelhaft wird?" Sogar der als sanft geltende Wittenberger Reformator Philipp Melanchthon dankt Calvin für dessen Skrupellosigkeit. Die Verbrennung Servets sei "ein frommes und denkwürdiges Beispiel".
Betriebsunfall der Reformation
Es scheint so zu sein: Der mutige humanistische Gelehrte Michael Servet wurde Opfer der Angst um den Fortbestand der Kirche. Einer Angst, die sogar die Reformatoren umtrieb, die ja angetreten waren, die Kirche von Grund auf zu erneuern. Und die heute gefeiert werden. Den Gedenkstein für Michael Servet hingegen findet man nur schwer. An einer Straßenkreuzung auf dem Genfer Hügel Champel steht der große Findling. Auf einer Seite, hinter Sträuchern kaum lesbar, wurde der Name Michael Servet eingraviert. Auf der anderen steht ein Text, den die reformierte Kirche 1903 eingraviert hat, "dankbar und voller Respekt gegenüber Calvin, dem großen Reformator, der einen Irrtum verurteilt hat, der der Irrtum seines Jahrhunderts war".
Zeit also, das Leben und Schicksal Michael Servets ins Gedächtnis zu rufen. Erst recht in der Vorbereitung des 500-jährigen Reformationsjubiläums 2017.