Foto: epd/Norbert Neetz
Ökumenisches Zentrum in Genf, der Sitz des Ö?kumenischen Rates der Kirchen.
Weltkirchenrat: Baustellen auf dem "heiligen Hügel"
Der Weltkirchenrat sucht auf seiner zehnten Vollversammlung (30. Oktober bis 8. November) in Südkorea nach einem publikumswirksamen Thema. Zudem halten eine Finanzkrise und der neue Papst den ÖRK in Atem.
29.10.2013
epd
Jan Dirk Herbermann

Auf einem Hügel am Stadtrand von Genf steht ein graues Gebäude. Die Fassaden verlieren Farbe, die kleinen Fenster gestatten kaum Einblicke in das Innere. An der Rezeption muss sich der Besucher ausweisen, streng blickende Damen verlangen Auskunft über den Grund der Visite. Willkommen auf dem "heiligen Hügel", willkommen beim Weltkirchenrat.

###mehr-info###In diesen Tagen konzentriert sich der größte ökumenische Dachverband auf seine 10. Vollversammlung: Vom 30. Oktober bis 8. November werden Abgesandte der 350 Mitgliedskirchen in der südkoreanischen Hafenmetropole Busan zusammentreffen. Die alle sieben Jahre stattfindende Versammlung gilt als Höhepunkt im ökumenischen Kalender.

In Busan werden die vielen Baustellen des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) zur Sprache kommen: Der Rat sucht ein großes sinnstiftendes Thema, die Finanzlage bleibt kritisch, Pfingstkirchen und evangelikale Kirchen machen einen Bogen um den ÖRK und der Dachverband muss das Verhältnis zur katholischen Kirche neu justieren.

Wie soll man dem neuen Papst Franziskus begegnen? Generalsekretär Olav Fykse Tveit schaut aus dem Fenster seines weitläufigen Büros und betont das Verbindende: "Alle christlichen Kirchen haben eine gemeinsame Agenda zur Förderung von Gerechtigkeit und Frieden und der Bekämpfung der Armut", sagt der norwegische Lutheraner. Hinter Tveits Schreibtisch hängt ein Bild seiner letzten Rom-Visite: Franziskus schüttelt Tveit herzlich die Hände.

In Busan will Tveit mit dem päpstlichen "Ökumene-Minister", Kardinal Kurt Koch, den Dialog vertiefen. Letztlich wird die katholische Kirche mit dem Weltkirchenrat weiter punktuell kooperieren, wie etwa im Ökumenischen Institut Bossey, unweit von Genf. Doch im Weltmaßstab muss sich der ÖRK, dessen Kirchen rund 500 Millionen Gläubige umfassen, mit einer Juniorrolle neben der katholischen Kirche mit 1,2 Milliarden Gläubigen abfinden.

"Wenn es um die Christenverfolgung geht, ist unsere Stimme nicht laut genug"

Und während das Oberhaupt der katholischen Kirche den Kampf für die Armen in den Mittelpunkt seines Pontifikats rückt, sucht der Weltkirchenrat weiter ein griffiges Thema zur Profilierung. Bis in die 90er Jahre hinein machte sich der Rat für die schwarze Bevölkerung Südafrikas stark. Seit dem Fall der Apartheid aber tut sich der ÖRK schwer damit, ein publikumswirksames Feld zu beackern. Mal versucht man es mit sozialer Gerechtigkeit, mal mit Globalisierung, mal mit Klimaschutz. Die Konferenz in Busan soll sich dem Frieden widmen.

###mehr-artikel###Eine konkrete Bedrohung für viele Christen erfasst der ÖRK aber erst langsam: Die Verfolgung von Christen in islamischen Staaten. Ein kritischer Mitarbeiter des ÖRK sagt: "Wir äußern uns zu allen möglichen globalen Themen, doch wenn es um die Christenverfolgung geht, ist unsere Stimme nicht laut genug."

Erst der Fall eines geistig behinderten Mädchens, das in Pakistan wegen Gotteslästerung inhaftiert wurde, rüttelte den ÖRK richtig auf. Der Kirchenbund machte seinen Kampf gegen Pakistans berüchtigtes Blasphemie-Gesetz öffentlich. "Wir haben die Verpflichtung, den verfolgten Minderheiten in Pakistan zu helfen", betont der Weltkirchenrat.

Auch die verzweifelte Lage der Christen im Bürgerkriegsland Syrien rückt immer stärker auf die Agenda des ÖRK: Hunderttausende Christen flohen vor der Gewalt. Die ÖRK-Beauftragte für den Nahen Osten, Carla Khijoyan, sagt mit besorgter Miene: "Wir werden Zeuge eines dramatischen Exodus." Es sei zu befürchten, dass Syriens 2000 Jahre altes Christentum verschwindet. Am traurigen Gesichtsausdruck der Libanesin Khijoyan lässt sich die bedrohliche Lage ablesen.

Finanzielle Schieflage

Zudem hält die Finanznot den ÖRK in Atem. Erst vor kurzem geriet der Pensionsfonds in akute Schieflage. Um einen Bankkredit zu erhalten, musste der Weltkirchenrat an sein Tafelsilber heran. Man beschloss, das rund 37.000 Quadratmeter große Gelände auf dem "heiligen Hügel" baulich neu zu gestalten: Die erwarteten Miet- und Verkaufseinnahmen sollen die Geldnot lindern. Auch ächzt der Rat unter dem starken Schweizer Franken. Und: Genf gilt als eine der teuersten Städte der Welt.

Vor allem aber die sinkenden Mitgliederbeiträge machen dem ÖRK zu schaffen: Waren es 2009 noch 5,6 Millionen Schweizer Franken, gingen 2010 nur 5,1 Millionen Schweizer Franken in die Kasse ein. Nur 230 der 350 Mitgliedskirchen überwiesen 2010 einen Beitrag nach Genf. Die Zahlungen des wohlhabenden und größten ÖRK-Mitgliedes, der russisch-orthodoxen Kirche, lösen bei vielen anderen Kirchen nur Kopfschütteln aus: Das Moskauer Patriarchat zahlte 2010 insgesamt 10.648 Schweizer Franken in die Kasse des Weltkirchenrates.