Foto: Getty Images/Gregory Costanzo
Schwarze Kleidung auf Beerdingungen gehört seit Jahrhunderten zur Trauerkultur in Europa.
Noch ganz Neandertaler: Schwarz bleibt Trauerfarbe
Schwarz ist düster, Schwarz macht Angst. Ein Muster, das seit Urzeiten unser Hirn prägt. Schwarz ist auch die vorherrschende Farbe bei Beerdigungen und Trauerfeiern. Noch. Denn Buntes taucht immer öfter auf.
24.11.2013
epd
Dieter Sell

Neben dem Sarg leuchten Gestecke voller Sonnenblumen. Bei der Trauerfeier für die verstorbene Rosmarie Noltenius verbreiten sie eine geradezu heitere Atmosphäre. Die Gemeinde singt dazu ein Lied, das sich die 96-Jährige noch zu Lebzeiten gewünscht hat: "Die güldne Sonne voll Freud und Wonne." Doch in den Kirchenbänken der bürgerlich geprägten Bremer Liebfrauengemeinde gibt es nur gedeckte Farben. Die Trauergesellschaft trägt Schwarz, manchmal Grau, selten Bordeaux oder ein dunkles Blau.

###mehr-artikel###

"Im bürgerlichen Umfeld überwiegt noch Schwarz bei Trauerfeiern", sagt der Vorsitzende des Bremer Bestatterverbandes, Christian Stubbe. Mit einer Ausnahme: "Wenn sie Lehrer haben, dann wird's bunt." Auch ein paar Kilometer weiter im Arbeiterviertel des Bremer Westens ist der schwarze Anzug auf dem Friedhof längst nicht mehr die gültige Kleiderordnung, hat Stubbe beobachtet: "Da geht es bunt durcheinander, das kommt ganz auf die Herkunft des Verstorbenen an". Doch ob Angehörige und Freunde als Zeichen der Trauer in Schwarz kämen, sei egal, findet er: "Hauptsache keine schreienden Farben."

Schwarz als Farbe des Bösen, der Gefahr und des Nichts

Manchmal verzichten Angehörige ganz bewusst auf Trauerflor, wenn sie etwa in der Zeitungsanzeige darum bitten, nicht in schwarzer Kleidung zu erscheinen. Schwarz werde seit Urzeiten mit Gefahr, mit dem Bösen, mit dem Nichts assoziiert, erläutert der Farbpsychologe, Designer und Kulturwissenschaftler Harald Braem. "Da sind wir noch ganz Neandertaler." Jede Farbe, sagt der Experte, starte uralte Programme tief im Hirn. Was das Auge sehe, löse blitzschnell ein Feuerwerk   Noch ganz Neandertaler - Schwarz steht seit Jahrhunderten für Traueran Erinnerungen aus, die bei Schwarz meist negativ seien.

Die Macht der Dunkelheit und die Furcht davor spiegeln sich sogar im Anfang der biblischen Schöpfungsgeschichte wider. Bevor Gott das Licht schuf, heißt es da, war die Erde "wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe". Wobei Tod und Trauer in der Christenheit nach den Worten des Bremer Trauerexperten Klaus Dirschauer ursprünglich gar nicht so negativ besetzt waren: "Da ging es um Auferstehung, die liturgisch mit Weiß verbunden ist."

Das weiße Brautkleid hat Schwarz zur Trauerfarbe gemacht

Daran erinnern noch heute Calla, Lilien und Nelken mit weißen Blüten, als "Totenblumen" zu Gestecken gebunden. Muslime, Buddhisten und Hinduisten trauern in Weiß. "Schwarz machte in Europa ab dem 15. Jahrhundert als Trauerfarbe Schule", meint Dirschauer. Dieser Trend beschleunigte sich im 19. Jahrhundert, als die Mode des weißen Brautkleides aufkam.

Es ist noch gar nicht so lange her, da trauerten die Damen in der niederländischen Königsfamilie im weißen Kostüm: beim Staatsbegräbnis von Königinmutter Juliana 2004 in Delft. "Für Juliana war der Tod kein Untergang in graue Düsternis, sondern ein Übergang in das Licht und die Geborgenheit der göttlichen Liebe", sagte damals ihre Pfarrerin Welmet Hudig-Semeijns de Vries van Doesburgh.

Knigge rät zur dunklen Kleidung

Eine Tradition, die sich jetzt im August änderte. "Beim Begräbnis von Prinz Friso", erinnert sich der Frankfurter Benimm-Experte Asfa-Wossen Asserate. Der junge Bruder von König Willem-Alexander war nach knapp eineinhalb Jahren im Koma an den Folgen eines Lawinenunglücks im österreichischen Lech gestorben. "Und die Damen trauerten erstmals in Schwarz", sagt der promovierte Historiker.

Portale wie knigge.de im Internet meinen zwar, dass Herren und Damen in Deutschland nicht unbedingt schwarz trauern müssen. Aber doch zumindest dunkel. Das Hemd und die Bluse sollen weiß sein, die Krawatte schwarz, genauso Strümpfe und Schuhe. Kurze Ärmel und unbekleidete Beine gehen gar nicht, ebenso auffällig-schriller Schmuck. Asserate ergänzt, Frauen könnten auf ihrer Bluse ein schwarzes Röschen tragen, "Kinder als Zeichen der Anteilnahme eine kleine Bandschleife".

Schwarz als gemeinschaftsstiftender Kult

Farbpsychologe Braem fügt hinzu, der Zeitgeist habe das Verhältnis zu Schwarz geändert. "Unter jungen Leuten gilt es als Zeichen neuer Rationalität." Schwarz werde mit puristischer Eleganz und Dominanz in Verbindung gebracht. "Schauen sie sich die Fahrer großer schwarzer Limousinen an", verdeutlicht Braem. Für Jugendliche aus der Gothic-Szene hat Schwarz genauso wie einst für Existenzialisten gemeinschaftsstiftenden Kultstatus.

Wenn Gäste einer Trauergesellschaft dann doch immer häufiger im bunten Kostüm oder mit verwaschener Jeans zur Beerdigung kommen, bedauert Bestsellerautor Asserate ("Manieren") das zwar. Aber als "Stimme in der Wüste" dagegen anzugehen, das sei Blödsinn. "Heute gibt es ja keine Institution, die in der Lage wäre, uns zu sagen, was wir anzuziehen haben." Gleichwohl stehe die angemessene Kleidung zur Trauerfeier für ein wichtiges Signal: "Um einfach sein Mitgefühl zu zeigen."