Foto: KLAPPE AUF!
Der Kurzfilm "Findlinge" basiert auf einem integrativen Tanzprojekt (Regie: Filip Piskorzynski, Anke Böttcher, Alexandra Heneka).
Keiner wird ausgeschlossen: Inklusion im Kinosaal
Unter dem Titel "Klappe Auf!" wird vom 25. bis 27. Oktober in Hamburg das erste inklusive Kurzfilmfestival veranstaltet. Insgesamt 33 Kurzfilme haben die Veranstalter aus rund 350 Einsendungen ausgewählt.
25.10.2013
epd
Annette Scheld

Draußen blendet die Sonne, schwere Vorhänge tauchen den Raum in ein wattiges Halbdunkel. Filmbilder huschen über eine Wand. Die Luft ist sauerstoffarm, aber angefüllt mit gespannter Aufmerksamkeit. Denn hier, im Büro der Filmproduktion parapictures in Hamburg-Altona, arbeitet das Team von "Klappe auf!" am bundesweit ersten inklusiven Kurzfilmfestival.

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"Klappe auf, das ist so gesehen wie Kino, nur dass es ein anderes Kino ist, für Nicht-Behinderte und für Behinderte", sagt Wolfgang Grimm. Der kleine kräftige Mann und rund ein Dutzend filminteressierter Frauen und Männer, Behinderte, Nicht-Behinderte, aus dem Stadtteil, von der Hochschule und aus der Filmbranche organisieren das Festival gemeinsam. Am Anfang heißt das vor allem: stundenlang Filme sichten.

"Für mich war es wichtig, so etwas umzusetzen und Inklusion praktisch zu leben", sagt Andreas Grützner. Er leitet das Festival, bei ihm laufen alle Fäden zusammen. Der Filmemacher und Sozialpädagoge hatte die Idee und den langen Atem, dass aus der Idee Wirklichkeit werden konnte. Finanziert wird die Schau zu großen Teilen von der Hilfsorganisation Aktion Mensch. Auch die Evangelische Stiftung Alsterdorf als Veranstalter und die Hamburger Kulturbehörde beteiligen sich.

Insgesamt 33 Kurzfilme hat das Team aus rund 350 Einsendungen ausgewählt: Animationsfilme, Spielfilme, experimentelle Dokumentarfilme, Tanzfilme - aus Deutschland, Frankreich und Kanada. Reportagen und Imagefilme von Behinderteneinrichtungen sind nicht dabei, denn es geht den Machern nicht um Werbung, sondern um die Vielfalt des filmischen Ausdrucks. Die Filme sind jeweils nicht länger als 20 Minuten, deutschsprachig und haben einen Bezug zum Thema Inklusion.

Viele behinderte Menschen leben in einer Parallelwelt

Inklusion bedeutet dabei, dass keiner ausgeschlossen werden soll - weder aufgrund einer Behinderung, der Herkunft, der sexuellen Orientierung und seines Alters. Bereits 2009 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert, die besagt, dass jeder Mensch Anspruch auf den gleichen Zugang zu Bildung, Kultur, zum öffentlichen Leben hat. Teilhabe ist ein Menschenrecht. Jedenfalls nach dem Völkerrecht.

Jedoch leben in Deutschland immer noch viele behinderte Menschen in einer Parallelwelt. In Werkstätten und Wohngruppen in der Regel gut versorgt - aber auch wegsortiert. Man trifft sie nicht oder nur selten im Alltag: beim Einkaufen, in der Schule, im Kino.

"Das ist ein ganz altes Thema. Früher hieß es Integration. Mich wundert es immer wieder, dass sich in 20 Jahren kaum etwas bewegt hat", sagt Teammitglied Agnes Nuber. Sie hat viele Jahre ein Kinderkurzfilmfestival geleitet; ihre Mitarbeit bei Festivals war meist viel Arbeit für wenig Geld, mehr Leidenschaft als Broterwerb.

Untertitel und Kopfhörer: Das Kinoerlebnis wird barrierefrei

Bei "Klappe auf!" wird jeder bezahlt für seine Arbeit. Es gibt einen Einheitslohn: zehn Euro pro Stunde. "Die Menschen mit Behinderung sind hier freiberuflich tätig. Das ist für sie etwas Besonderes. Normalerweise ist es so, dass die sich anmelden für irgendeinen Workshop und da selber Geld für zahlen. Das hier ist neu für die", sagt Festivalleiter Andreas Grützner.

###mehr-links### Neu ist auch, dass die Filme so weit wie möglich barrierefrei präsentiert werden. Das heißt: Sehbehinderte und blinde Zuschauer erhalten per Kopfhörer eine Filmbeschreibung, für Gehörlose werden Untertitel eingeblendet, und die Moderationen werden von Dolmetschern für Gebärdensprache übersetzt.

Nach vielen Monaten der Festivalvorbereitung ist klar: Inklusives Handeln braucht vor allem Zeit und eine gemeinsame leichte Sprache. Das Team von Klappe auf! will weiterarbeiten. Viele von ihnen nicken lächelnd, als der Film mit einer klaren These endet: Die Revolutionen werden Feten sein, oder sie werden nicht sein!