Ihren gelben Stuhl gibt Ivanka gerne her. "Ich kenne das aus meinem Studentenleben nur zu gut - man hat Freunde zu Besuch, aber nicht genug Stühle", sagt sie. Da hilft sie gerne aus. Auf "Whyownit" (deutsch: Warum besitzen?) verleihen Nutzer wie Ivanka Dinge, die sie nur selten brauchen: vom gelben Klappstuhl über die DVD bis hin zur Bohrmaschine. Gibt es irgendetwas, das sie nicht verleihen würde? "Meine Zahnbürste", sagt die Studentin im Interview auf dem "Whyownit"-Blog. Sonst eigentlich alles.
Teilen wird immer unkomplizierter
Teilen statt besitzen, leihen statt kaufen, tauschen statt wegwerfen - das Internet hat der "Sharing Economy" (Teil-Wirtschaft) zum Durchbruch verholfen. Längst geht der Trend über die wohl bekannteste Form, das Carsharing, hinaus. Auf Plattformen wie "Whyownit", "Leihdirwas" oder "frents" kann man sich alles von der Küchenwaage bis zum Superhelden-Kostüm von anderen Nutzern ausleihen, vieles sogar kostenlos. Wer im Urlaub nicht ins Hotel möchte, kann über "Couchsurfing" oder "Airbnb" Menschen suchen, die ihre Wohnung mit Gästen teilen. Abgelegte Kleidung kann man bei "Kleiderkreisel" und übrig gebliebene Lebensmittel bei "Foodsharing" tauschen.
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Nicht nur die Zahl der Teil-Plattformen ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen: Es sind auch immer mehr Menschen offen für den sogenannten kollaborativen Konsum. Nach einer Studie des IT-Verbandes Bitcom teilen 17 Prozent der Internetnutzer hin und wieder Autos, Werkzeuge oder ihre Wohnung. In einer repräsentativen Studie der Universität Lüneburg gaben 55 Prozent der Befragten an, Erfahrungen mit alternativen Besitz- und Konsumformen zu haben. Darunter fallen aber nicht nur Online-Tauschbörsen, sondern auch das Leasen von Autos.
Das bargeldlose Teilen unter Privatpersonen pflegen lokale Tauschringe seit Jahrzehnten. Solche Privat-Initiativen seien bislang aber eine Nische gewesen, sagt Harald Heinrichs, Professor für Nachhaltigkeit und Politik an der Universität Lüneburg. Seit 15 Jahren werde mit Carsharing experimentiert, doch der Durchbruch sei erst in den vergangenen drei Jahren gekommen. Die Ursache sieht Heinrichs in der technischen Entwicklung: Internet und Smartphones machen es möglich, schnell und sogar von unterwegs nachzuschauen, wo das nächste Carsharing-Auto steht. Teilen wird immer unkomplizierter.
"Kommerzielle Ausschlachtung" durch Unternehmen
Längst sind es nicht mehr nur Studenten, die Tausch- und Teilplattformen nutzen. Die Studie der Universität Lüneburg ergab zwar, dass die meisten Nutzer junge, gebildete Großstadt-Bewohner mit ökologischem Bewusstsein sind. Genauso gebe es aber Nutzer, die nur Geld sparen möchten, sagt Heinrichs. "Ich stelle mir da den typischen Heimwerker vor, der sich nicht jedes Werkzeug selbst leisten kann."
Auch Unternehmen haben den Trend für sich entdeckt. "Die Idealisten haben Platz gemacht", sagt Thorsten Hennig-Thurau, Marketingprofessor in Münster. Heute seien die kommerziellen Angebote die Platzhirsche unter den Online-Tauschbörsen.
Bei der Plattform "Mitfahrgelegenheit" stieg 2012 der Automobilkonzern Daimler ein. Kurze Zeit später führte das Portal Gebühren für die Vermittlung von Mitfahrern ein und erzürnte damit viele Nutzer. Gründer Sven Domroes, der mittlerweile an einem anderen Mitfahr-Portal beteiligt ist, kritisierte, die ökologische Grundidee werde "kommerziell ausgeschlachtet".
Nachhaltigkeits-Professor Heinrichs sieht das pragmatischer: "Die kommerziellen Angebote schaffen es, den Grundgedanken des Teilens in die breite Masse zu tragen." Der ökologische Vorteil sei für viele Nutzer eher ein angenehmer Nebeneffekt - und ohnehin noch wenig erforscht. "Wir wissen, dass ein Carsharing-Auto etwa acht Privat-Pkw ersetzt", sagt Heinrichs. Wie das gesparte Geld genutzt werde, sei dagegen kaum bekannt. Wenn es etwa für Urlaubsreisen mit dem Flugzeug ausgegeben würde, sei der positive Effekt für die Umwelt schnell wieder dahin.