Leipzig, im Herbst 1989: Zehntausende Menschen demonstrieren jede Woche gegen das SED-Regime. Die Montagsdemonstrationen werden das Symbol der friedlichen Revolution. Die zentrale Rolle Leipzigs erkennt auch der Bundestag 2007 an, als er ein "Denkmal der Freiheit und Einheit Deutschlands" beschließt. Neben Berlin soll auch die Stadt in Sachsen Standort dieses Denkmals sein. Bei allem Stolz damals sorgt das Mahnmal heute aber erst einmal nur für Streit. Die geplante Grundsteinlegung am 25. Jahrestag der größten Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 steht inzwischen infrage.
###mehr-artikel###In dieser Woche ist es 24 Jahre her, dass in Leipzig 70.000 Menschen friedlich gegen die politischen Verhältnisse in der DDR auf die Straße gingen. Der Entwurf, mit dem die Büros M+M und Annabau im Juli 2012 den Wettbewerb für das Denkmal gewannen, spielt auf dieses Ereignis an. "Siebzigtausend" ist er benannt. Mit exakt so vielen bunten Kuben wollen die Künstler den Wilhelm-Leuschner-Platz bestücken. Nur 1.200 der Kuben sollen fest verankert werden, die übrigen als eine Art "Botschafter der Demokratie" mitzunehmen sein.
In der Leipziger Öffentlichkeit fiel der Entwurf allerdings durch. Die Symbolik sei unklar. Zudem sei der spielerische Charakter der Atmosphäre im Herbst 1989 nicht angemessen, lautete die Kritik. Nicht viel besser fiel das Urteil über den zweitplatzierten Entwurf aus, der vorsah, Parolen aktueller Proteste aus der gesamten Welt auf den Platz zu schreiben und regelmäßig zu erneuern.
Blieb nur noch die auf dem dritten Platz gelandete Idee eines "Herbstgartens", die allerdings auch keine Begeisterungsstürme auslöste. Sie sieht vor, dass die Parole "Keine Gewalt" aus großen Buchstaben in einem Park aus Apfelbäumen installiert wird - wobei sie nur aus der Luft zu lesen wäre. Das sorgte für milden Spott: Eine Leipziger Internetzeitung wähnt darin eine Botschaft an die "Marsianer" bei einer etwaigen Landung in Leipzig. Den Kommentatoren im Onlineforum der Stadt, in dem die Bürger über das Denkmal diskutieren sollten, schien der Garten aber das "kleinste Übel".
Votum auf den Kopf gestellt
Daraufhin kam ein neues Gremium ins Spiel, das von der Stadt erbetene Nachbesserungen bewerten sollte. Im Juli 2013 fällte es sein Urteil - und stellte das Votum vom Vorjahr kurzerhand auf den Kopf. Zwar seien alle Entwürfe fast gleich in ihrer Qualität, doch der "Herbstgarten", hieß es, habe nunmehr einen "leichten Vorsprung".
Die unerwartete Kehrtwende sorgt nun für neuen Ärger. Roland Quester, Grünen-Stadtrat und Mitglied in dem Gremium, distanzierte sich vom Ergebnis und beklagte, die Stadt habe nur der veröffentlichten Meinung gerecht werden wollen. Statt eines Denkmals, das den "Mut für die Freiheit" ehre, drohe man ein "Mahnmal der Kleinmütigkeit" zu erhalten. Die düpierten Sieger M+M und Annabau wiederum fechten das Votum vor der Vergabekammer formal an.
Abstimmung im Stadtrat blockiert
Wie und wann es mit dem Denkmal weitergeht, ist angesichts dessen offen. Die ausstehende Entscheidung der Vergabekammer blockiert eine Abstimmung im Stadtrat, die den Weg für Verhandlungen mit den Wettbewerbssiegern frei machen sollte. Das Gremium entscheidet zwar üblicherweise innerhalb von fünf Wochen. Bei komplexen Sachverhalten könne die Frist aber verlängert werden, sagte Stefan Barton, der Sprecher der Landesdirektion Leipzig. Anschließend könnten zudem Gerichte angerufen werden.
Oberbürgermeister Burkhard Jung warnt indes vor einem gänzlichen Aus. Im Juli hatte der SPD-Politiker die Abgeordneten über Konsequenzen für den Fall informiert, dass diese das Denkmal beerdigen. Beim Abbruch des Verfahrens hätte man nicht nur die "Chance vertan", den Wilhelm-Leuschner-Platz mit Fördergeldern gestalten zu können. Immerhin haben der Bund fünf Millionen und der Freistaat Sachsen 1,5 Millionen Euro versprochen. Bei einem Verzicht auf das Denkmal müsste Leipzig vielmehr sogar Geld zuschießen, warnte Jung unter Berufung auf Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU): Alle bisherigen Kosten seien dann "von der Stadt zu tragen". Einschließlich möglicher Schadenersatzforderungen geht es um 600.000 Euro.