Foto: Andrea Kuenzig/laif
Katungwa (12), Kathini, (14), Francis Mutia (10) zeigen ihrer Mutter Susanna Mbili (44) das Englisch-Schulbuch und lesen gemeinsam.
Kenia liest
Wer was werden will, muss lesen. Diese Einstellung findet in Kenia immer mehr Anhänger. Der Buchmarkt wächst. Besonders beliebt: Bücher, die verfilmt wurden.
23.09.2012
Bettina Rühl

Sharia Shadia hat sich fast schon an den Anblick der Kinder gewöhnt, die zielstrebig zum Regal gehen und genau den Titel herausgreifen, den sie suchen. "Sie kennen sich in unserem Laden oft besser aus, als ihre Eltern", sagt der Leiter des Buchladens in Nairobis schickem Einkaufszentrum "Nakumatt Junction". Nach manchen Büchern seien plötzlich alle wie verrückt, sagt Shadia. Die Buchreihe "Gregs Tagebuch" sei so ein Fall.

In den Comic-Romanen von Jeff Kinney geht es um einen etwa zwölfjährigen Jungen, der alles aufschreibt, was in seiner Familie passiert. Die Geschichten wurden verfilmt und sind deshalb so bekannt, dass offenbar jedes kenianische Schulkind die Bücher nun auch selbst besitzen will.

Lesekultur fördern, Schulbücher erhältlich machen

Afrika hatte lange den Ruf, ein Kontinent von Nicht-Lesern zu sein. Doch das ändert sich dort, wo mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage eine Mittelschicht entsteht wie in Kenia. Gekauft werden nicht nur Schulbücher und Ratgeber, sondern auch belletristische Literatur. "In unseren Läden machen Romane, Erzählungen und Ratgeber ungefähr die Hälfte des Umsatzes aus", sagt Daisy Rono, die für das Marketing zuständig ist. Die andere Hälfte bringen "Pflichtlektüre" wie Bücher für Schule und Universität.

Nach Angaben des Kenianischen Verlegerverbandes gibt es derzeit 110 Verlage in dem Land, wovon etwa 30 den Markt dominieren. Bis zu 30.000 Buchtitel werden jedes Jahr verlegt, wie Verbandschef Lawrence Njagi erläutert.

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Daisy Rono und Sharia Shadia arbeiten für das sogenannte "Text Book Centre", eine Buchhandelskette, die schon in den 1960er Jahren gegründet wurde. "Damals war das Unternehmen noch ein Großhändler und verkaufte fast nur Schulbücher", erläutert Rono. Die Firma entstand durch den Zusammenschluss zweier kleinerer Geschäfte, und zwar auf Anregung der Regierung. "Der ging es darum, Lesekultur und Bildung zu fördern und Schulbücher erhältlich zu machen."

"1.500 Kunden in der Woche"

Jahre später hat sich das anhaltende Engagement der kenianischen Regierung für die Lesekultur offenbar ausgezahlt: Lesen liegt im Trend, denn es gilt als Grundlage jeder Bildung - und Bildung wiederum gilt als Grundlage für beruflichen Erfolg. Das lässt sich auch an der wirtschaftlichen Entwicklung des "Text Book Centre" ablesen: Das Unternehmen hat in Nairobi inzwischen fünf Filialen und will seine Präsenz in absehbarer Zeit auch auf dem Land ausbauen.

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"Bisher ist die Situation im ländlichen Kenia mit Nairobi noch überhaupt nicht zu vergleichen", räumt Shadia ein. In den Dörfern und Kleinstädten wird deutlich weniger gelesen, vermutlich, weil Bildungsstand und Wirtschaftskraft viel niedriger sind.

"Vor drei oder fünf Jahren hat man noch gesagt, dass Kenia keine Nation von Lesern sei", sagt auch der indisch-stämmige Kenianer, der von allen nur Chan genannt wird und einen Buchladen in einem anderen Einkaufszentrum von Nairobi betreibt. Das aber habe sich geändert. Nach eigenen Angaben hat er jede Woche zwischen 1.500 und 1.600 Kunden. Chan hat seinen Laden, der ihm seit 24 Jahren gehört, Anfang 2012 noch einmal erweitert.

Ein Abend mit Freunden teurer als ein Buch

Da Nairobi Konferenzstadt und in der Region ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt sei, habe er viele Käufer aus dem Ausland, die einen Aufenthalt in Nairobi zum Einkauf von Büchern nutzten, erzählt Chan. "Die Hilfsorganisationen haben große Bibliotheken, die sie immer mit aktuellen Titeln bestücken. Aber es gibt auch immer mehr Privatleute, die Bücher aus persönlichem Interesse kaufen."

Allerdings ist es kein Zufall, dass das "Text Book Centre" drei seiner fünf Filialen in Einkaufszentren platziert hat. Denn das sind die Orte, in denen die Mittelschicht einkauft und ihre Freizeit verbringt: Es gibt außer Läden auch Kinos, Fitnesszentren, Restaurants und Bars. "Wenn ein Kinofilm sehr erfolgreich ist, fragen viele Kunden nach dem Buch, das womöglich die Vorlage war", sagt Shadia.

Interessant sei auch, wie die kenianische Mittelschicht rechne. Das durchschnittliche Buch kostet umgerechnet acht Euro. "Die Leute sagen sich: Wenn ich einen Abend mit Freunden verbringe und esse und trinke ist das viel teurer, als wenn ich mir ein Buch kaufe", erzählt der Buchhändler. Zudem gilt Bildung in Kenia als großer Wert. Auch Eltern der Unterschicht halten ihre Kinder zum Lesen an. Sie kaufen ihre Lektüre allerdings nicht in teuren Einkaufszentren, sondern Bücher aus zweiter Hand, die auch in den Slums von Nairobi angeboten werden.