"Ich bin genauso in Gefahr, wie mein sunnitischer, schiitischer oder alevitischer Nachbar" sagt Bischof Nalbandian
Foto: Giulio Piscitelli/laif
"Ich bin genauso in Gefahr, wie mein sunnitischer, schiitischer oder alevitischer Nachbar" sagt Bischof Nalbandian
"Die Syrer wollen erstmal nur noch ein Ende der Gewalt"
Interview mit Armash Nalbandian, Bischof der armenisch-orthodoxen Kirche in Damaskus
Armash Nalbandian ist Bischof der armenisch-orthodoxen Kirche in Damaskus, einer christlichen Minderheitenkirche in Syrien. Im Interview mit evangelisch.de erklärt er, warum er keinen Unterschied zwischen Christen und Muslimen macht, was er sich von den Christen in Deutschland und anderswo wünscht und warum es für ihn zweitrangig ist, ob das Assad-Regime gestürzt wird.

Bischof Nalbandian, wenn Sie jetzt an Syrien denken - wofür beten Sie?

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Bischof Armash Nalbandian: Ich bete nur für Frieden! Für Frieden und Sicherheit! Natürlich gibt es in Syrien wirtschaftliche Probleme, gesellschaftliche Probleme und viele mehr, aber in erster Linie ist es zur Zeit die Sicherheit, die uns hier fehlt. Und deshalb bete ich für ein Ende der Gewalt.

Wie ist denn aktuell die Lage der Christen in Syrien?

Bischof Nalbandian: Die Frage müsste eigentlich anders lauten. Denn es ist keineswegs so, dass es den Christen anders geht als allen anderen Konfessionen in Syrien. Sie werden im Prinzip nicht besser oder schlechter behandelt, als die Sunniten oder Schiiten beispielsweise. Man kann die Lage der Christen also tatsächlich nicht von der der Anderen trennen: Wir sitzen alle im selben Boot – und leiden. Wenn unser Stadtviertel von einer Rakete getroffen wird, gibt es da keinen Unterschied. Ich weiß sehr wohl, dass es oft so dargestellt wird, als sei das Ganze ausschließlich ein Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten und dass die unterschiedlichsten Befürchtungen kursieren, je nachdem, wer die Oberhand behält. Aber das ist nicht so.

Für die Christen ist die Situation natürlich in jedem Fall schwierig, denn sie sind einfach eine Minderheit. Sie sind zwar keine Konfliktpartei in diesem Bürgerkrieg, aber sie leiden natürlich auch sehr viel darunter. Trotzdem sind wir Christen nicht das alleinige Ziel. Ich bin genauso in Gefahr, wie mein sunnitischer, schiitischer oder alevitischer Nachbar. Letztendlich antworte ich Ihnen also nicht als Christ in Syrien, sondern als syrischer Christ - also in erster Linie als Syrer.

"Syrien ist das Schlachtfeld für verschiedenste internationale und regionale Konflikte"

Aber es gibt doch immer wieder auch Aufrufe zur Fatwa, zum Krieg gegen "Ungläubige", gegen Christen und ihre Kirchen?

Bischof Nalbandian: Ja, aber die kommen immer von außen, von Scheichs aus dem Ausland, nie aus Syrien. Auch die sogenannten Freiheitskämpfer kommen von dort. Was für eine Freiheit die meinen? Ehrlich gesagt: Keine Ahnung!

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Wie kann dieser Konflikt ein Ende nehmen, welchen Ausgang soll er haben? Was wünschen Sie sich, die Christen, die Syrer überhaupt?

Bischof Nalbandian: Erst einmal möchte ich feststellen, dass das kein rein syrischer Konflikt ist. Es gibt verschiedenste internationale und regionale Interessen und Konflikte - und Syrien ist das Schlachtfeld dafür geworden. Das macht es schwieriger. Ich wünsche mir tatsächlich in erster Linie, dass man uns "in Ruhe lässt". Das heißt, dass man die Waffenlieferungen einstellt - und auch, dass man das Assad-Regime differenzierter betrachtet. Die Regierung hat viel falsch gemacht.

Wir wissen das - und wir als Kirche kritisieren das auch. Aber wir verteufeln das Regime nicht und suchen nicht stattdessen unser Heil bei den sogenannten islamistischen "Freiheitskämpfern". Wenn man alle Konfliktparteien dazu bringen könnte, die Kampfhandlungen einzustellen und auf Gewalt zu verzichten, dann könnten wir hier einen neuen Anfang machen. Das wird natürlich ein langer und schwieriger Weg - aber wir sind als Christen und Syrer bereit, diese Schwierigkeiten auf uns zu nehmen.

"Die Leute wollen erstmal nur noch Sicherheit und ein Ende der Gewalt"

Wäre denn ein Militärschlag durch westliche Streitkräfte, wie er im Zusammenhang mit dem Einsatz von Giftgas in der Diskussion war, aus Ihrer Sicht ein geeignetes Mittel?

Bischof Nalbandian: Das würde den Konflikt nicht beenden, sondern ihn eher noch anfachen. Aus meiner Sicht ist ja auch immer noch nicht sicher, wer das Giftgas eingesetzt hat. Und außerdem wäre natürlich die Frage, ob bei solchen Luftangriffen nicht auch doch wieder Unschuldige leiden müssten.

Verstehe ich Sie richtig, dass es für Sie kein Ziel ist, dass eine bestimmte Partei die Oberhand behält oder gar die Assad-Regierung abgesetzt wird - sondern eher, dass möglichst sofort Friedensgespräche begonnen werden?

Bischof Nalbandian: Ja. Der Großteil der syrischen Gesellschaft ist nicht in erster Linie auf einen Machtwechsel aus. Die Leute wollen erstmal nur noch Sicherheit und ein Ende der Gewalt. Wer dann an die Macht kommt, das wird sich zeigen. Das wird ein schwieriger Weg, auf dem wir uns wieder auf unsere Prinzipien des friedlichen Zusammenlebens aller Konfessionen und Religionen besinnen müssen. Das ist eigentlich typisch für Syrien. In diesem Konflikt scheint das entweder vergessen oder verloren gegangen zu sein. Wenn aber die Waffen erst einmal schweigen, können wir uns wieder darauf zurück besinnen und einen neuen Anfang wagen.

"Vielleicht schaffen die Kirchen das, was die Regierungen nicht hinbekommen"

Wie kann das denn gelingen - dass die Syrer nach einem Ende des Bürgerkriegs wieder zusammenfinden?

Bischof Nalbandian: Ich bin da guter Hoffnung, dass die syrische Gesellschaft sich auf ihre Gemeinsamkeiten besinnt. Es wurde viel Blut vergossen bisher und es wird harte Arbeit, da wieder zusammen zu finden. Aber in der syrischen Geschichte gab es zahlreiche Konflikte, die wir überwunden haben und ich hoffe sehr, dass das auch diesmal gelingt. Das geht allerdings nicht, solange wir unter Beschuss stehen.

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Was können denn die Christen in Deutschland und anderswo für den Frieden in Syrien tun?

Bischof Nalbandian: Aufstehen und Farbe bekennen: Von den jeweiligen Regierungen ein Ende der Waffenlieferungen fordern, zum Beispiel. Ich begrüße sehr, dass Deutschland sich im Sommer dazu deutlich verhalten hat. Und wir wünschen uns, dass in Kirchen, Predigten und Gemeindeveranstaltungen über Syrien gesprochen wird. Am besten, indem man Christen aus Syrien einlädt und mit ihnen in Dialog tritt. Vielleicht schaffen die Kirchen das, was die Regierungen nicht hinbekommen. So kann dann darüber informiert werden, dass es sich bei Syrien eben nicht um ein arabisches islamisches Terroristenland handelt, sondern dass es dort auch Christen gibt, schon immer. Dass Syrien ein heiliges Land ist. Damaskus zum Beispiel ist ja Paulus-Stadt! Das bedeutet für uns auch ein Stück unserer Würde. Außerdem kann Syrien natürlich im Moment jede Form von humanitärer Hilfe gebrauchen - in den Flüchtlingslagern an den Grenzen, aber auch im Land selbst. Denn auch dort sind unzählige Menschen auf der Flucht.

"Ich habe Hoffnung - und daraus schöpfe ich meine Kraft"

Sollte Deutschland denn Ihrer Meinung nach mehr Flüchtlinge aufnehmen, als es das bisher tut?

Bischof Nalbandian: Erst einmal ist das ein Zeichen, ein gutes Zeichen. Im letzten Flüchtlingsprogramm wurden 5.000 Flüchtlinge untergebracht. Vielleicht kann Deutschland auch 15.000 oder 20.000 aufnehmen. Aber was ist mit dem Rest? Aus meiner Sicht ist die Hilfe vor Ort ungleich wichtiger.

Haben Sie manchmal Angst?

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Bischof Nalbandian: Angst ist menschlich. Natürlich habe ich Angst. Aber nicht so, dass ich zittere. Eigentlich bin ich nicht ängstlich, sondern eher vorsichtig. Ich habe Hoffnung - und daraus schöpfe ich meine Kraft. Wie es in Johannes 16,33 heißt: "In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden." Das ist unser Motto - und diesen Mut und diese Hoffnung möchte ich gerne weitergeben.