Foto: Andreas Wohland
Das Bad von Sabine Mayer wurde komplett zerstört und muss erneuert werden.
Hilfe nach der Flutkatastrophe
Im Sommer hat Hochwasser weite Teile von Ostdeutschland und Bayern überflutet. Für einen Großteil der Schäden kommen Versicherungen und Bund auf. Dennoch bleiben viele Flutopfer auf ihren Schäden sitzen. In diesem Fall springt die Diakonie Katastrophenhilfe ein - wie bei Sabine Mayer aus Crimmitschau in Sachsen, die ohne Unterstützung die Flutschäden nicht hätte beseitigen können.
04.10.2013
Andreas Wohland

Die Ereignisse des 2. Juni dieses Jahres werden Sabine Mayer wohl ihr Leben lang in Erinnerung bleiben. Allerdings in ungenehmer Erinnerung. Denn an diesem Tag verlor die 56 Jahre alte Crimmitschauerin (Sachsen) durch die als Jahrhundertflut bezeichneten Wassermassen einen Großteil ihrer persönlichen Habe. An das ganze Unheil, das an jenem Sonntag über sie hereinbrach, kann sie sich nur bruchstückhaft entsinnen, muss immer wieder mit den Tränen kämpfen, wenn sie an diese Stunden zurückdenkt und darüber spricht. "Es waren so viele Eindrücke die auf mich eingestürzt sind und unzählige Gedanken, die mir durch den Kopf geschossen sind, das es mir schwer fällt, mir alle Einzelheiten wieder ins Gedächtnis zu rufen", sagt sie.

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Daran, dass auf ihrem Grundstück gelegentlich Wasser steht, ist Sabine Mayer gewöhnt, befindet sich ihr Haus doch nur gut 40 Meter von der Pleiße entfernt. Am 2. Juni allerdings wurde aus dem beschaulich dahin plätschernden Flüsschen ein reißender Strom unangenehm stinkender Brühe. "Mit Hochwasser hatten wir schon am Sonnabend zu kämpfen. Bei mir stand das Wasser im Keller und im Hof, ging aber relativ schnell wieder zurück. Am Nachmittag meinte ich noch zu einer zwei Häuser weiter wohnenden Bekannten, wenn es dabei bliebe, hätten wir wohl Glück gehabt."

Stinkende Brühe bis zur Fensterbank

Es sollte anders und wesentlich schlimmer kommen. Sirenengeheul riss die 56-Jährige am frühen Sonntagmorgen aus dem Schlaf. Was anschließend folgte, daran erinnert sie sich nur schemenhaft. "Mein Haus war komplett vom Wasser eingeschlossen, das von drei Seiten angeschossen kam und auf dem Kreisverkehr vor meinem Haus einen regelrechten Strudel bildete. Im Erdgeschoss stand die stinkende Brühe bis zur Fensterbank, es gelang mir nicht einmal die Türen zu öffnen. In meiner Verzweiflung blieb mir nur, mich auf die Treppenstufen zu setzten und fassungslos zuzuschauen, was passiert", schildert sie damalige Situation. Erst als der Wasserspiegel langsam sank, wagt sie sich erneut ins Erdgeschoss. Was die dort sah, ließ ihren Atem stocken. "Ich hatte nie gedacht, dass eine Gefrierkombination im Wasser schwimmen kann. Überall in den Räumen trieben Sachen aus den Schränken herum – es war chaotisch."

Bis knapp unterhalb der Fensterbank stand das Wasser.

Bilanz: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad samt der darin befindlichen Gegenstände, Einrichtungen und Bekleidung sind dem Hochwasser zum Opfer gefallen. Besonders schlimm war für Sabine Mayer, dass auch etliche persönliche Unterlagen vernichtet wurden. Darunter Fotos von ihrer verstorbenen Mutter. "Schon unmittelbar nach der Katastrophe habe ich viel Unterstützung von Freunden und Bekannten, durch die Kirchgemeinde aber auch die Stadt erhalten, ebenso ehrliches Mitgefühl und Herzenswärme erfahren. Ich danke Gott für diese Hilfs- und Spendenbereitschaft der Menschen", sagt sie.

Die Hoffnung, dass sich diese positive Tendenz auch bei der Schadensregulierung fortsetzen würde, musste die 56-Jährige allerdings begraben. Zwar zahlt die Gebäudeversicherung wesentliche Schäden, stellte sich bei anderen Sachen allerdings auf die Hinterbeine, so dass Sabine Mayer fürchten muss, auf den Kosten sitzen zu bleiben. "Es ist vieles, was nicht beglichen wurde. Dinge wie die verschlammten Rohrleitungen, die durch die Feuchtigkeit verzogenen Fenster, die Badewanne oder die Dusche hat die Versicherung nicht berücksichtigt, weil sie angeblich nicht zum Haus gehören würden. Mein Einkommen und die Ersparnisse reichen bei Weitem nicht aus, um das alles zu bezahlen", macht die gelernte Textildiplomingenieurin deutlich. Teuer und erschwerend kommt hinzu, dass die bisherige Ofenheizung jetzt durch eine zeitgemäße Heizungsanlage ersetzt wird. Auch die staatlichen Zuschüsse sind da nur der berüchtigte Tropfen auf den heißen Stein.

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In dieser für sie fast aussichtslos erscheinenden Situation kam von einem Mitglied aus der Crimmitschauer St. Johannis-Kirchengemeinde der Hinweis, dass die Diakonie für solche Fälle finanzielle Hilfe bereithält. "Beim Ausfüllen des Antrages ist uns aus Unwissenheit ein Fehler unterlaufen. Während andere Institutionen das vielleicht genutzt hätten, die Sache abzulehnen, hat Frau Köppel vom Fluthilfebüro unverzüglich bei mir angerufen und – da sie ohnehin in der Nähe zu tun hätte - Unterstützung beim Ausfüllen des Formulars angeboten." Für Christina Köppel, Wirtschaftsjuristin bei der Diakonie Katastrophenhilfe, eine Selbstverständlichkeit. "Wir suchen zwar nicht jeden der Betroffenen persönlich auf, nutzen aber die Gelegenheit uns bei speziellen Härtefällen selbst ein Bild von der Gesamtsituation zu machen und unmittelbare Hilfe, wie hier beim Ausfüllen des Antragsformulars, zu leisten. Und wir haben natürlich auch ein Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen", erklärt sie.

20 Millionen Spenden für den Wiederaufbau

Gleichzeitig ergibt sich bei den Besuchen auch noch eine Möglichkeit, die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder aus dem Katastrophenfonds abschätzen. "Das sind wir denjenigen Menschen schuldig, die Geld für die Hochwasseropfer gespendet haben." Insgesamt stehen der Diakonie Katastrophenhilfe und den diakonischen Landesverbänden Bayern, Brandenburg, Mitteldeutschland (Sachsen-Anhalt und Thüringen), Niedersachsen, Sachsen und Schleswig-Holstein gut 20 Millionen Euro Spenden für den Wiederaufbau zur Verfügung. "Bislang liegen uns mehr als zwei Dutzend Anträge von Flutopfern aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor. Diese Zahl wird sich in den kommenden Wochen deutlich erhöhen, weil die Anträge vor Ort aufgenommen und erst danach an unser Fluthilfebüro in Magdeburg gehen. Dort entscheiden wir schnell und unbürokratisch", hebt Christina Köppel hervor.

Mit welcher Summe die vom Hochwasser Betroffenen unterstützt werden, hängt immer von der individuellen Situation ab. "Wir versuchen – je nach dem ob der Betroffene bedürftige ist - die Lücke zu schließen, die sich zwischen den real anfallenden Kosten und den 80 Prozent, die der Staat als Fördermittel vergibt, zu schließen." Die Diakonie Katastrophenhilfe wartet mit ihrer Finanzspritze nicht in jedem Fall ab, bis die Höhe der staatlichen Hilfe feststeht. "Manchmal brauchen die Leute einfach das Geld, damit es weiter gehen kann, damit notwendige Arbeiten so schnell wie möglich ausgeführt werden können. Deshalb ist es uns von Fall zu Fall möglich, bis zur Ausreichung der staatlichen Unterstützung einen Überbrückungskredit zu gewähren. Liegen dann die bestätigten Zuschusszahlen auf dem Tisch, steht in der Regel einer Umwandlung des Überbrückungskredites in eine Schenkung nichts im Wege", erläutert Christina Köppel.