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Eine Plastikente samt Kindern. Was eine Familie ausmacht, darüber streitet sich die evangelische Kirche zurzeit trefflich.
EKD-Familiendebatte: Zwischen Ernst und Ententanz
In der Haltung zu Ehe und Familie zeigt sich die ideologische Zerrissenheit des deutschen Protestantismus. Eine Berliner Diskussionsrunde führt zudem vor, dass die Kirche kaum theologische Antworten auf die drängenden gesellschaftlichen Probleme hat.

Deutschland, im Herbst 2013. Die Bundestagswahl ist gerade vorbei, die Frage nach der künftigen Regierung hängt im Berliner Nebel fest. Lichtet er sich, wird es Antworten geben, so ist zu hoffen, auf Fragen, die im Wahlkampf kaum gestellt wurden. Zum Beispiel das Thema Familie: Wie lassen sich Beruf und Kinder vereinbaren? Wie kann der Nachwuchs am besten gefördert werden? Was will Familienpolitik eigentlich erreichen, wenn nicht höhere Geburtenraten?

Gesellschaftliche Probleme konsequent ausgeblendet

Antworten gab es darauf nicht nur von den Parteien nicht, sondern genauso wenig von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die legte stattdessen drei Monate vor der Wahl ein familienpolitisches Papier vor, das die drängenden gesellschaftlichen Probleme der Thematik konsequent ausblendete. Und stattdessen im evangelischen Ehe- und Familienbild einen diffusen "Kurswechsel" vollzog, über das Wort streiten sich die Verantwortlichen.

###mehr-artikel###Jedenfalls stellte die Orientierungshilfe unter dem mindestens ungeschickten Titel "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken" ohne Not die ethische Fundierung von Ehe und Familie als lebenslange Verbindung infrage. Die harschen Reaktionen auf diese Abkehr von jahrhundertealten christlichen Prinzipien hätten niemanden überraschen dürfen.

Ebenso scharf lehnten konservative Protestanten, von der katholischen Amtskirche ganz zu schweigen, die Gleichsetzung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der Ehe sowie die Aufwertung von Patchworkfamilien ab. Familie, so das EKD-Papier, ist dort, wo Menschen generationenübergreifend Verantwortung füreinander übernehmen. Egal wie. Das ist im Kern richtig. Man muss darin keine Herabwürdigung der traditionellen Ehe sehen. Aber so, wie das 160-Seiten-Papier formuliert, lädt es zur Kritik ein.

Selbst die weltlichen Medien protestieren

Und diese Kritik war mehr als deutlich. Nicht nur die notorischen Konservativen ließen kein gutes Haar an der Handreichung, auch die "säkularen Medien" schalteten auf den Modus Sperrfeuer, wie der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider zu Beginn eines Symposions am Wochenende in Berlin durchaus erstaunt feststellte. Er freue sich nicht über jeden Ton, den er höre, klagt der ehemalige rheinische Präses. "Manches ist auch unterirdisch." Von welcher Seite, sagt Schneider nicht. Er ist nicht der Mann für klare Stellungnahmen.

Von links Moderator Christoph Markschies, Wilfried Härle, Klaus Tanner, Friedrich Wilhelm Horn und Christine Gerber.

Das überlässt der Theologe Schneider den Leuten vom Fach. In der Französischen Friedrichstadtkirche zu Berlin übernimmt Christoph Markschies die Moderation einer Runde von Wissenschaftlern, die von der EKD eilig zusammengetrommelt wurden. Der Berliner Kirchenhistoriker Markschies, ehemals Präsident der ehrwürdigen Humboldt-Uni, verweist schon eingangs auf die eklatanten Schwächen und Einseitigkeiten des Papiers. Zwar werde darin Martin Luthers Charakterisierung der Ehe als "äußerlich weltlich Ding" zitiert, nicht aber seine Einschätzung der Verbindung von Mann und Frau als "seliger Stand und gottgefällig".

Überhaupt habe es die Kirche in den vergangenen Jahren versäumt, sagt Markschies, die theologische Bedeutung der Ehe zwischen zwei Menschen verschiedenen Geschlechts herauszuarbeiten. Diese werde denn auch in der Orientierungshilfe "mehr vorausgesetzt und behauptet, denn wirklich präzise begründet" – ein vernichtendes Urteil, dem der systematische Theologe Klaus Tanner beipflichtet. Das Papier blende die Sprengkraft des protestantischen Eheverständnisses "bewusst oder unbewusst" ab, so der Heidelberger Wissenschaftler.

"Text nimmt die Positionen nicht ernst"

Tanner geht aber noch einen Schritt weiter. Der Text lasse wenig Bemühen erkennen, "die unterschiedlichen Einschätzungen und Kontroversen darzustellen beziehungsweise andere Positionen ernst zu nehmen", sagt der Theologe. Auch EKD-Kommissionen seien nicht befähigt, fügt er hinzu, "weiser zu sein als Politiker, die auf mühevollen Wegen in parlamentarischen Verfahren Sozialpolitik machen."

Da war, wenn auch sarkastisch verklausuliert, immerhin so etwas wie ein Bezug zur realen Familienpolitik im Deutschland des Jahres 2013 erkennbar. Die EKD setzt aber eher auf Bezüge aufs Neue Testament – die mangelnde Herleitung ihrer Haltung zu Ehe und Familie aus der Bibel war schließlich einer der Haupteinwände gegen das im Juni veröffentlichte Papier. Gleich zwei Neutestamentler durften deshalb bei der Berliner Tagung vorsprechen. Auch sie ließen an der Orientierungshilfe kaum ein gutes Haar.

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So verwies die Hamburger Theologin Christine Gerber darauf, der biblische Befund zu Ehe und Familie werde in der EKD-Orientierungshilfe eher "narrativ" dargestellt, "mit Unschärfen und Fehlern im Detail". Den sozialethischen Positionen des Papiers könne sie aber gut folgen. Die Wissenschaftlerin betonte, das Neue Testament spreche nicht von Ehe und Familie im heutigen Sinne. In den Texten würden verschiedene Haltungen zur Ehe sichtbar, die selbstverständlich eine Paarbeziehung zwischen Mann und Frau meine.

Biblische Bezüge, fasste auch etwa der Mainzer Neutestamentler Friedrich Wilhelm Horn vor den rund 150 Zuhörern zusammen, seien in der Orientierungshilfe "eher marginal". Das Papier lehne ein normatives Verständnis der Ehe als göttlicher Stiftung ab. Diese Haltung indes stehe "unglaublich isoliert und unreflektiert im Raum und hat zu Recht nachfragen lassen, ob hier nicht die Ehe sozusagen in einem Handstreich und ohne Not aufgegeben wird"

Theologisch, nicht biblisch

Wie die Mehrzahl der Gesprächsteilnehmer bejahte Horn das Recht auf homosexuelle Lebenspartnerschaften ausdrücklich "aus theologischen Überlegungen". Mit dieser Entscheidung positioniere er sich aber klar gegen biblische Vorgaben, sagte er. Mit dieser paradoxen Argumentation – theologisch, aber gegen die Schrift – führte der Theologe allerdings die ganze vorangehende Diskussion um Luthers Schriftprinzip ("sola scriptura") und die Autonomie biblischer Aussagen ad absurdum.

Der Altmeister der systematischen Theologie, Wilfried Härle, vermied als einziger direkte Kritik an der EKD-Orientierungshilfe. Er rief aber den Ratsvorsitzenden Schneider auf, seitens des Rates eine Stellungnahme zu veröffentlichen, "die die aufgetretenden Missverständnisse ausräumt". Diese müsse den "Charakter einer möglichst unmissverständlichen, präszisen und theoloigsch begründeten Positionsbestimmung" haben. Damit könne die Kirche einen Beitrag zur Orientierung leisten, "die dringend benötigt wird". Deutliche Worte.

Auf begriffliche Unschärfen in dem Text hatte bereits Markschies hingewiesen. So werde die Ehe als "gute Gabe Gottes" sowie als "Leitbild" bezeichnet. Letzterer Begriff erinnere ihn eher an die Deutsche Bahn, die sich zu kundenorientiertem Service und Pünktlichkeit bekenne, "mit welchem Ergebnis auch immer". Schon da, ganz zu Beginn, schwankte die Debatte irritierend zwischen Ernst und Ententanz geschwankt. Gelächter auch am Ende, als Härle über Qualität und Quantität sexueller Beziehungen philosophierte: "Erotische Verhältnisse sind nicht ohne Schaden zu multiplizieren."

Jesus von Nazareth hat das im Markusevangelium (Mk 10,9) schon einfacher ausgedrückt: "Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen."

Ministerin kann Familie und Beruf nicht vereinbaren

Berlin, im Herbst 2013. Gerade hat die amtierende Bundesfamilienministerin erklärt, nicht mehr für den Posten, der ihr ohnehin weggenommen worden wäre, zur Verfügung zu stehen – weil sie ein kleines Kind hat und sich Beruf und Familie nicht vereinbaren lassen. Armutszeugnis oder Alarmsignal? Währenddessen diskutiert die evangelische Kirche über das Schriftprinzip. Der Nebel, immerhin, hat sich gelichtet. Die Sonne scheint über der Hauptstadt.