Die Krippe bleibt leer - kein Wunder, Maria ist erst im sechsten Monat!
Foto: Anika Kempf/evangelisch.de
Die Krippe bleibt leer - kein Wunder, Maria ist erst im sechsten Monat!
Alle Jahre wieder…
Weihnachten im September?
Alle Jahre wieder… beginnt die Weihnachtszeit im September, zumindest, wenn es nach dem Einzelhandel geht. "Was hilft das Jammern?" haben wir uns in der evangelisch.de-Redaktion gedacht. "Wenn das so ist, testen wir das mal!" Aber geht das?

Es duftet. Nach Zimt und Schokolade. Und nach Schnee. Das liegt daran, dass der aus der Sprühdose kommt. Aber das so entstandene Tannenbäumchen am Fenster des Konferenzraums versucht immerhin tapfer, winterliche Stimmung zu verbreiten. Die gehört doch dazu, wenn man Weihnachten feiert, oder? Andererseits wird in Südafrika am Strand gegrillt an Heiligabend. Und hierzulande war es schließlich im letzten Jahr auch locker 15 Grad warm, als die Lichter an den Weihnachtsbäumen entzündet wurden. Winter ist anders. Aber ist deswegen auch weniger Weihnachten?

Weihnachten am 24. September

Was gehört dazu, damit Weihnachten werden kann? Das haben wir bei evangelisch.de uns gefragt. Und das kam so:

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Wir waren dabei, uns mit den Planungen für das Erntedankfest zu beschäftigen. Da kam die erste E-Mail in diesem Jahr, die eine Weihnachts-CD promoten sollte. Es war der 28. August! Knapp vier Monate vor Weihnachten, die Sommerferien noch nicht in allen Bundesländern vorbei. Und in der Mail der Satz: "Ab nächster Woche sind die ersten Weihnachtsleckereien in den Märkten. Und auch XXX kommen rechtzeitig vor Weihnachten mit einer winterlichen CD." Klar ist "rechtzeitig" ein sehr dehnbarer Begriff. Aber natürlich stimmte es auch: Ab dem zweiten September waren tatsächlich in den Supermärkten auf den sogenannten "Sonderverkaufsflächen" wieder Spekulatius, Dominosteine und die obligatorischen Schokoladenweihnachtsmänner aufgebaut. Und im Ein-Euro-Laden nebenan lagen Kunststoff-Tannenzweige und eben der Sprüh-Schnee schon bereit.

"Na gut", beschlossen wir, "wenn ein Teil unseres Umfelds uns offensichtlich dazu drängt, Weihnachten in Angriff zu nehmen, dann versuchen wir das eben mal. Und beobachten, wie sich das anfühlt: Genau drei Monate vor Heiligabend, am 24. September, probieren wir das verfrühte Weihnachten mal aus!"

Vier Strophen von "Ihr Kinderlein kommet"

Gesagt getan: Lichterketten, Deko-Engel und Adventskranz auf den Tisch, daneben den Teller mit Spekulatius und Dominosteinen - und die Schokoweihnachtsmänner dürfen sich im Kreis um die Spielkrippe aufstellen.

Schnee im September

Frisch eingetroffene Weihnachtsmusik in den CD-Player (eine schwedische Instrumental-Jazz-Version von "Stille Nacht") und dann noch schnell die Noten von "Ihr Kinderlein kommet" an alle verteilt. Leicht gemacht haben wir es uns nicht: Vier Strophen wurden gesungen! Und, klar: Weihnachten hängt nicht bloß an Äußerlichkeiten. Also wurde auch reihum das Weihnachtsevangelium aus Lukas 2 laut vorgelesen.

Und? Tatsächlich kommt irgendwann ein Gespräch auf: "Singt ihr eigentlich an Weihnachten mit der Familie?" "Wann packt ihr denn die Geschenke ein?" Und: "Wie feiert ihr überhaupt Weihnachten?" Schließlich stellt sich auch heraus, dass diese September-Weihnachtsfeier durchaus unterschiedlich erlebt wird:

Franziska Fink: "Weihnachten passt heute so gar nicht in meinen Terminkalender. Abgehetzt und gestresst komme ich in unserem Konferenzraum an, der schon "festlich" geschmückt ist. Ist das wirklich euer Ernst? Als wir die Weihnachtsgeschichte lesen, muss ich das erste Mal schmunzeln – ein wenig absurd ist das hier schon. Bevor wir singen, schiebe ich mir noch schnell einen klebrig-süßen Dominostein in den Mund. Ich stelle erstaunt fest, dass ich entspannter werde. Als wir alle darüber reden, wie wir mit unseren Familien und Freunden Weihnachten feiern, nehme ich leise Abschied vom Sommer und fange an, mich auf die kältere Jahreszeit zu freuen: Das nasse Laub, der erste Schnee – und Weihnachten. Mit dem Lebkuchen-Kauf werde ich trotzdem noch warten."

Weihnachtsstimmung?

Juliane Ziegler: "Spekulatius, Dominosteine, Lebkuchen – auf alles andere kann ich warten. Sobald es allerdings die ersten Weihnachtssüßigkeiten im Supermarkt gibt, schleiche ich um die Regale. Aber ich reiße mich zusammen – noch nicht im September, frühestens Ende Oktober erlaube ich es mir. Und dieses Jahr: Weihnachten im Mund, schon im Herbst! Doch dann: die Enttäuschung. Ist das ganze Zeug immer so süß? Ich hatte mich so darauf gefreut, aber so viel kann ich dem jetzt nicht abgewinnen. Ob man im Winter ein anderes Geschmacksempfinden hat? Vielleicht. Ich werde es überprüfen. Zum ersten Advent."

Anne Kampf: "Mein Schlüsselmoment war, als die Kollegin ihre Krippe aufbaute. Maria, Josef, Tiere, Krippe. Ich fragte: 'Wo ist denn der Jesus?' Sie: 'Da war keiner bei!' Unfassbar. Die Krippe blieb leer! Bis die Kollegen anfingen, kleine Engel und Schoko-Nikoläuse hineinzulegen. Mir ging durch den Kopf: Kann es sein, dass wir das jedes Jahr an Weihnachten so machen: ohne Jesus feiern? Wir stellen statt dessen alles Mögliche in den Mittelpunkt und merken es noch nicht mal. Beim Vorlesen der Weihnachtsgeschichte mussten manche Kollegen kichern. Es war auch wirklich etwas surreal. Diese märchenhafte Erzählung aus dem Lukasevangelium braucht offenbar Kerzenschein und echte Tannenzweige als Begleit-Atmosphäre, keinen grauen Konferenzraum. Eine interessante Erfahrung."

Ein festlich geschmückter Konferenzraum

Hanno Terbuyken: "Weihnachten im September feiern? Das geht gar nicht. Das Wetter ist falsch, die Luft riecht nicht richtig, das Licht ist zu hell. Die Weihnachtsgeschichte ist fehl am Platz, die Schokolade zu süß, der Advent fehlt. Anders als die Passionszeit, die die Spannung der Erneuerung mit sich bringt, ist die Weihnachtszeit eine Zeit der Entschleunigung und der entspannten Friedlichkeit. Das geht natürlich im September nicht, mitten im Arbeitsjahr, wenn der Vitamin-D-Level noch lange nicht an die kurzen Tage und langen Nächte angepasst ist. Es passt einfach nicht. Und der Anblick von Lebkuchen, Weihnachtsmännern und anderen Konsumparaphernalien zum Fest macht das nicht besser. Weihnachten ist im Dezember, und das Jahr schlingt sich drumherum. Vorher hat es keinen Zweck."

Markus Bechtold: "Bei mir will am 24. September keine Weihnachtsstimmung aufkommen. Die Dekoration mag stimmen, die Kollegen schauspielern meisterhaft und tun so, als ob... aber meine innere Uhr sagt mir: 'Nein, du tickst wohl nicht ganz richtig, zumindest viel zu schnell, du gehst vor. Weihnachten ist doch erst in drei Monaten.' Der äußere Schein macht mich nicht froh und munter. Ich gedulde mich lieber und warte auf den 24. Dezember. Wenn die Familie da ist und abends die Kirchengemeinde zusammenkommt und wir alle zusammen singen: 'Stille Nacht, heilige Nacht'... Darauf freue ich mich!"

Der Advent fehlt

Was also gehört dazu, damit Weihnachten werden kann? Muss es draußen wirklich kalt und dunkel sein? Muss das Datum auf dem Kalenderblatt stimmen? Unsere Erkenntnis: Zumindest fällt es anders ganz schön schwer. Woran das liegt? Ist es nicht so, dass einfach alles seine Zeit hat? Und dass dieses Fest nun schon seit langer langer Zeit rund um die längste Nacht des Jahres liegt? Mitten in der tiefsten Dunkelheit, in die das Licht kommt? Andererseits ist dies nur auf der nördlichen Halbkugel so...

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Vielleicht ist es ja auch etwas anderes, das fehlt: Der Advent! Die Zeit des Wartens und der Einkehr, die Phase der Vorfreude. Die Vorbereitung auf die Ankunft Christi. Ist es nicht so, dass es nicht Weihnachten werden kann ohne Advent? Und der fängt nunmal nicht im September, sondern erst nach dem Ewigkeitssonntag an.

Wir werden noch eine Redaktionsweihnachtsfeier machen, im Dezember. Und wir werden wohl auch Ostern nächstes Jahr nicht im Februar feiern, obwohl dann die ganzen Ostereier in den Supermarktregalen liegen und in Vorgärten hängen...

Hier auf der Facebook-Seite von evangelisch.de gibt's übrigens ein kleines Video von der Redaktion beim Singen von "Ihr Kinderlein kommet".