"Wie kann denn Generationen-Gerechtigkeit hergestellt werden?", fragt Ethik-Lehrer Frank Dethloff die 18- bis 19-jährigen Schüler in seinem Workshop "Generationen-Gerechtigkeit als Fairness". Als unfair empfinden die jungen Teilnehmer den Ausblick auf eine unsichere Rente und die Belastungen durch die wachsende Staatsverschuldung.
###mehr-artikel###Um beantworten zu können, wie eine gerechte Gesellschaft denn einzurichten sei, mutet Frank Dethloff den Schülern mit der Gerechtigkeitstheorie des Philosophen John Rawls schwere philosophische Kost zu: "Bevor man beginnt, nach Lösungen zu suchen, muss man sich, nach Rawls, in eine Art Anfangszustand versetzen", so Dethloff. "In die Situation, in der die Beteiligten noch nicht wissen, in welche Generation sie geboren werden." So seien sie gezwungen, sich in die Lage derjenigen zu versetzen, die zukünftig vermutlich am schlechtesten gestellt sein würden – man könnte es ja selbst sein, erklärt Dethloff. Nur Prinzipien, die aus diesen Überlegungen hervorgingen, seien nach Rawls wirklich gerecht.
Unter dem Titel "Generationen-Gerechtigkeit und Generationen-Dialog" diskutierten Schüler und Experten über die Schwierigkeiten und Chancen junger Menschen in einer alternden Gesellschaft. Anlass war der jährliche Wissenschaftstag der integrativen Ernst-Reuter-Gesamtschule in Frankfurt, die den Tag gemeinsam mit der Diakonie-Stiftung und der Evangelischen Zukunftsstiftung für die Schüler des 13. Jahrgangs organisiert hat.
Mehr Chancengleichheit, um Konflikte zu verhindern
Den Auftakt des Wissenschaftstags bildete eine Talkrunde mit der Frankfurter Stadträtin Nargess Eskandari-Grünberg, dem Sozialethiker Friedhelm Hengsbach und der you fm-Radiojournalistin Bianca Schwarz.
Im Anschluss an die Talkrunde konnten die Schüler zwischen sechs Workshops wählen, in denen verschiedene Aspekte zum Thema "Generationen-Gerechtigkeit" vertieft wurden. Unter anderem: "Biologisches Altern: Zwischen Demenz und forever young", "Altersarmut" und "Endstation Alter: Chance oder Fluch?" In den Arbeitsgruppen wurde nach Antworten auf die Herausforderungen des Altwerdens in der heutigen Gesellschaft gesucht. Weitere Workshopthemen waren die zunehmende Einsamkeit im Alter für Singles, die Pflegebedürftigkeit der ersten Migrantengeneration oder der Dialog zwischen den Generationen. Dabei reichten die Lösungsansätze der Schüler von theoretisch-philosophischen Überlegungen bis hin zu ganz praktischen Vorschlägen. Mit dem Philosophen John Rawls hatten die meisten Teilnehmer des Workshops "Generationen-Gerechtigkeit als Fairness" allerdings ihre Schwierigkeiten. "Nach meinem Geschmack zu viel Frontalunterricht und zu wenig Diskussion", resümierte Schülerin Darlene Buchmann.
Den Herausforderungen mutig entgegenblicken
Anschließend stellten Teilnehmer aus den einzelnen Workshops ihre Arbeitsergebnisse im Plenum vor. Dabei wurden auch konkrete Vorschläge genannt: Um das Problem der Altersarmut zu lösen, forderte eine Gruppe eine Vermögensumverteilung von oben nach unten. "Wohlwissend, dass viele Menschen auch das wieder als ungerecht ansehen werden", erklärte ein Schüler. Die Gymnasiasten zeigten großes Interesse an dem Thema, sie waren schon im Unterricht auf den Tag vorbereitet worden.
###mehr-links### Zum Abschluss des Wissenschaftstages erörterte Moderator Meinhard Schmidt-Degenhard die Ergebnisse aus den Workshops in einer Podiumsdiskussion mit F.A.Z.-Herausgeber Werner D’Inka, Filmregisseur David Sieveking, Pfarrerin Esther Gebhardt (Vorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt am Main) sowie dem Abiturienten Sven Wittiber. Dabei appellierten D’Inka und Sieveking an die jungen Leute, den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft – wie Versorgungsungewissheit oder Krankheiten – mutig entgegenzublicken. Sieveking, dessen Mutter an Demenz erkrankte, gewann der krankheitsbedingten Lebensumstellung auch etwas Positives ab: Er habe seine Mutter noch einmal besser kennengelernt. Die Runde war sich außerdem einig, dass bessere Bezahlung von Pflegekräften ein erster Schritt sei, um in den kommenden Jahren gute Pflege für alte Menschen zu gewährleisten. Pfarrerin Esther Gebhardt warb für mehr ehrenamtliches Engagement: Junge Menschen können sich im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres in der Altenbetreuung und Pflege einsetzen. Andererseits können auch rüstige Rentner junge Paare als "Leihomas" und "Leihopas“ in der Kinderbetreuung unterstützen.
Die komplexe Frage, wie Generationen-Gerechtigkeit nun hergestellt werden könne, blieb am Ende offen. Doch die positive Resonanz der Schüler zeigt, dass sie dieses Zukunftsthema weiter diskutieren wollen.