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Bundestagswahl: Die Parteien zu Datenschutz und Überwachung
Der internationale Zahlungsverkehr, Telefongespräche, E-Mails: Wie massiv der US-Geheimdienst und seine Helfer die Deutschen ausspionieren und überwachen, kam in den Wochen vor der Wahl ans Licht. Das hat den Blick auf Datenschutz und Überwachung für manche Politiker verändert. Die Parteiprogramme waren da schon längst veröffentlicht. Wie stehen die Parteien aktuell zu diesen Themen? Wir haben in unserer Serie die im jetzigen Bundestag vertretenen Parteien befragt. Deshalb fehlt hier die Piraten-Partei, obwohl in ihrem Parteiprogramm einiges zum Thema steht.
19.09.2013
Miriam Bunjes

CDU/CSU

Die Christdemokraten hätten im Nachhinein wohl lieber mehr über Datenschutz in ihrem Wahlprogramm gehabt. "Die aktuelle Diskussion über die Enthüllungen von Snowden sind ein Weckruf an den Staat, die Wirtschaft und die Bürger", sagt Hans-Peter Uhl, Vorsitzender der Arbeitsgruppe "Innen". "Sie zeigt, wie wichtig das Thema Datenschutz und IT-Sicherheit ist."

###mehr-artikel### Im als "Regierungsprogramm" verabschiedeten Wahlprogramm steht vor allem die Suche nach Antworten in der Netzpolitik im Vordergrund. Die Union möchte allgemein eine "verantwortungsvolle Datenpolitik" und fordert "zeitgemäßen Datenschutz". Dafür will sie "viele netzpolitische Fragen" zunächst prüfen, bevor "Antworten gefunden werden". Dafür soll ein "digitales Weißbuch" erstellt werden, das den Stand der Digitalisierung Deutschland erfassen und analysieren soll.

Um die Daten der Bürger besser zu schützen, soll eine nationale Industriepolitik verfolgt werden, erklärt Uhl mit Blick auf die Spionage der ausländischen Geheimdienste. "Es gibt keine Notwendigkeit, dass rein innerstaatliche Kommunikation über ausländische Server läuft, ebenso wenig wie eine Speicherung von Daten in ausländischen Clouds erfolgen sollte", sagt der Innenpolitiker. "Nur wenn die Daten in Deutschland bleiben, unterliegen sie unseren strengen Datenschutzbestimmungen." Und nur dann könne der Staat für sie garantieren. Für mehr "nationale Souveränität" bei der IT-Sicherheit möchten CDU/CSU die Branche fördern, zum Beispiel mit Public-Private-Partnerships, so Uhl.

CDU/CSU setzen sich weiter für die umstrittene Vorratsdatenspeicherung ein, nennen sie im Wahlprogramm aber "Mindestspeicherfrist." Eine EU-Richtlinie verpflichtet Deutschland dazu, für die Länge eines Zeitraums zwischen sechs Monaten und zwei Jahren zu speichern, wer mit wem wann und von wo aus kommuniziert hat. Vorsorglich gespeichert werden sollen die Verbindungsdaten aller Bürger – mit der Union für sechs Monate. Das Bundesverfassungsgericht hat ein Gesetz dazu gestoppt, eine Neuauflage scheiterte bisher an der FDP. "Ein Zugriff der Sicherheitsbehörden auf diese Daten zur Verfolgung schwerer Straftaten oder bei einer terroristischen Bedrohung muss möglich sein – immer nur bei begründetem Verdacht und mit richterlichen Genehmigung", sagt Hans-Peter Uhl. "Beim NSU-Prozess in München wäre es beispielsweise sehr hilfreich zu wissen, welche Telefonkontakte die Rechtsterroristen hatten. Es gibt die Daten aber nicht mehr."

SPD

Wie die Union bleibt auch die andere große Volkspartei in ihrem "Regierungsprogramm" bei den Themen Datenschutz und Überwachung allgemein: Die Partei fordert "Sicherheitspolitik mit Augenmaß" und dass "Ermittlungsbehörden auf Augenhöhe mit hochtechnisierten Kriminellen bleiben". Der Begriff "Vorratsdatenspeicherung" kommt im Programm nicht vor, die Verwendung von Verbindungsdaten soll aber beschränkt werden und keine "Speicherung von Bewegungsprofilen" zugelassen werden. Gesche Joost, im Kompetenzteam von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück für netzpolitische Fragen zuständig, möchte die Datenspeicherung zur Verbrechensbekämpfung "grundsätzlich neu bewertet" sehen.

"Dabei muss der Nachweis geführt werden, ob und in welchem Umfang diese weitgehenden Eingriffe tatsächlich notwendig sind." Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene könne so keinen Bestand haben, so Joost zu evangelisch.de. Auch zieht sie Konsequenzen aus der Überwachung durch ausländische Geheimdienste, die das "Pendel derart in Richtung 'Sicherheit durch Überwachung' hat ausschlagen lassen, dass es nun massiv in Richtung Datenschutz gelenkt werden muss." Die SPD sei nicht bereit, Bürgerrechte über Bord zu werfen.

Zum Datenschutz bleibt das Programm knapp. Er müsse "den Bedingungen der digitalen Welt entsprechen". Auf europäischer Ebene will sich die SPD für einheitliche Datenschutzrichtlinien einsetzen, die ein Marktortprinzip festschreiben, erklärt Gesche Joost. "Das bedeutet, dass für Unternehmen wie Google und Facebook, die in Deutschland tätig sind, deutsches Recht gilt." Somit gäbe es auch ein Klagerecht und eine Handhabe, auf die Einhaltung der Datenschutzregeln zu bestehen. Die SPD will zudem verbindliche IT-Sicherheits- und Datenschutzstandards einführen und Verbrauchern einfach nutzbare Lösungen anbieten, so Joost.

FDP

Datenschutz und digitale Bürgerrechte sind von jeher wichtige Themen für die FDP. Die unterschiedlichen Schwerpunkte bei Netzthemen werden schon in den Überschriften der Regierungskoalitionspartner deutlich: "Grundrechte in einer digitalen Welt" schreibt die FDP, "Digitales Wachstumsland Nr. 1 in Europa" die CDU. Auch werden die Liberalen beim Thema in ihrem "Bürgerprogramm" konkret und positionieren sich überwachungskritisch: Keine anlasslose Vorratsdatenspeicherung, Fluggastdatenspeicherung oder Erfassung von Grenzübertritten, keine Fort- und Umsetzung des EU-Forschungsprojekts INDECT, in dem Bewegungsmuster automatisiert erfasst werden.

###mehr-links###" Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung setzt die Unschuldsvermutung und damit die Grundpfeiler eines Rechtsstaates außer Kraft. Es ist eine Generalüberwachung, die wir nicht akzeptieren", sagt FDP-Netzpolitiker Jimmy Schulz. Ebenso wenig, dass "Freunde Freunde abhören". Die FDP will in Folge der Snowden-Enthüllungen ein Antispionage-Abkommen auf EU-Ebene, bei dem auch die Briten mit im Boot sitzen. Auch außerhalb der EU will sie Anti-Spionageabkommen schließen.

Der Datenschutz soll mit der FDP im Justizministerium verankert werden, die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten gestärkt werden. "Besserer Datenschutz lässt sich aber nicht nur mit Regeln und Gesetzen verwirklichen", sagt Schulz. "Bürger und Unternehmen entscheiden auch selbst, ob sie Mails verschlüsseln und in welche Cloud sie ihre Daten ablegen."

Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen lehnen Vorratsdatenspeicherung im Parteiprogramm grundsätzlich ab und wollen sich auch auf EU-Ebene gegen sie stark machen. "Vorratsdatenspeicherung ist eine Teillegitimierung von Totalüberwachung", sagt der netzpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz. "Anlasslos darf niemand überwacht werden, das ist ein eisernes Rechtsgut. Wenn das zum Schutz gegen Terrorismus abgeschafft wird, haben die Terroristen gewonnen, denn wir sind kein freies Land mehr." Die Grünen wollen die "ausufernde Videoüberwachung" zurückdrängen und ein öffentliches Register einführen, das alle Kameras an öffentlichen Plätzen erfasst.

Auch die erweiterte Bestandsdatenauskunft, nach der Telekommunikationsunternehmen Sicherheitsbehörden auf Anfrage schon bei Ordnungsvergehen Daten zur Verfügung stellen, lehnen die Grünen genau wie "das massenhafte anlasslose Auswerten von Bank- und Fluggastdaten zur Kriminalitätsbekämpfung" ab. Gegen das "exzessive Sammeln von Daten durch Unternehmen" wollen die Grünen neue Regeln stellen und das computerbezogene Tracking durch Cookies verbieten. Auch wollen die Grünen technischen Datenschutz gesetzlich verankern und datenschutzrechtliche Mindestanforderungen für technische Geräte einführen. Um Arbeitnehmer vor Ausspähung durch ihre Chefs zu schützen, soll ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz kommen. "Zur Zeit sind Arbeitnehmer nur unzureichend geschützt", sagt von Notz.

Als Konsequenz aus der Datenspionage von NSA und Co. will von Notz die deutsche Rolle beim Datentausch der Geheimdienste aufklären: "Wenn Geheimdienste flächendeckend im Ausland die Bevölkerung abhören und sich dann im Ringtausch gegenseitig mit den Daten beliefern, sind das ungeahnte Ausmaße an staatlicher Überwachung, die krasse Folgen für deutsche Bürger und auch die Wirtschaft haben."

Die Linke

Auch das Parteiprogramm der Linken enthält im Kapitel "Für ein freies und offenes Internet: digitale Spaltungen bekämpfen" konkrete Forderungen zu Datenschutz und Überwachung. Die Partei will "das Recht auf Anonymität im Netz erhalten": Webdienste sollen datensparsame Einstellungen anbieten und sie auch ohne Datenweitergabe nutzen lassen. Wie die Grünen wollen sie datenschutzrechtliche Anforderungen an technische Geräte stellen. Software und Geräte, mit denen Internetnutzer verfolgt oder mit denen Internetsperren errichtet werden können, sollen auch nicht in andere Länder exportiert werden dürfen. Den Blick in Datenpakete will die Partei sowohl Behörden als auch Providern und Netzbetreibern verbieten. Genauso lehnen die Linken Vorratsdatenspeicherung, die massenhafte Abfrage von Handydaten und digitale Rasterfahndung ab. "Mehr Personal bei der Polizei vor Ort schützt besser vor Gefahr durch Kriminalität als ein ausgefeiltes technisches Überwachungssystem und eine mit immer mehr Kompetenzen ausgestattete zentrale Bundespolizei", sagt Jan Korte, Innenpolitiker und Datenschutzbeauftragter der Partei. Besonders drängend findet er das Thema Arbeitnehmerdatenschutz: "Wie viel muss mein Chef wissen? Wie viel Überwachung darf es am Arbeitsplatz geben? Das ist zurzeit ein rechtlicher Graubereich, was zu schlechten Arbeitsbedingungen führt."

Auch die Linke will in Folge der Snowden-Enthüllungen Geheimdienst-Abkommen transparent machen und sieht dringenden Reformbedarf. "Die parlamentarische Kontrolle über die Geheimdienste hat versagt", sagt Korte. "Es ist demokratisch inakzeptabel, dass die Mitglieder des Innenausschusses keine Informationen über solche hochproblematischen Abkommen haben." Er erfahre in der Spionage-Affäre mehr aus den Medien als im Innenausschuss, der die Nachrichtendienste kontrollieren soll.