Spätestens nach der Katastrophe von Fukushima war er in aller Munde: Der endgültige Abschied von der Atomkraft. Und mit ihm die Energiewende. Doch die anfängliche Euphorie legte sich mit dem Streit über technische Schwierigkeiten und Finanzierung. Keine der im Bundestag vertretenen Parteien lässt einen Zweifel daran, dass die begonnene Abkehr von der Atomenergie der richtige Weg ist. Darüber, wie die Energiewende weiter gestaltet werden soll und wer dabei welchen Anteil an Aufgaben und Kosten übernimmt, gibt es aber durchaus große Differenzen.
CDU/CSU
"Marktwirtschaftliche Lösungen mit fairem Wettbewerb" – darauf setzen laut Wahlprogramm die Unionsparteien, um die Energiepreise zu regulieren. Unternehmen aus der "energieintensiven" Industrie, die im internationalen Wettbewerb stehen, sollen weiterhin gezielt entlastet werden. Staatliche Hilfen für "saubere" Energie sollen aber zurück gefahren werden: "Nach der bisherigen Anschubfinanzierung muss es jetzt darum gehen, wettbewerbsfähige Preise für erneuerbare Energie zu erreichen." Die Stromnetze sollen weiter ausgebaut werden, vor Ort setzt die Union auf "intelligente Netze". Auch die Speichertechnologie soll vorangetrieben werden, nicht zuletzt mit Hilfe von Elektroautos.
Bis zur vollständigen Versorgung mit erneuerbaren Energien wollen CDU/CSU allerdings moderne Gas- und Kohlekraftwerke, von denen durchaus auch zügig neue gebaut werden sollen. Und auch zur Braunkohle stehen die Unionsparteien weiterhin. Beim Energiesparen wird das "Prinzip der Technologieoffenheit" verfolgt: "Wir wollen niemandem vorschreiben, welche Technik zum Einsatz kommen soll" heißt es im Wahlprogramm. Investitionen in Energiesparmaßnahmen sollen finanziell gefördert werden. Europaweit will sich die Union zudem für rechtlich bindende Sicherheitsvorgaben für Kernkraftwerke auf der Basis der deutschen Stresstests einsetzen. Was die Atommüll-Endlagerfrage angeht, vertraut die Union auf die von der bisherigen Regierung eingesetzte Kommission, die bis 2015 objektive Kriterien für einen Endlagerstandort festlegen wird.
SPD
Auch die SPD setzt auf Gas und Kohle als "Brückentechnologie". Und auch sie sorgt sich um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie. Unter anderem deshalb will sie die Stromsteuer senken, für Wirtschaft und Privathaushalte. Vor allem aber für einkommensschwache Endverbraucher soll der Strom erschwinglicher werden und eine steuerbefreite Grundversorgung eingeführt werden.
###mehr-artikel### Um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben, setzen die Sozialdemokraten auf ein eigenes "Energieministerium" und dort angesiedelt einen "Deutschen Energie-Rat", der die Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren übernimmt. Mathias Machnig, zuständig für Energie im "Kompetenzteam" von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, erklärt zum "Masterplan Energiewende": "Wir werden das Erneuerbare-Energien-Gesetz grundlegend reformieren, die Kosteneffizienz erhöhen und Überförderungen reduzieren.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss sich stärker am Ausbau der Netzinfrastrukturen orientieren. Unser übergreifendes Ziel bleibt es dabei, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 im Stromsektor auf 40 bis 45 Prozent und im Wärmebereich auf 20 Prozent zu steigern." Außerdem wollen auch die Genossen den Netzausbau, die Speichertechnologie und die Energieeffizienz fördern. Bei stillgelegten Kernkraftwerken macht sich die SPD für einen Rückbau ein, den "sicheren Einschluss" als Option im Atomgesetz will sie streichen. Die Kosten für Abriss und Atommüll soll nach dem Willen der SPD übrigens von den Verursachern getragen werden.
Bündnis 90/Die Grünen
"Wir wollen bis 2030 100 Prozent Erneuerbare Energien im Stromsektor und möglichst bis 2040 unser gesamtes Energiesystem auf Erneuerbare Energien umstellen." Das sagt Hans-Josef Fell, der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen. Deshalb will die Partei das Bundesumweltministerium zu einem Umwelt- und Energieministerium ausbauen und diese Aspekte auch zu einem Schwerpunkt ihrer Außenpolitik machen. "Erneuerbare Energien, Atomausstieg, Netzausbau und Strommarktreform gehören endlich zusammen gedacht" heißt es im Wahlprogramm. Die Strommarktreform soll dahin gehen, dass Wind und Sonne zukünftig die Basis der Energieerzeugung bilden. Die Lücken sollen durch verschiedene innovative Technologien, Speichertechnik, Gaskraftwerke und Elektromobilität gefüllt werden, nicht aber durch weitere Kohleförderung.
Geht es nach den Grünen, soll Deutschland zur Modellregion für intelligente Netze werden, die Energieversorgung dezentral und bürgernah sein und Kleinanleger auf breiter Basis beteiligt werden. Außerdem ist den Grünen wichtig, dass die Verwertung von Biomasse nicht auf Kosten des Naturschutzes oder der weltweiten Ernährung geht. Kraft-Wärme-Kopplung hingegen soll gefördert werden, und zwar in möglichst kleinen Einheiten. Die Erdgasförderung mittels "Fracking" lehnen Bündnis 90/Die Grünen als einzige Partei komplett ab.
Die Sicherheitsanforderungen für noch laufende Atomkraftwerke würde mit den Grünen erhöht und die Versicherungspflicht für die Atomwirtschaft deutlich ausgeweitet werden. Auch die Endlagersuche sollte nach ihrer Meinung komplett von den Verursachern des Atommülls finanziert werden. Bereits ab 2015 wollen die Grünen keine neuen Ölheizungen mehr zulassen und nach und nach alle Häuser in Deutschland auf Niedrigenergiehaus-Niveau sanieren. Einkommensschwache Haushalte sollen dabei unterstützt werden.
FDP
Der FDP geht es vor allem um die Kosten der Energiewende, die gesenkt werden müssten. "Dabei ist ein marktwirtschaftlicher Ansatz zu wählen" heißt es im Wahlprogramm. Teure Überförderung müsse beseitigt werden, die Strompreise nicht auf Dauer von der Politik festgelegt werden. "Als kurzfristige Maßnahme sieht unser Vorschlag vor, den Verbrauchern die Mehrwertsteuer auf die letzte Erhöhung der EEG-Umlage über die Stromsteuer zu erlassen" ergänzt Klaus Breil, der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Auch die Liberalen wollen den Netzausbau beschleunigen und die Bürger beteiligen, sowie die Erneuerbaren Energien "konsequenter als bisher an den Markt" heran führen.
Entlastungen für energieintensiv produzierende Unternehmen im internationalen Wettbewerb hält die FDP für unverzichtbar. Auch will sie, wie die anderen, effiziente Speichermöglichkeiten unterstützen. Zudem soll die Erdgasversorgung gesichert und verbessert werden – nicht zuletzt durch einen stärkeren Wettbewerb auf dem Gasmarkt. Eine Verpflichtung zur energetischen Gebäudesanierung lehnen die Liberalen ab, ebenso wie Verbote von zum Beispiel Glühlampen oder Heizpilzen. Alle Aufgaben in diesem Zusammenhang sollen zukünftig übrigens im Bundeswirtschaftsministerium gebündelt werden. Auch die FDP befürwortet den Rückbau von Kernkraftwerken, spricht sich aber für die Erhaltung der Kernforschung aus, nicht zuletzt, damit Deutschland "zu einem sicheren Betrieb von Kernkraftwerken weltweit" beitragen könne.
Die Linke
Ganz anders die Linke. In ihrem Wahlprogramm heißt es: "Die Linke streitet dafür, die Energieversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge zu betrachten." Das heißt vor allem, dass aus ihrer Sicht Strom- und Wärmenetze konsequent in die öffentliche Hand oder in die von Unternehmen gehören, die "unter demokratischen Gesichtspunkten" geführt werden. Die Strompreise sollen dauerhaft über einen "Sockeltarif" als Grundversorgung garantiert, effektiv überwacht und "sozial gestaltet" werden. Dazu gehört auch die Forderung, dass Zahlungsschwierigkeiten nicht dazu führen dürften, dass Menschen im Dunkeln sitzen oder frieren müssten.
###mehr-links### Auch für die Linke ist die Strom- und Wärmeversorgung aus 100 Prozent erneuerbarer Energien das Ziel, außerdem der Netzausbau, eine dezentrale Energieversorgung, ein Ausbau der Speichersysteme und nicht zuletzt auch der Forschung auf diesen Gebieten. "Überteuerte Großprojekte" wie z. B. die Off-Shore-Windparks in der Nordsee lehnt die Linke hingegen ab. Den Ausstieg aus der Atomwirtschaft wollen die Genossinnen und Genossen unumkehrbar machen und sogar im Grundgesetz festschreiben. Der Im- und Export von Atommüll soll verboten und über die zukünftige Art der Aufbewahrung von Atommüll eine breite gesellschaftliche Debatte geführt werden. Bis spätestens 2040 will die Linke zudem auch den Ausstieg aus der Kohlestromversorgung. "Unberechtigte Industrierabatte" zu Lasten der Privathaushalte will die Linke zügig abschaffen und dafür Kommunen besser fördern, die ihre eigene Energieversorgung betreiben.