Bemerkenswert am Burkini-Urteil ist die Begründung der Verwaltungsrichter: Sie urteilten, dass Glaubensfreiheit nicht bedeute, die Gewohnheiten von anderen Menschen ausblenden zu können. Schärfer formuliert bedeutet das: Niemand hat einen Anspruch darauf, nur das zu sehen, was seinen eigenen Überzeugungen entspricht.
Das ist eigentlich selbstverständlich. Darum ist es auffällig, dass die Richter diesen Punkt noch einmal herausgestellt haben. Die Glaubensfreiheit, die in Deutschland Verfassungsrang hat, ist eine persönliche Freiheit, aber nicht das Recht, die Welt dem eigenen Glauben nach zu gestalten. Der Versuch, Verstöße gegen den eigenen Glauben per Gesetz aus der eigenen Lebenswelt zu verbannen, klingt nach einem fundamentalistischen Gottesstaat statt nach einer freien, pluralen, aber grundlegend christlich geprägten Demokratie.
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Wenn die muslimische Schülerin Recht bekommen hätte mit ihrer Forderung, keine Jungen im Schwimmbad sehen zu müssen, könnten andere genauso gut fordern, keine Burkinis sehen zu wollen, weil sie ihr religiöses Empfinden dadurch gestört sähen. Es geht eben nicht, dass sich jede Einzelperson ihre Welt so macht, wie sie ihr gefällt. Wir dürfen auch behinderte Menschen oder Übergewichtige oder Arme oder Kranke nicht einfach per Gesetz aus der Öffentlichkeit um uns herum ausblenden. Im Wesen des Christentums liegt auch, sich mit den anderen zu beschäftigen und ihre Sorgen und Nöte nicht zu ignorieren. Damit ist das auch ein Grundwert unserer Gesellschaft.
Die Begegnung mit anderen Überzeugungen, anderen Gewohnheiten, anderen Gebräuchen ist außerdem wichtig, um sich der eigenen Überzeugung zu vergewissern. Wer ständig ausblendet, was seinen Überzeugungen widerspricht, wird zu einem scheuklappentragenden Kleingeist.
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Gerade in der Schule lernen Kinder und Jugendliche, was für andere Menschen, Ideen und Kulturen es noch auf der Welt gibt. Dort sind Freundeskreise, dort entstehen die ersten Konflikte, aber auch die ersten Beziehungen. Die Schule ist jetzt schon ein besonderer Schutzraum, in dem auch muslimische Mädchen diese Erfahrungen machen.
Diese Erfahrungen sind wichtig. Es ist die Aufgabe von gesellschaftlichen Institutionen wie der Schule, diesen Schutzraum zu erhalten und diese Erfahrungen zu ermöglichen. Das bedeutet auch, innere Abgrenzungen zu verhindern. Genau das bekräftigt das Urteil der Leipziger Richter. Alles andere wäre eine faustdicke Überaschung gewesen.