Foto: Stefan Schuhart/iStockphoto/Thinkstock
Die Bindung zwischen Mutter und Kind ist die engste, die man sich vorstellen kann. Doch gerade junge Frauen haben nach der Geburt oft Schwierigkeiten, in die neue Rolle zu finden.
Mit Geduld und Liebe
Wissenschaftler untersuchen, wie junge Mütter den Umgang mit ihrem Baby trainieren können
Muttersein kann man lernen. Forscher aus Aachen wollen zeigen: Sehr junge Mütter, die häufig aus schwierigen Familien stammen, profitieren von Trainings zur Mutter-Kind-Bindung.
30.09.2013
epd
Stefanie Walter

Leona Meier (Name geändert), fröhlich, lebhaft, zweifache Mutter, sitzt in der gemütlichen Küche des Mutter-Kind-Hauses. Die Kaffeemaschine blubbert. Sie war gerade 16 Jahre alt, als sie ihr erstes Kind bekam. "Ich wohnte noch zu Hause, meine Tochter wuchs bei meiner Mutter auf", erzählt die heute 24-Jährige. "Irgendwann kam ich an den Punkt: Ich muss zu Hause raus, aber ich schaffe es nicht allein."

###mehr-artikel###Seit einem Jahr lebt sie in einer betreuten Mutter-Kind-Gruppe der Leppermühle, einem Kinder- und Jugendwohnheim in der Nähe von Gießen. Sie versucht, ihrem Leben eine Struktur zu geben, lernt kochen, backen, putzen, sparsam einkaufen, kleine Sachen selbst zu reparieren und vor allem: liebevoll und geduldig mit ihren Kindern umzugehen.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Mütter einen liebevollen Umgang mit ihren Kindern tatsächlich lernen können. Durch ein Training der mütterlichen Feinfühligkeit werde eine sichere Eltern-Kind-Bindung gefördert, sagt die Direktorin der Aachener Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Beate Herpertz-Dahlmann.

Junge Frauen sind besonders belastet

Die Aachener Wissenschaftler untersuchen ein Training, das junge Mütter unter 21 Jahren mit ihren Babys unterstützt. Das aus den USA stammende "Steep-Programm" (Steps Toward Effective, Enjoyable Parenting -  Schritte hin zu einer effektiven, Freude bereitenden Elternschaft) ziele auf besonders belastete Mütter, sagt die Pädagogin und Mitarbeiterin der Studie, Julia Koslowski.

Die Wissenschaftler leiten die Mütter an, machen Hausbesuche und Filmaufnahmen. "Wir drehen zum Beispiel Alltagssituationen wie Baden und Füttern. Dann schauen wir uns gemeinsam an, was die Bedürfnisse der Kinder sind und wie man feinfühlig reagieren kann." Ziel sei eine sichere Bindung zwischen Mutter und Kind. "Die meisten Mütter freuen sich über die Besuche und erleben sie als Hilfe", beobachtet Koslowski.

Schwangerschaft oft ungeplant

In Deutschland werden jedes Jahr etwa 22.000 Babys von Müttern im Alter unter 20 Jahren geboren. "Bei den sehr jungen Müttern ist häufiger die Schwangerschaft ungeplant, die Ausbildung noch nicht abgeschlossen und sie leben seltener in einer stabilen Partnerschaft", sagt die Marburger Professorin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Katja Becker.

Viele stammen aus schwierigen Familien, manche wurden missbraucht, geschlagen, sind traumatisiert und wurden "nie in ihren Bedürfnissen wahrgenommen", wie die Psychologin der Leppermühle, Roswitha Lichti, sagt. Auf der Suche nach Geborgenheit bekommen sie selbst sehr früh Kinder. "Das scheitert oft kläglich."

###mehr-links###Die 14 Mütter, die zurzeit in der Leppermühle betreut werden, haben einen vollgepackten Alltag mit Workshops zur kindlichen Entwicklung, Spielanleitungen, Vorlesen und Singen, aber auch Budgetplanungen. Pädagogin Myriam Mank öffnet die Tür zur blitzblanken Lehrküche: Hier kochen die Frauen Holundersirup oder Marmelade, stellen Bärlauch-Pesto her, backen Geburtstagskuchen in Regenbogenfarben. "Ich habe einen hohen Verbrauch an Lebensmittelfarben", erzählt Mank und lacht.

Doch zum Alltag gehören auch enge Kontrollen und feste Regeln. In der Anfangszeit werden die jungen Frauen rund um die Uhr betreut. "Sie  haben nie einen festen Tagesablauf mit Regeln erlebt", schildert Lichti. "Dann kommen sie hierher, und alles ist verbindlich."

Zum Rauchen verschwunden

Sechs kleine Kinder krabbeln die Treppe des Mutter-Kind-Hauses hoch, sie essen gleich zu Mittag und verbringen den Nachmittag mit ihren Müttern. Eine Mutter drückt Lichti ihren kleinen Sohn in den Arm und verschwindet schnell zum  Rauchen. "Eigentlich müsste er schon etwas mehr brabbeln", sagt die Psychologin nach einer Weile kritisch. Sie weiß, wie schwierig es für die Mütter ist, sich auf das Leben in der Leppermühle einzulassen. "Man entwertet ja auch ihre bisherige Welt."

Die meisten Mütter sind auf Veranlassung des Jugendamtes in der Leppermühle. Hier soll ein "förderliches Aufwachsen" des Kindes bei der Mutter ermöglicht werden, wie es im Amtsdeutsch heißt. Verweigern die Mütter die Mitarbeit, droht ihnen eine Unterbringung der Kinder in Pflegefamilien. Bis 2015 läuft die Aachener Studie. "Langfristiges Ziel ist, dass die Mütter standardmäßig ein Hilfsprogramm bekommen", sagt Koslowski.

"Hoffe, dass ich ausziehen kann"

Leona Meier wird es wahrscheinlich schaffen. "Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr ausziehen kann", sagt sie vorsichtig. Ganz perfekt gehe es noch nicht. "Die Finanzen sind schwierig und manche Situationen mit meiner Tochter, aber der Haushalt läuft wie geschmiert." Immer mittwochs schreibt sie die Einkaufsliste fürs Wochenende und sucht aus Prospekten die Sonderangebote heraus. "Die Hauswirtschaft macht mir riesigen Spaß. Wir probieren die verrücktesten Rezepte aus."