Auch wenn Religion derzeit nicht zu den politischen Topthemen gehört, scheint sie den Menschen immer noch sehr wichtig zu sein. So rechnet die CDU-Bundestagsabgeordnete Maria Flachsbarth vor, dass immerhin zwei Drittel aller Bundesbürger weiterhin evangelische und katholische Kirchenmitglieder sind.
Hinzu kommen ca. 1,5 Millionen orthodoxe Christen, mehr als 4 Millionen Muslime, etwa 200.000 Juden und zahlreiche Anhänger anderer Glaubensgemeinschaften. Gerade die Kirchen wirkten daher wie ein gesellschaftlicher Kitt, meint die Bundestagsabgeordnete. Das über Jahrhunderte gewachsene Staatskirchenrecht sei damit weiterhin zu rechtfertigen.
Kirche und Staat sind wichtig für die Zukunft
"Die Kirchen sind in vielen Bereichen des sozialen Lebens tätig, zum Beispiel betreiben sie Krankenhäuser, Kindergärten oder Hospize. Diese Einrichtungen stehen selbstverständlich nicht nur ihren Mitgliedern, sondern allen Bürgerinnen und Bürgern offen. Es scheint also gerechtfertigt, dieser besonderen Beziehung von Kirche und Staat eine Zukunft zu geben", betont Christdemokratin Flachsbarth.
###mehr-artikel### Daher unterstützt der Staat auch die Kirchen und zwar indem er sie als Körperschaften des öffentlichen Rechtes (K.d.ö.R.) anerkennt. Denn mit dem Körperschaftsstatus erhalten Glaubensgemeinschaften eine Reihe von Vorteilen, etwa das Recht zur Erhebung von Steuern und das Recht auf eigene Beamte. Hinzu kommen Vergünstigungen bei Steuern, Abgaben und Gebühren. Als Körperschaft anerkannte Religionsgemeinschaften sind zur Seelsorge beim Militär, in Krankenhäusern, Strafanstalten und sonstigen öffentlichen Einrichtungen zugelassen. Bei staatlichen Planungsverfahren müssen auch K.d.ö.R.s mit einbezogen werden. Und für Missionsreligionen nicht uninteressant: Eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes darf die staatlichen Melderegister einsehen. Diese Rechte sollte der Staat auch anderen Glaubensgemeinschaften zugestehen, meint die Opposition. Vordringliches Ziel müsse dabei die Integration der bisherigen Moscheevereine sein.
"Wir werden muslimische Altenheime brauchen."
"Politik sollte Brücken bauen. Der Islam sollte Körperschaft des öffentlichen Rechtes werden. Wir werden muslimische Altenheime brauchen. Kulturnahe Pflege ist ein ganz wichtiges Thema für die so genannte Gastarbeitergeneration. Wir werden genau so wie es einen katholischen und evangelischen Wohlfahrtsverband gibt einen muslimischen Wohlfahrtsverband brauchen, der im Zuge der Subsidiarität Kitas, Altenheime oder Pflegeheime betreiben kann", fordert Kerstin Griese aus der SPD-Bundestagsfraktion.
Daher müsse gleichberechtigt zum christlichen Religionsunterricht eben auch ein bekenntnisorientierter Islamunterricht erteilt werden. In Nordrhein-Westfalen sei man mit der Einführung eines solchen islamischen Religionsunterrichtes bereits auf einem guten Weg. Die Linken lehnen das Pflichtfach Religion allerdings weiterhin kategorisch ab. Sie plädieren dagegen für einen allgemeinverbindlichen religionskundlichen Unterricht.
"Ich finde es falsch, in den Schulen die Schubladen aufzumachen und schon sehr früh die Kinder in katholische, evangelische, muslimische Schüler oder eben arme Ungläubige oder Heidenkinder einzuteilen. Es ist mehr dem Gedanken der Aufklärung und der humanistischen Bildung entsprechend, wenn es einen gemeinsamen Unterricht über religiöse, ethische und moralische Fragen gibt", meint Linken-Bundestagsabgeordnete Sabine Leidig.
Religion leben - und nicht nur unterrichten
Das aber sei genau der Unterschied, ob man über Religion nur theoretisch und abstrakt rede, oder eben aus einer gewissen intimen Kenntnis und mit Engagement. Das bürgerliche Lager setzt sich weiterhin für den konfessionellen Religionsunterricht ein.
###mehr-links### "Es sind zwei unterschiedliche Konzeptionen. Ich kann sagen, ich will etwas lernen über eine Religion oder ich will mich mit anderen in meiner religiösen Identität auseinandersetzen", erklärt der FDP-Bundestagsabgeordnete und evangelische Pfarrer Pascal Kober. "Geht es darum, ein abstraktes Verhältnis zu etwas aufzubauen oder ein Identitätsverhältnis aufzubauen. Daher ist Religionsunterricht etwas völlig anderes als ein Lernen über."
Auch beim Thema Asylpolitik gehen die Meinungen weit auseinander. Während die Vertreter der Koalition die gängige Praxis als angemessen rechtfertigen, fordert Sozialdemokratin Kerstin Griese, die seit 10 Jahren auch Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland ist, mehr Engagement.
Konkrete Politik zählt - unabhängig vom Glauben
"Wenn es die Kirchen nicht gebe, gebe es kaum eine Lobby für Flüchtlinge und Asylsuchende in Deutschland. Ich finde die Aufnahme von 5000 syrischen Flüchtlingen absolut peinlich wenig. Ich weiß, dass die Aufnahme nur nach langem Drängen vor allem der Kirchen auf die Regierungsfraktionen zustande kam. Fast wäre da gar nichts passiert", erklärt die Protestantin.
Besonders die Aushöhlung des deutschen Asylrechts seit den 1990er Jahren und die Abschottung der EU an ihren Außengrenzen durch die Polizeieinheit Frontex sei nicht hinnehmbar. Asylsuchende könnten praktisch nur noch über den Luftweg Deutschland erreichen. Die Bundesrepublik müsse sich aber im Sinne einer menschenfreundlicheren Politik stärker für Flüchtlinge öffnen."Frontex ist die Frage, die uns unsere Kinder und Enkel stellen werden. Ihr habt da die Menschen in großen Mengen umkommen lassen. Unser Hauptgegner ist die Partei mit dem C in ihrem Namen. Dieses Bekenntnis zu dem C besagt gar nichts", sagt Susanna Kahlefeld von den Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Das einzige was zählt, sei konkrete Politik, egal welchen Glauben die jeweiligen Politiker haben und welcher Kirche, Religionsgemeinschaft oder Bewegung sie sich zugehörig fühlen.