Der junge Mann mit dem langen Bart kippt vorsichtig den Inhalt eines Reagenzglases in eine Petrischale. Dann lacht er und reibt sich die Hände. Er befindet sich in irgendeinem Schurkenstaat, die Sonne brennt auf seine Laborutensilien, die in einem wilden Durcheinander im Hinterhof stehen. Wenige Zeit später bricht Panik aus: Tausende von Menschen leiden an einer mysteriösen Krankheit, hunderte sterben.
Dieses Szenario beschreibt eine tief sitzende Furcht von uns Menschen: Die Angst vor einem Anschlag mit biologischen Waffen. In Filmen und Medienberichten wird oft suggeriert, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Terroristen biologische Kampfstoffe einsetzen. Das Szenario des Garagenlabors ist jedoch wenig wahrscheinlich. Es ist unheimlich schwierig und erfordert viel Geld und Fachwissen, um wirksame biologische Waffen herzustellen.
Wie schwierig es ist, zeigt das Beispiel der japanischen Aum-Sekte, die es über Jahre hinweg versucht hat. Mitglieder der Sekte sind nach Afrika gereist, um sich Ebola-Viren zu besorgen. Doch das war nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt haben: Die Viren müssen fachgerecht transportiert werden, am Bestimmungsort muss man sie vermehren, damit sie großen Schaden anrichten. Bei der Aum-Sekte hat das alles nicht funktioniert. Daher experimentierten sie anschließend mit Milzbranderregern (Anthraxsporen). Doch sie erwischten den falschen Bakterienstamm. Insgesamt sollen sie über eine Milliarde Dollar in Experimente mit Biowaffen investiert haben. Ihren einzigen "Erfolg" jedoch erzielten sie dann mit chemischen Waffen und nicht mit Krankheitserregern: Bei ihrem Sarin-Anschlag im März 1995 auf die U-Bahn von Tokio starben 13 Menschen.
Weltweite Aufrüstung
Tatsächlich gab es bisher nur einen erfolgreichen Anschlag mit biologischen Stoffen: Die Anthrax-Anschläge in den USA im Jahr 2001. Selbst diese haben – trotz waffenfähigem Anthrax und professioneller Herstellung – im Verhältnis nicht viele Opfer gebracht. Und vor allem stammten sie nicht aus einem arabischen Hinterhof, sondern aus einem US-amerikanischen Hochsicherheitslabor. „Alle Länder haben in den letzten zehn Jahren ihre Forschungen im Bereich biologische Gefahren gesteigert – aber die USA liegt da ganz vorn. Vor den Anthrax-Anschlägen gab es nur zwei Hochsicherheitslabore der höchsten Schutzstufe, jetzt gibt es zehn“, sagt Iris Hunger, ehemalige Leiterin des Zentrums für Biowaffenforschung in Hamburg.
###mehr-artikel### Und auch Deutschland rüstet auf. Bisher gibt es im humanmedizinischen Bereich zwei Labore mit der höchsten Sicherheitsstufe S-4. Ihnen ist erlaubt, mit tödlichen Krankheitserregern zu experimentieren, gegen die es keinen Impfstoff gibt, zum Beispiel Ebola. Die Labore gehören zum Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg (seit 2009) und zum Institut für Virologie der Universität Marburg (seit 2007). Im nächsten Jahr soll das neue Gebäude des Berliner Robert-Koch-Institutes fertiggestellt werden, auch hier wird es ein Labor der höchsten Schutzstufe geben. Auch die Bundeswehr forscht an biologischen Kampfstoffen, in ihrem Institut für Mikrobiologie in München und dem Wehrwissenschaftlichen Institut in Munster. Ein Labor der höchsten Sicherheitsstufe hat die Bundeswehr jedoch noch nicht. Aber: "In ganz Europa gibt es heute mindestens doppelt so viele Hochsicherheitslabore wie vor den Anthrax-Anschlägen 2001", erklärt Hunger.
Forschung zu friedlichen Zwecken erlaubt
Die Biowaffenkonvention von 1971 verbietet die Entwicklung, Herstellung und Lagerung von biologischen Waffen und gebietet die Vernichtung solcher Waffen, 165 Staaten haben die Konvention unterzeichnet. Das Verbot bezieht sich auf den Zweck der Forschungen, nicht etwa auf bestimmte Erreger oder Techniken. Forschungen zu friedlichen Zwecken sind erlaubt, zu feindlichen Zwecken sind sie verboten. Doch die Grenzen verwischen leicht – oder sind erst gar nicht vorhanden. Hunger erklärt, warum: "Wenn Sie eine Methode erfinden, mit der man alle Hühner in einem Hühnerstall auf einmal impfen kann – mit Aerosolen, das heißt, der Impfstoff wird über die Luft abgegeben – dann haben Sie auch gleichzeitig eine Methode gefunden, mit der man Krankheitserreger als Biowaffe in der Luft verteilen kann." Für diese so genannte Dual-Use-Problematik eine Lösung zu finden, ist schwierig genug. Jedes Wissen über Krankheitserreger steigert auch das Wissen über den Einsatz dieses Krankheitserregers als Waffe. Aber nicht nur solche doppelt verwendbaren Forschungen können gefährlich sein, viel erschreckender ist, dass Forscher rund um den Erdball den anderen immer einen Schritt voraus sein wollen.
###mehr-links### "Wir wollen auf alles vorbereitet sein" – das ist das Argument für das Forschen an biologischen Kampfstoffen. Irgendjemand könnte ja einen Supervirus züchten und dann als Waffe verwenden, da sollte man vorher lieber wissen, wie man sich gegen den Supervirus schützt. Aber rechtfertigt das wirklich, den Supervirus dann zuerst zu züchten und ihn so überhaupt erst in die Welt zu setzen, wie erst vor kurzem in den Niederlanden? Jetzt müssen ihn Terroristen gar nicht mehr selbst herstellen – sie müssen ihn nur aus dem Labor holen. Was natürlich schwierig ist, weil enorme Sicherheitsbestimmungen gelten. "Aber je mehr Menschen in diesem Gebiet forschen, desto größer ist natürlich das statistische Risiko, dass sich unter ihnen ein Abtrünniger befindet, der sein Wissen missbrauchen will – oder sich bestechen lässt", erklärt Hunger. Ihrer Meinung nach wäre es sinnvoll, den Kreis der Menschen, die an biologischen Gefahren forschen, möglichst klein zu halten. Und für mehr Transparenz und Kontrolle zu sorgen. Denn welche Länder an welchen Erregern in welchem Umfang forschen, ist größtenteils geheim.
Und wenn es doch herauskommt, kann einem Angst und Bange werden. Das US-Militär beispielsweise hat eines der tödlichsten Viren der Welt wieder zum Leben erweckt: Die spanische Grippe. Sie forderte nach dem ersten Weltkrieg etwa 50 Millionen Tote. Inzwischen wäre sie ausgestorben – wenn nicht Forscher des US-amerikanischen Militärs Leichen in Spitzbergen ausgebuddelt hätten, um danach das Virus aus dem Gewebe der Verstorbenen zu isolieren. Im Jahr 2005 gelang es einem Forscherteam um Jeffery Taubenberger, das Virus der spanischen Grippe zu rekonstruieren. Seitdem liegt es in irgendwelchen Laboren, und keiner weiß, wie viele Erreger es sind. Eine unheimliche Vorstellung.