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"Trauern heißt Leine lassen, nicht loslassen"
Fachleute fordern mehr qualifizierte Begleitung von Menschen, die einen Angehörigen oder Freund verloren haben
Der Spruch "Herzliches Beileid!" ist aus der Mode gekommen, haben Trauer-Experten beobachtet. Der Umgang der Gesellschaft mit Leid und Tod ist verdruckst. Dabei brauchen Trauernde dringend Menschen, die ihnen zuhören, hat eine Studie ergeben.
31.08.2013
epd
Markus Geiler

Palliativmediziner und Hospiz-Experten fordern eine bessere  psychologische Unterstützung von Trauernden. "Trauerbegleitung ist Gesundheitsprävention", sagte Christine Stockstrom vom Bundesverband Trauerbegleitung am Mittwoch in Berlin. Betroffene müssten schnelleren Zugang zu entsprechenden Angeboten finden. Schnittstellen seien dabei häufig die Hausärzte, die dafür stärker als bisher sensibilisiert werden müssten.

Unterfüttert wird die Forderung von einer Studie der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Sozialwesen Ravensburg-Weingarten über die Auswirkungen von professioneller Trauerbegleitung. Befragt wurden 680 trauernde Menschen über ihre Erfahrungen und Belastungen nach dem Tod eines ihnen nahe stehenden Menschen und wie ihnen eine Trauerbegleitung da heraus geholfen hat. Ergänzend wurden 319 Trauerbegleiter zu ihrer Arbeit interviewt.

Geschlechterunterschiede bei der Trauer

"Trauerbegleitung mindert den Belastungsdruck", lautet das Resümee des Verfassers der Studie, Michael Wissert. Viele Betroffene konnten durch intensive Gespräche von Gesundheitsbelastungen oder von psychischen Symptomen nach einem Todesfall spürbar entlastet werden. Auch in der Alltagsbewältigung, im Umgang mit Gefühlen oder der Belastung durch Schuldgefühle konnte Trauerbegleitung wirksam helfen.

Als wichtigste Wirkfaktoren bei der Trauerbegleitung nannten die Betroffenen Zuhören, die Akzeptanz der Trauer, der Austausch mit anderen Trauernden oder Raum für Trauer. Zu oft gebe es in der Umgebung des Trauernden Unverständnis, wenn dessen Trauer nicht enden will, hat der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin Heiner Melching beobachtet. Deshalb müsse das Umfeld befähigt werden, damit umzugehen: "Trauern heißt Leine lassen, nicht Leine loslassen."

Je plötzlicher und tragischer die Todesumstände sind, umso wichtiger ist eine langanhaltende Trauerbegleitung, ist ein weiteres Fazit der Studie. Interessant sind nach Angaben des Sozialwissenschaftlers Wissert auch die Geschlechterunterschiede bei der Trauer. Danach sind Männer weniger durch einen Todesfall belastet gewesen als Frauen. 

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Zu oft werde Trauer von Ärzten noch als Depression behandelt, die mit Medikamenten eingedämmt werden kann, sagte Christine Stockstrom. Der Umgang mit Trauernden erfordere Zeit, die von den Kassen aber nicht vergütet wird. Auch die Gesellschaft müsse wieder damit umgehen lernen, dass Menschen leiden, betonte die Krankenhausseelsorgerin.

Nach Angaben der Studie sterben in Deutschland jährlich rund 830.000 Menschen, 2012 waren es laut Statistischen Bundesamt sogar 870.000. Von den Todesfällen seien durchschnittlich 2,5 Millionen Menschen betroffen, die mehr oder weniger trauern.