Herr Brahms, was spricht gegen eine Militärintervention in Syrien?
###mehr-personen### Brahms: Unter friedensethischen Gesichtspunkten auf dem Hintergrund unserer Denkschrift sind die Kriterien, die wir dort formuliert haben, alle nicht erfüllt - nämlich ein UN-Mandat, eine wirkliche gemeinsam festgestellte Situation des Völkermordes und ein Gesamtkonzept. Insofern sagen wir: Unter friedensethischen Gesichtspunkten kommt eine militärische Intervention unter diesen Voraussetzungen nicht in Frage. Das andere ist: Wir wissen noch nicht, wer wirklich die Chemiewaffen eingesetzt hat. Wir wissen nicht: Welche Gruppen würden von einem Militärschlag profitieren? Und es ist die Frage, ob nicht dadurch ein langfristiger politischer Prozess eher unterbrochen beziehungsweise gestört wird. Denn dass sich Russland und China bei einer Konferenz wieder an einen Tisch setzen würden, wenn dieser Militärschlag jetzt erfolgt, ist fraglich. Insofern verhindert es möglicherweise auch einen langfristigen politischen Prozess.
Dazu habe ich zwei Nachfragen. Wird sich Ihre Meinung in dem Moment ändern, wenn der Einsatz von Chemiewaffen bewiesen sein wird?
Brahms: Die eine Frage ist, ob man den Einsatz von Chemiewaffen überhaupt beweisen kann. Die nächste Frage ist, ob man beweisen kann, wer sie eingesetzt hat, und die dritte Frage ist: Ist dadurch völkerrechtlich eine neue Situation eingetreten? Es ist eine furchtbar schreckliche Tat, die wirklich zu verurteilen ist! Auf der anderen Seite muss man aber sagen: Völkerrechtlich ist keine vollkommen neue Situation eingetreten, denn Syrien hat meines Wissens den Vertrag nicht unterschrieben, und es bleibt die große Frage der Beweisbarkeit, von wem es ausgegangen ist. Ich glaube eher, dass sich Barack Obama mit der Zeichnung der "roten Linie" selbst gebunden hat und jetzt das Gesicht nicht verlieren will. Ob ein Militärschlag wirklich klug ist, das ist die große Frage. Auf den Beweis eines Einsatzes von Chemiewaffen kommt es letztendlich nicht an.
"Was wir tun können, ist in der Tat begrenzt. Aber die Frage ist doch: Hilft ein Militärschlag?"
In Ihrer gemeinsamen Stellungnahme mit Auslandsbischof Martin Schindehütte steht: "Solange eine Intervention nicht durch ein UN-Mandat gedeckt sei, werde ein einseitiges Vorgehen der Amerikaner und ihrer Verbündeten nicht zu einer Schwächung Assads führen." Den Zusammenhang zwischen UN-Mandat und der Schwächung Assads verstehen wir nicht ganz…
Brahms: Es geht letztlich darum, dass ein langfristiger politischer Prozess nur gelingen kann, wenn Russland und China und andere Staaten – auch die Nachbarn – mit involviert sind. Und ein UN-Mandat heißt ja: Das kann nur etwas Gemeinsames sein.
Meinen Sie: Wenn alle dahinter stehen, haben wir mehr Einfluss?
###mehr-artikel### Brahms: Dann haben wir erstmal überhaupt ein Mandat und die großen Mächte sind sich einig. Und dann gäbe es ja immer noch die Chance für einen politischen Prozess. Denn das ist die große Schwäche der Vergangenheit gewesen, dass es da nicht zu einer Bewegung gekommen ist, in der sich die Großmächte einig waren.
Im Kosovo 1999 griff die NATO ohne UN-Mandat ein, und Joschka Fischer sagte: "Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz." Wir können doch in Syrien nach dem Einsatz von Giftgas nicht nichts tun!
Brahms: Was wir tun können, ist in der Tat begrenzt. Aber die Frage ist doch: Hilft ein Militärschlag? Die Erfahrungen aus vielen anderen Interventionen sind ja nicht gerade so ermutigend, dass durch Militärschlage Lösungen herbeigeführt werden. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite können wir eine ganze Menge tun. Wir können an dieser Stelle ganz klar ein Zeichen setzen, indem wir den Nachbarstaaten helfen bei der Flüchtlingsproblematik, wir können selber für Flüchtlinge etwas tun in Deutschland. Wir können im Rahmen dessen, was möglich ist, Nothilfe leisten. Und was doch gelingen muss, ist, dass es eine politische Lösung gibt! Jetzt ist die Konferenz, die gerade vorbereitet wird, doch torpediert durch diesen einseitigen Einsatz, der da geplant wird. Das wird in meinen Augen die eigentliche langfristige politische Folge sein, und das bedaure ich sehr.
Was kann denn die evangelische Kirche, was können evangelische Christen im Moment tun?
###mehr-links### Brahms: Über den Auslandsbischof Martin Schindehütte gibt es ja Kontakte zu den Kirchen in Syrien, und die Diakonie Katastrophenhilfe arbeitet in Kooperation mit Kirchen vor Ort. Das ist nicht sehr viel Hilfe direkt in Syrien, aber es ist schon etwas, was wir beitragen können. Im Vordergrund steht natürlich die Nothilfe in den Flüchtlingslagern. Ansonsten, glaube ich, können wir als evangelische Kirche immer nur unsren Beitrag dazu leisten, dass im Dialog mit den politischen Kräften einerseits und den Religionen andererseits ein gewisses Verständnis füreinander wächst. Die konkreten Mittel in Syrien selbst sind sehr begrenzt. Was wir aber tun können: Wir können beten für die Menschen in Syrien und für einen Weg zum Frieden. Und darum bitte ich auch die Gemeinden hier bei uns.