Foto: Getty Images/Image Source/Thinkstock
Gutes Geld für gute Arbeit: Die Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn gehört zu den wichtigsten Themen des Bundestagswahlkampfes.
Bundestagswahl: Was die Parteien zum Mindestlohn sagen
Die Frage der Einkommensgerechtigkeit ist eines der wenigen Symbolthemen im eher drögen Bundestagswahlkampf. Rot-Grün fordert geschlossen einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde, die Linke sogar zehn Euro. Die schwarz-gelbe Koalition ist gegen eine Festlegung. Wie begründen die Parteien ihre jeweilige Haltung? Hier ein Überblick.

Soll es in Deutschland künftig einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro für alle Beschäftigten geben, oder bleibt es auch weiterhin Arbeitgebern und Arbeitnehmern überlassen, die Lohnuntergrenzen je nach Auftragslage und wirtschaftlicher Situation festzulegen - und damit gegebenfalls auch Löhne, die zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel sind? Über diese Frage wird seit Jahren erbittert gestritten.

###mehr-artikel###Hintergrund ist die Ausbreitung des Niedriglohnsektors in den vergangenen Jahren - mit Stundenlöhnen, die teils unter fünf Euro liegen. Dies bringt mit sich, dass immer mehr Vollzeitbeschäftigte von ihrem Verdienst nicht leben können und zusätzliche staatliche Hilfsleistungen in Anspruch nehmen müssen. Die Zahl der sogenannten Hartz-IV-Aufstocker liegt inzwischen bei rund 1,3 Millionen - Tendenz steigend. "Arm trotz Arbeit" wird immer mehr zum Normalfall.

CDU/CSU

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im TV-Duell am Sonntag die Haltung der Union zum Thema Mindestlohn noch einmal bekräftigt: CDU und CSU lehnen eine flächendeckende Lohnuntergrenze ab, setzen weiter auf die Tarifautonomie von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. "Eine Lohnfestsetzung durch die Politik lehnen wir ab", heißt es im Wahlprogramm der Schwesterparteien – obwohl es beim Mindestlohn nicht um eine Festsetzung, sondern um eine Untergrenze geht.

CDU und CSU setzen weiterhin auf die "gelebte Sozialpartnerschaft in den Betrieben und zwischen den Tarifparteien". Gleichwohl, so räumt die Union ein, sei es Sache der Politik, die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Beschäftigten die Chance auf einen "ordentlichen Lohn" haben. "Deshalb wollen wir für die Bereiche, in denen es keine Tarifverträge gibt, die Tarifpartner gesetzlich in die Pflicht nehmen. Sie sollen gemeinsam einen tariflichen Mindestlohn festlegen." Eine untere Grenze dafür nennen die Schwesterparteien allerdings nicht.

SPD

SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück vertrat im TV-Duell die Gegenposition: Die Sozialdemokraten wollen einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von mindestens 8,50 Euro einführen. "Über viele Jahre hat in unserem Land ein Lohnsenkungswettlauf stattgefunden", heißt es im SPD-Wahlprogramm. "Dies ist das Ergebnis des Irrglaubens, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit erhöht, wenn sich die Arbeitsbedingungen der Menschen verschlechtern."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (rechts) und SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück beim einzigen TV-Duell zwischen Amtsinhaberin und Herausforderer am Sonntag. Die 90-minütige Diskussion wurde parallel auf vier Fernsehkanälen gezeigt.

Der Arbeitsmarkt in Deutschland sei tief gespalten, begründet die größte Oppositionspartei ihr Vorhaben. Rund ein Viertel der Beschäftigten arbeiteten heute unter prekären Verhältnissen im Niedriglohnsektor. Zudem gebe es noch gravierende Lohnunterschiede zwischen Ost und West. Der Mindestlohn solle nach den SPD-Plänen durch eine vom Bundesarbeitsministerium eingesetzte Kommission jährlich angepasst werden. Die Partei verlangt zugleich eine Stärkung des Tarifvertragssystems und der Tarifbindung.

FDP

Die Liberalen dagegen halten einen Mindestlohn für einen "sozialpolitischen Bumerang": Jene Arbeitnehmer, die dadurch geschützt werden sollten, stünden am Ende ohne Arbeitsplatz und mit schlechteren Einstiegschancen da, heißt es prophetisch im FDP-Wahlprogramm. "Wer sich anstrengt, soll entsprechend seiner Leistung fair entlohnt werden, gerade auch am unteren Ende der Lohnskala." Eine pauschale Festsetzung werde der Arbeitsmarktlage sowie den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten im Land nicht gerecht.

###mehr-links###"Wir bekennen uns zur Tarifautonomie", so die Liberalen weiter. Bereits heute gebe es indes die Möglichkeit, in einzelnen Branchen Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären oder eine Lohnuntergrenze festzulegen. "Deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode für weit über zwei Millionen Beschäftigte die von Tarifparteien ausgehandelten Tarifverträge neu für allgemeinverbindlich erklärt und damit eine Lohnuntergrenze in der jeweiligen Branche gesetzt." Dieser Weg solle im Sinne der sozialen Marktwirtschaft weiter begangen werden. Die bestehenden Regelungen für Mindestlöhne sollten überarbeitet und besser aufeinander abgestimmt werden.

Bündnis 90/Die Grünen

Wie die FDP-Argumente in Sachen Mindestlohn jenen der Union ähneln, lesen sich die Vorstellung der Bündnisgrünen wie eine Blaupause der SPD-Forderungen. "Wir brauchen wieder soziale Leitplanken auf dem Arbeitsmarkt", heißt es im grünen Programm zur Bundestagswahl. "Darum streiten wir für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro." Die genaue Höhe soll jeweils von einer Kommission aus Vertretern der Tarifparteien sowie Fachleuten festgesetzt werden. Der Mindestlohn firmiert als eines der arbeitsmarktpolitischen "Schlüsselprojekte" der Partei.

Die ungleiche Einkommensverteilung sei in Deutschland deutlich angestiegen, so Bündnis 90/Die Grünen zur Begründung. "Wir wollen diesen Trend umkehren und auskömmliche Löhne wieder zum Regelfall machen." Um der Abwärtsspirale bei den Löhnen einen Riegel vorzuschieben, sei auch eine Stärkung des Tarifsystems notwendig. Zugleich müsse es leichter sein, "branchenspezifische Mindestlöhne und Branchentarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären". Durch den Kampf gegen Tarifflucht profitierten Beschäftigte und tariftreue Betriebe gleichermaßen.

Die Linke

"Der Kapitalismus", hat die Linkspartei im schönsten Marxistendeutsch in ihr Wahlprogramm geschrieben, "ist ein auf Profitmaximierung ausgerichtetes System, das aktuell immer mehr auf kurzfristige Gewinne an den Finanzmärkten setzt." Über die Forderungen von Rot-Grün geht die Partei noch hinaus: Sie verlangt nicht nur eine Mindestrente von 1.050 im Monat, sondern auch einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde. Nur so seien die Löhne "armutsfest", heißt es im Wahlprogramm. Ohne Mindestlohn könnten Unternehmen leichter Löhne drücken und Arbeitsbedingungen senken.

Gerade dieses Lohndumping müsse bekämpft werden, so die Linke. Durch den Mindestlohn, an den auch die Vergabe öffentlicher Aufträge gekoppelt werden solle, würden die Einkommen von fast acht Millionen Beschäftigten "direkt und spürbar steigen". Die Untergrenze müsse jährlich ansteigen, wobei "mindestens die Produktivitäts- und Preisentwicklung zu berücksichtigen" sei. Bis 2017 solle der gesetzliche Mindestlohn bei 60 Prozent des bundesweiten  Durchschnittslohnes ausgerichtet werden: "Das sind derzeit zwölf Euro."