Foto: dpa/Martin Schutt
Viele Akten lagen im Thüringer Landtag in Erfurt für den NSU-Untersuchungsausschuss bereit.
NSU-Untersuchungsausschuss fordert Umdenken in Behörden beim Rechtsextremismus
In anderthalb Jahren versuchte der NSU-Untersuchungsausschuss, die Ursachen für Ermittlungsfehler bei der schockierenden Mordserie zu finden. Am Ende steht auch dieses Fazit: Schuld waren nicht nur Strukturen, sondern auch Mentalitäten und Rassismus.

Seit Donnerstag kann jeder das Versagen der Behörden bei der Aufklärung der erschütternden Mordserie dreier Rechtsterroristen nachlesen. Auf 1.357 Seiten dokumentierte der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages Fehler und Ignoranz bei Polizei, Justiz und Verfassungsschutz, die dazu führten, dass nicht Rechtsextreme, sondern die Opferfamilien selbst und angebliche Mafia-Seilschaften verdächtigt wurden.

Ein "historisch beispielloses Desaster", bilanzierte der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) bei der Vorstellung des Abschlussberichts und machte zugleich klar: Um dies künftig zu verhindern, sind nicht nur Reformen, sondern ein Umdenken beim Thema Rechtsextremismus nötig.

Das Fazit des Ausschusses über die Ermittlungen bei den Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" um die in München vor Gericht stehende Beate Zschäpe ist vernichtend: Bisweilen habe es zwischen den Sicherheitsbehörden mehr Konkurrenz als Kooperation gegeben, sagte Edathy. Der CSU-Politiker Stephan Stracke, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses, sprach von einer "beschämenden Niederlage" der Sicherheitsbehörden.

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In mehr als anderthalb Jahren befragten die elf Mitglieder Zeugen, darunter viele der damals ermittelnden Beamten. Auf 47 Reformvorschläge einigten sie sich am Ende. In zentralen Fragen zur Zukunft des Verfassungsschutzes und den V-Leuten, den vom Staat bezahlten Szene-Insidern, blieben die Parteien aber uneins.

Parteiübergreifend erkannten die Ausschussmitglieder indes, dass das Nichterkennen rechtsextremer Tatmotive weit mehr als ein Kommunikationsproblem von Beamten in Landes- und Bundesbehörden war. Vielmehr sei Rechtsextremismus unterschätzt und von Anfang an gar nicht in diese Richtung ermittelt worden, heißt es im Bericht. Stattdessen verdächtigte man kriminelle Ausländerorganisationen. "Türken ermorden Türken - das scheint die Denkweise gewesen zu sein", bilanzierte Edathy.

Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) schilderte, wie dies in den Augen des Ausschusses künftig verhindert werden soll: Die Abgeordneten schlagen vor, bei Gewalttaten gegen Minderheiten ein rassistisches Motiv immer zu prüfen. Außerdem verlangt der Ausschuss ein Umdenken in der Polizei: Interkulturelle Kompetenz müsse Teil der Ausbildung sein, und mehr Migranten sollten für den Dienst gewonnen werden.

Keinen Beleg dafür, dass Sicherheitsbeamte Bescheid wussten

Immerhin fand der Ausschuss aber keinen Beleg dafür, dass Sicherheitsbeamte von den Taten und Tätern wussten und diese deckten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) äußerte sich darüber erleichtert. Gleichzeitig würdigte der Minister, dem oftmals eine Behinderung der Ausschussarbeit vorgeworfen wurde, die Tätigkeit der Abgeordneten als "wertvolle und wichtige Aufklärungsarbeit".

Den Anwälten der Opfer im Zschäpe-Prozess, die am Donnerstag zur Vorstellung ihrer Sicht auf den Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses einluden, geht das nicht weit genug. Sie werfen den Behörden institutionellen Rassismus vor und finden das im Bericht nicht klar genug benannt. "Der Fehler liegt im System", heißt es in ihrem Positionspapier, in dem sie tiefgreifendere Reformen als der NSU-Untersuchungsausschuss fordern.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, schlug die Schaffung eines Antirassismus-Beauftragten vor, der dem Bundestag jährlich einen Bericht vorlegt und "behördliche rassistische Fehlentwicklungen" erfasst. Reformen verlangten auch die Amadeu Antonio Stiftung, das Deutsche Institut für Menschenrechte und der Interkulturelle Rat.