Gay Pride Parade in Phuket, Thailand
Foto: Michael Lenz
Gay Pride Parade in Phuket, Thailand: Männer im Schmuck buddhistischer Tempeltänzerinnen reiten auf Elefanten, Thailands Wappentier. In Thailand wird ein Gesetzentwurf zur Einführung der Homoehe vorbereitet.
Homosexualität, Gott und die Welt
Mit Menschen- und Bürgerrechten ist es in dieser Welt so wie mit Reichtum: sie sind ungleich verteilt. Das wird besonders deutlich bei gesellschaftlichen Einstellungen gegenüber Schwulen und Lesben. In Südostasien zum Beispiel haben sie es vor allem da schwer, wo der Islam stark ist.

Kurz gesagt: in den westlichen Industriestaaten ist die Gleichstellung Homosexueller weit fortgeschritten. Immer mehr Länder führen Bürgerliche Partnerschaften oder gar die Homoehe ein. In den Entwicklungs- und Schwellenländern hingegen gehört noch sehr viel Mut dazu, sich als Schwuler oder Lesbe zu outen. Konservative Gesellschaften lehnen Menschen anderer sexueller Orientierungen als der heterosexuellen eher ab und in über 80 Ländern ist Homosexualität (meist 'nur' die männliche) gar noch immer kriminalisiert – oder wieder, wie neuerdings in Russland.

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Dieses Bild zeichnet die jüngst veröffentlichte Studie des Pew Research Center. Das US-amerikanische Meinungsforschungsinstitut hatte im Mai gut 38.000 Menschen in 39 Ländern zu ihrer Einstellung gegenüber Homosexuellen befragt. Als einen wesentlichen Faktor bei der Einstellung gegenüber Homosexualität macht Pew-Umfrage Religionen aus: "Die Umfrage zeigt, dass die Akzeptanz von Homosexualität in solchen Ländern weit verbreitet ist, in denen Religion eine weniger zentrale Rolle im Leben der Menschen spielt. Diese gehören gleichzeitig zu den reichsten Ländern der Welt. In den ärmeren Ländern mit höherem Religiösitätslevel hingegen sind nur wenige der Ansicht, dass Homosexualität von der Gesellschaft akzeptiert werden soll."

Am schlechtesten schneiden dabei die islamischen und streng christlichen afrikanischen Länder ab, die seit vielen Jahren wegen ihrer extremen Homophobie von der internationalen (westlichen) Gemeinschaft kritisiert werden. Mit anderen Worten: In Ländern, wo wenige reich und viele arm sind, wo Korruption grassiert, es an Schulen und Ausbildungsmöglichkeiten fehlt, wo ein Rechtsstaat nicht existiert, bieten Religionen Werte, Identität und Zuflucht. Gleichzeitig instrumentalisieren die Mächtigen Religionen gerne im Kampf um Einfluss und Pfründe.

Asien: Debatte mit und ohne Religion

In den Debatten in Asien über die Rechte von Homosexuellen gehen die Befürworter der schwul-lesbischen Emanzipation sehr unterschiedlich mit Religion um. In Thailand zum Beispiel bereitet eine Reihe von Abgeordneten einen Gesetzentwurf zur Einführung der Homoehe vor. Die prominente Gay-Rights-Aktivistin Anjana Suvarnananda warnt jedoch davor, buddhistische Mönche in die Debatten einzubeziehen. Das würde die Auseinandersetzung nur unnötig "verkomplizieren", sagte Anjana gegenüber der englischsprachigen Tageszeitung The Nation. Sie weiß nur zu gut, dass in Thailand hinter verschlossenen Türen vieles möglich ist, die konservative Gesellschaft aber abrupt ihr Dauerlächeln verliert, wenn diese Dinge öffentlich und gar politisch werden.

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Im mehrheitlich muslimischen Malaysia lehnen 80 Prozent der Menschen laut der Pew-Umfrage Homosexualität ab. Die Regierung diffamiert Oppositionsführer als "gay". Homosexualität ist im mehrheitlich muslimischen Malaysia illegal und kann mit Haft bis zu 20 Jahren bestraft werden. Islamische Organisationen haben in den vergangenen Jahren den Druck auf homosexuelle Malaysier verschärft. Homosexuelle Jugendliche können in "Umerziehungslager" eingewiesen werden, gegen Lesben erließen islamische Kleriker eine Fatwa und malaiische Muslime, die sich im Internet als homosexuell outen, erhalten Morddrohungen. Das Verbot eines Homosexuellenfestivals im vergangen Jahr in Kuala Lumpur begründete ein Polizeisprecher mit dem "Schutz der Religionsfreiheit".

Indonesien: Ein Richter entschuldigt sich

Im überwiegend muslimischen Indonesien – wo 93 Prozent der Bevölkerung Homosexualität ablehnen – fährt der kühne muslimische Schwulenaktivist Hartoyo den umgekehrten Ansatz: er spricht offen über Homosexualität und Islam, obwohl der Muslim am eigenen Leib erfahren hat, welche Gefahr das mit sich bringen kann. 2007 wurden der heute 37-jährige und sein Lebenspartner in Aceh, der islamischsten Provinz Indonesiens, wegen ihrer Homosexualität von der Polizei verfolgt und gefoltert. Hartoyo hat in diesem Jahr in einem offenen Brief an den neuen Verfassungsrichter Arief Hidayat appelliert, Homosexuelle unbehelligt ihr Leben leben zu lassen. Hidayat hatte das Argument vorgebracht, Homosexualität und Homoehe seien nichts als Auswüchse der dekadenten "westliche Kultur".

In ergreifender Klarheit schreibt der inzwischen in Jakarta lebende Hartoyo: "Lieber Arief Hidayat, ich war niemals in westlichen Ländern, aber ich habe mich in Männer verliebt lange bevor ich verstand, was Indonesien und der Islam sind. Ich war homosexuell bevor ich wusste, dass Homosexualität in vielen Religionen als Sünde betrachtet wird.... Ich möchte daran erinnern, dass Homosexualität in diesem Teil der Welt - lange bevor Indonesien eine Nation wurde - existierte."  Nach seiner Wahl zum Richter entschuldigte sich Arief Hidayat gegenüber der "Gay Community" für seine schwulen- und lesbenfeindlichen Ausführungen während der parlamentarischen Anhörung der Bewerber für den Richterposten und versprach hoch und heilig: "Ich werde Gott um Vergebung bitten."

Das andere Weltende: Brasilien und USA

Das andere Extrem sind zwei erzkatholische Länder. In Brasilien sind die Menschen mehrheitlich tolerant, vor allen in der Gruppe der bis 50-Jährigen. Das gilt auch für die Philippinen. Obwohl im größten katholischen Land Asiens die Worte von Papst und Bischöfen noch Gewicht haben, akzeptieren über 70 Prozent der Filipinos Schwule und Lesben. Eine ähnlich hohe Zustimmungsrate erfährt laut Umfragen auf den Philippinen übrigens auch das Gesetz über reproduktive Gesundheit, das Verhütungsmittel und Sexualaufklärung legalisiert. Trotz einer massiven Kampagne der Bischöfe hatten vor einem dreiviertel Jahr beide Häuser des Parlaments das Gesetz mit großer Mehrheit beschlossen. Die Macht der Kirche zeigt auch in dem südostasiatischen Inselstaat erste Risse.

Risse werden auch in der bislang extrem homophoben Gruppe der evangelikalen Christen in den USA sichtbar. Die seit Präsident Ronald Reagan von den Republikanern hofierte selbsternannte Moralische Mehrheit war lange Zeit die – in Teilen gar gewaltbereite – Speerspitze im Kampf für "amerikanische Familienwerte" und gegen Homosexuelle. Jetzt aber wenden sich zunehmend mehr Evangelikale von der dumpfen Homophobie ab, wie eine ebenfalls kürzlich veröffentlichte Untersuchung von Wissenschaftlern der Baylor Universität zeigt. Demnach sind 24 Prozent der Evangelikalen in der Homosexualitätsfrage "ambivalent". Das heißt: Sie sind gegen Diskriminierung, auch wenn sie Homosexualität moralisch immer noch verwerflich finden. "Wir erleben, dass immer mehr Leute öffentlich sagen 'Ich als Evangelikaler will nicht Teil dieser Bewegung gegen die Gleichberechtigung von Gays sein'", erläutert Lydia Bean, Ko-Autorin der Studie, die neue Entwicklung.