Foto: epd-bild/Jens Schulze
Ist denn der Weihnachtsmann schon da? Schokonikoläuse stehen zwar erst ab Ende Oktober im Supermarkt, aber die ersten Weihnachtsboten gibt es jetzt schon: Spekulatius, Lebkuchen, Stollen und Dominosteine.
Endlich wieder Weihnachten - jetzt schon?
Der August war noch nicht ganz vergangen, da packen die ersten Supermärkte den Spekulatius aus. Lebkuchen, Dominosteine und Christstollen sollen die Wartezeit versüßen. Während die einen schimpfen und fliehen, gibt es auch glückliche Gesichter ob der lang entbehrten Leckereien.
24.09.2012
evangelisch.de
Jana Hofmann

Fast könnte man die kleine Ecke mit Lebkuchen, Spekulatius und Zimtsternen übersehen. Und doch muss jeder Kunde in dem Frankfurter Supermarkt an den ersten Weihnachtsplätzchen vorbei, denn sie sind auf dem Weg zur Kasse platziert. So werfen sie immer wieder lange, überraschte, teils sehnsüchtige Blicke auf das Naschwerk. Die meisten gehen einfach weiter, doch manche können den weihnachtlichen Verlockungen nicht widerstehen.

Mit langen Schritten will die zierliche Frau mit den kurzen, verwuschelten schwarzen Haaren an den Weihnachtsleckereien vorbei gehen. Dann stockt Christa, als sie genauer hinschaut. Zögernd tritt sie näher, greift nach Schokolebkuchen in Herzform und betrachtet ihn skeptisch. "Eigentlich wollte ich nur kurz Milch holen und dann schnell weiter", sagt sie und lächelt zerknirscht. "Doch dann bin ich irgendwie doch hier hängen geblieben." Es sei ja noch viel zu früh für Lebkuchen. "Die Sonne scheint, da schmilzt er doch!", erklärt Christa entschlossen und lässt ihre Packung knisternd wieder ins Regal fallen. Sie schüttelt den Kopf – nein, heute wird sie noch keinen Lebkuchen kaufen! – und geht weiter in Richtung Kasse.

Alles ausgereizt: Früher wird es kein Gebäck geben

Torsten Scherer leitet eine tegut-Filiale in Frankfurt. Bei ihm im Supermarkt gibt es auch schon Weihnachtsgebäck. Foto: Jana Hofmann

Seit Anfang September steht das erste Weihnachtsgebäck im Supermarkt. Manche Läden, vor allem Discounter, fangen sogar eine Woche früher an, um sicher zu gehen, dass sie für die erste Zeit konkurrenzlos sind. Torsten Scherer arbeitet seit 25 Jahren bei der Lebensmittelkette tegut und hat beobachtet, wie die "Adventszeit" über die Jahre immer weiter vorgezogen wurde. Jetzt sei alles ausgereizt: "Viel früher kann der Lebkuchen nicht mehr kommen – bei 27 Grad kauft das doch keiner!", sagt der Filialgeschäftsführer. Bei ihm im Supermarkt stünden bis jetzt nur Stollen, Lebkuchen, Spekulatius und Dominosteine. Alles sei nach den verschiedenen Gebäckarten sortiert. "So hat der Kunde alles auf einen Blick: Den teuren Lebkuchen, den fair gehandelten und die günstigere Hausmarke", erklärt Torsten Scherer sein Prinzip.

Für Torsten Scherer ist das "ganz klar eine Sache, bei der es um Weihnachten geht". Andrea Rehnert, Pressesprecherin bei tegut, widerspricht ihm und stellt klar: "Das ist ganz normales Herbstgebäck wie es auch zum Beispiel beim Oktoberfest und vergleichbaren Festen angeboten wird." In der dunkleren Jahreszeit steige das Interesse daran.

Vor dem frühen Weihnachtsbeginn flüchten

Etwas ziellos schlendert eine junge Mutter mit ihrem fünfjährigen Sohn durch die Regale. Im Supermarkt ist es an diesem Nachmittag nicht so voll und die beiden haben Zeit. Doch dann sieht Renate den Bereich mit Lebkuchen und dem anderen Gebäck. Entsetzt bleibt sie stehen: "Es gibt schon Weihnachtssachen! Hilfe! Schnell weg!", raunt Renate ihrem Sohn Marius zu. Mit einer abrupten Bewegung dreht sie den Einkaufswagen um und schiebt ihn in die entgegengesetzte Richtung weiter. Marius grinst zu seiner Mutter hoch – für ihn ist das alles ein Scherz. Doch Renate ist es ernst: Weihnachten sei jetzt noch nicht. "Es ist ja noch Sommer", erklärt sie und blickt an sich hinunter: T-Shirt, Capri-Hose, Sandalen.

Ganz anders sieht das Antje. Die 41-Jährige hat das Weihnachtsgebäck ganz gezielt angesteuert. "Ich warte das ganze Jahr darauf! Wenn es dann endlich da ist, dann kaufe ich das – so lange es noch frisch ist!" Für ein paar Wochen stopfe sie einfach alles in sich hinein. Und dann sei damit Schluss: "Erst an Weihnachten esse ich dann wieder was." Ganz genau und kritisch beäugt Antje das Angebot, geht Regal für Regal ab. "Eigentlich suche ich ja Aachener Printen. Die esse ich am liebsten." Aber die haben sie noch nicht. "Nein, ich kaufe jetzt noch nichts", sagt sie bedächtig. "Erst wenn es meine Printen gibt - und die muss ich dann auch sofort haben!"

Den Kindern nicht das Fest verderben

Diese Reaktionen kennt Filialgeschäftsführer Torsten Scherer von tegut sehr gut. Die Mehrheit freue sich so wie Antje. "Dann höre ich 'Ach, das gibt's jetzt wieder? Wie schön!'" Dementsprechend laufe das Geschäft mit dem Weihnachtsgebäck zu Beginn sehr gut. Dann flache die Nachfrage ab. "Erst kurz vor Weihnachten wird es dann wieder mehr", sagt Torsten Scherer. Aber er bekomme auch hin und wieder Beschwerden. "Die Hauptkritik ist ja, dass wir den Kindern die Weihnachtszeit verderben." Mittlerweile sei man ja bei einem Vierteljahr verlängerter Advent. Zögernd gibt er zu, dass diese Kritik nicht ganz unberechtigt ist: "Die Freude auf das Weihnachtsfest könnte vielleicht ein bisschen dahin sein, wenn man schon so früh Weihnachtsgebäck kaufen kann."

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Für die Kinder in ihrer Nachbarschaft kauft Inge, 78, erst ab Nikolaus Weihnachtsnaschwerk. "Das ist mir jetzt noch zu früh", sagt sie. Ihr Blick wandert dennoch suchend durch das Regal. "Eigentlich darf ich ja gar nicht so viel essen", fügt sie hinzu und streicht über ihren Bauch. Aber dann hat Inge etwas Leckeres entdeckt: Baumkuchen. "Das ist ja neu!", ruft sie. "Ach nee, draußen scheint die Sonne - das geht doch jetzt noch nicht!", sagt sie und lässt die Tüte wieder fallen. Sie suche ja eigentlich nur eine Kleinigkeit für eine Freundin, die im Krankenhaus liegt. Doch jetzt hat Inge sich umentschieden: "Da nehme ich lieber etwas Neutraleres!" Mit eiligen Schritten lässt sie das Weihnachtsgebäck hinter sich. Doch als sie wenig später an der Kasse steht, wirft sie noch einen letzten sehnsüchtigen Blick zurück auf die mit Schokolade überzogenen Lebkuchen - ihr Lieblingsgebäck. Aber bald ist ja Weihachten.

In den knapp zwei Stunden im Supermarkt mag keiner so richtig Weihnachtsleckereien kaufen. Alle schauen genau hin, überlegen - aber am Ende lassen sie das Gebäck liegen. Nur Friedhelm, 72, legt Stollen in sein Einkaufskörbchen, nachdem er länger gesucht hat. Er musste suchen. "Ich bin Diabetiker und brauche Stollen ohne Rosinen", sagt er. Seine Frau bekommt einen mit Rosinen. "Ich freue mich schon auf das Kaffeetrinken - endlich gibt es wieder Stollen!" Zufrieden schlendert er weiter. Für ihn beginnt Weihnachten schon jetzt.