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Große Schränke und viel Platz: eine Küche von 1958.
Design und Geschlecht: Klein und rund oder groß und kantig?
Wie hängen Rollenbilder und Möbeldesign zusammen? Ein Gespräch mit Designprofessorin Uta Brandes über "emanzipatorische" Einrichtung, Saftpressen und Küchen für 80.000 Euro.

Ich bin bei neuen Freunden zum Essen eingeladen. Kann ich an der Küche erkennen, wer mehr kocht: die Frau oder der Mann?

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Uta Brandes: Vor dem Essen nicht, nachher schon. Wenn die Küche aussieht wie ein Schlachtfeld, dann können Sie ziemlich sicher sein: Da hat ein Mann gekocht.

Sie beschäftigen sich mit Design und Gender, was haben die beiden miteinander zu tun?

Brandes: Auch beim Design gibt es geschlechtsspezifische Wahrnehmungen und Vorlieben. Und es gibt auch genderspezifische Motive, warum man etwas kauft. Das muss man ins Bewusstsein bringen und entsprechend untersuchen. Man kann nicht neutral gestalten,

Reden wir über die Küche: Frauen arbeiten, Männer nehmen Elternzeit, Rollenbilder verändern sich – hat so etwas Auswirkungen auf die Gestaltung der Küche?

Brandes: Gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen die Gestaltung der Küche schon. Allerdings nicht immer auf die beabsichtigte Weise. In den 1920er Jahren beispielsweise wurden Frauen erwerbstätig und es hieß, jetzt bräuchten sie eine andere Küche, eine "emanzipatorische Küche" – wie die Frankfurter Küche von der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky. Also wurde die Küche  ganz klein, damit die Frau nicht so viel hin und her laufen musste. Man maß richtig die Schritte ab. Das Problem war nur, dass diese Küche überhaupt nicht emanzipatorisch wirkte, im Gegenteil. Sie war jetzt so klein, dass auch nur noch eine Person darin Platz hatte und alles allein machen musste – und diese Person war natürlich weiterhin die Frau.

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Wird die Küche auch heute noch an Rollenbilder angepasst?

Brandes: Heute ist es in erster Linie eine Frage des Geldes. Wie groß kann sie sein? Die meisten haben nicht die Möglichkeit, alles neu einzurichten. Die Küche wird also pragmatisch so übernommen, wie sie in der Wohnung vorhanden ist bzw. es werden nur einige Dinge dazu gekauft.  Außerdem hat sich der Lebensstil verändert: Viele Familien essen nicht mehr zusammen, alles Essen ist "to go". Die Küche wird eher vernachlässigt als gestaltet, sie ist nicht mehr der Mittelpunkt des Hauses.

Früher sollte die Küchen Wohlfühloase sein, jetzt ist es das Bad

Können Sie das genauer erklären?

Brandes: In den 90er Jahren sollte die Küche eine Wohlfühloase sein. Man baute zum Beispiel Theken in die Mitte des Raums ein, sofern der Platz vorhanden war. Heute ist eher das Badezimmer zum Wohlfühlen da. Da lasse ich es mir gut gehen. Dafür gibt es Wellness-Duschen mit Licht und allem Drumherum. Daran sehen Sie aber, wie individualistisch unsere Zeit ist: Im Bad ist man fast immer allein. Dorthin lädt man ja keine Freunde ein.

Gibt es trotzdem Küchen, die nur für Männer gestaltet sind?

Brandes: Es gibt Küchen für den erfolgreichen Manager, der alleine lebt, alle drei Monate einmal für seine Freunde kocht und damit angibt. So eine Küche kann gut 80.000 Euro kosten. Aber das ist natürlich die Ausnahme.

Küchenschublade oder Werkzeugkasten?
Männer wollen in der Küche viel Technik haben – stimmt das?

Brandes: Ja, das ist so. Man kann sagen: Wenn Männer schon in der Küche sind, soll es sich eher so anfühlen wie in einer Werkstatt.

Ist das eine neue Entwicklung? Wenn man sich Werbung aus den 50er Jahren anschaut, wird dort auch mit möglichst viel Technik in der Küche geworben – aber für Frauen.

Brandes: Das war ein Trend, der nach dem Zweiten Weltkrieg aus den USA nach Deutschland schwappte. Damals war in den USA der ganze Haushalt schon viel technisierter. Allgemein ist es aber so, dass Frauen weniger Maschinen benutzen. Sie sind pragmatischer. Mein Lieblingsbeispiel ist meine eigene Saftpresse, sie besteht aus 15 Einzelteilen. Ich überlege mir zweimal, ob ich sie benutze und dann alle Teile spüle oder ob ich lieber auf den frisch gepressten Apfelsaft verzichte.

Es gibt inzwischen viele Gegenstände in einer Frauen- und einer Männerversion: Ist das ein Marketingtrick?

Brandes: Da vermischen sich Marketing und Design, aber Dinge für Frauen klein und rund zu machen und für Männer kantig und groß – das ist etwas, das ich ablehne. Darum geht es mir gerade nicht.

Sprechen Frauen auf ein bestimmtes Design an, oder legen Designer mit ihren Entwürfen Frauen auf bestimmte Formen fest?

Brandes: Das ist ein Henne und Ei-Problem, man kann nicht sagen, was zuerst da war, gesellschaftlich greift es ineinander. Einerseits verhalten wir uns entsprechend unseres Geschlecht im Alltag, andererseits werden uns aber auch genderstereotype Angebote gemacht.

Die Saftpresse ist umständlich, laut und wurde von einem Mann entworfen

Sie sagen, man kann oft erkennen, ob ein Gegenstand von einem Mann oder einer Frau entworfen wurde. Können Sie das am Beispiel eines Küchengeräts erklären?

Brandes: Ich nenne noch mal die Saftpresse. Das Design wurde von einem Mann entworfen und es ist nicht nur umständlich, sie wieder sauber zu machen, sie macht auch ein Geräusch wie ein Turboauto. Solche Küchengeräte werden typischerweise von Männern gestaltet.

Ist es für Männer leichter, Geräte zu benutzen, die für Frauen entworfen wurden oder andersherum?

Brandes: Generell sind natürlich komplexe Geräte schwieriger zu handhaben. Mit einem schlichten Holzlöffel kann man nichts falsch machen. Mit einer Saftpresse schon. Es hat aber auch etwas mit Routine zu tun, wem welche Erfahrungen vermittelt wurden. Wir können dem Einfluss gesellschaftlicher Geschlechterrollen nicht entrinnen, aber wir können versuchen, sie bewusst und kritisch zu überdenken.  Ich denke, für alle wäre es besser, wenn die meisten Objekte in der Küche selbsterklärend und einfach wären. Weniger Teile abwaschen zu müssen,  ist für beide Geschlechter besser.

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In der gemeinsamen Wohnung wird die Küche oft von Frauen eingerichtet. Sind Sie somit selber schuld, wenn der Mann sich dort nicht wohlfühlt und nicht kocht?

Brandes: Naja, in jeder Wohnung ist die Grundausstattung der Küche normalerweise schon vorhanden. Viel problematischer ist es, wenn der Mann etwas anders macht als die Frau und sie ihn dann verbessert oder es lieber gleich selber macht. Dann kann man sich natürlich nicht beschweren, dass Männer die Küche nicht als ihr Terrain ansehen.

Wie müsste eine gendersensible Küche aussehen, also eine Küche aussehen, in der beide Partner gern sein wollen?

Brandes: Es muss einen großen Raum geben, damit beide oder mehrere darin arbeiten können. Es wäre immer gut, wenn in der Mitte ein Tisch steht, so dass Freunde dort sitzen können, wenn man Besuch hat. Ich würde die Menge von Hightech-Geräte reduzieren. Ich will nicht selbstverständlich nicht ins 18. Jahrhundert zurück, aber es gibt so viele Maschinen, die man nicht braucht – oder höchstens einmal im Jahr. Fragen Sie mal Menschen, die z. B. eine Eismaschine haben. Die verstaubt in der hintersten Schrankecke. Es geht doch um das kommunikative und genussvolle  Zubereiten der Nahrung.