Besonders bei jüdischen Forschern findet sich die These, Jesus müsse verheiratet gewesen sein. Grund: Jesus tritt in den Evangelien erst im Alter von 30 Jahren auf und die Juden seiner Zeit hätten traditionell sehr früh geheiratet. Zudem erwarte man von einem "Rabbi", dass er eine Frau und Kinder haben muss. Für viele Christen ist dies undenkbar: Ein verheirateter Jesus etwa würde das Pflichtzölibat für römisch-katholische Priester ad absurdum führen.
Ein jetzt aufgetauchter Papyrus-Schnipsel aus dem vierten Jahrhundert nach Christus "mag als Text wahnsinnig interessant sein, aber für die Frage nach dem historischen Jesus gibt er absolut nichts her", sagte Peter Pilhofer, Professor für Neues Testament an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Das koptische Papyrus wurde der Öffentlichkeit am 18. September 2012 in Rom präsentiert. Foto: dpa/Hb
Auf dem Dokument stehe in koptischer Sprache: "Jesus sagte zu Ihnen: 'Meine Frau'", wie die Zeitung "New York Times" berichtete. Das verblasste Papyrus-Fragment sei etwas kleiner als eine Visitenkarte und enthalte acht Zeilen auf jeder Seite. Der Fund wurde den Angaben zufolge von der US-Wissenschaftlerin Karen King am Dienstag in Rom der Öffentlichkeit auf einem internationalen Kongress für koptische Studien vorgestellt.
Philippusevangelium: "Er küsste sie oftmals auf den Mund"
Pilhofer erklärte dazu, wenn der Text irgendeinen historischen Wert haben soll, müsse er auf eine Vorlage zurückgehen, die Altgriechisch ist, weil die erste christliche Generation nicht koptisch gesprochen hat. Dass Frauen im Umkreis Jesu unterwegs waren, ist zudem "historisch völlig unstrittig", fügte Pilhofer hinzu. Es habe geradezu einen "Fanclub von Frauen" im Unterstützer- und Anhängerkreis von Jesus gegeben. Pilhofer: "Da brauchen wir keinen neuen koptischen Papyrus."
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Das sei auch das, was Jesus von einem normalen Rabbi unterscheidet, erklärte Pilhofer weiter: "Ein Rabbi hat nach der jüdischen Tradition nur männliche Schüler." Dies sei spezifisch für Jesus und "historisch sicher, soweit es überhaupt sicher sein kann", sagte der Wissenschaftler. Historisch gesichert sei auch das "a-familäre Ethos" Jesu. Er habe von Familie nicht viel gehalten und sich auf schärfste von seiner Mutter, seinen Brüdern und seinen Schwestern distanziert, wie es auch im Markus-Evangelium überliefert ist.
Pilhofer: "Jesus hat alle Familienbande gelöst, deswegen ist es absolut unwahrscheinlich, dass er verheiratet war." Zwar werde Maria Magdalena immer wieder in der Literatur mit Jesus in Verbindung gebracht, "aber nicht in einer exklusiven Verbindung wie in einer Ehe oder einer Liebesbeziehung". Diesbezüglich gebe es zudem eindeutigere Texte, wie etwa im Philippusevangelium, einer nicht zur Bibel gehörenden Spruchsammlung. Dort steht: "Der Heiland liebte Maria Magdalena mehr als alle Jünger und er küsste sie oftmals auf den Mund."
Jesus' Scheidungsbrief
"Jesus war wohl mit ziemlicher Sicherheit ledig", konstatiert auch die jüdische Schriftstellerin Salcia Landmann (1911-2002). Unter vielen Argumenten führt sie an: Eheloses Leben sei bei fast allen endzeitlich ausgerichteten Sektierern "fast die Norm. Man braucht nur an Johannes den Täufer zu denken". Jesus sei auch kein normaler Rabbi, sondern ein "freischaffender" Wanderprediger gewesen.
Landmann: "Oder soll man annehmen, Jesus habe zwar eine Frau gehabt, ihr aber den Scheidungsbrief gegeben?" Doch Jesus spreche so negativ von der Scheidung, dass auch dies nicht anzunehmen ist.