Ohan Akdag vor der abgebrannten Kirche in Garbsen
Foto: epd/Jens Schulze
Ohan Akdag von der türkischen Gemeinde Garbsen befestigt ein Solidaritätsschild am Bauzaun vor der abgebrannten Kirche.
"Wir alle sind Garbsen"
Rund drei Wochen nach dem Kirchenbrand engagieren sich Jung und Alt für ein friedliches Zusammenleben
Nachdem Unbekannte Feuer gelegt hatten, brannte die evangelische Willehadi-Kirche in Garbsen bei Hannover komplett aus. Der Stadtteil "Auf der Horst" gilt als sozialer Brennpunkt. Viele Bewohner kämpfen jetzt für ihre Gemeinschaft.
22.08.2013
epd
Charlotte Morgenthal

Im Kiosk von Abdullah Sengül steht zwischen Süßigkeiten und russischen und türkischen Zeitungen eine Spendenbox. "Für Willehadi" steht darauf. Nur wenige Meter ist der Laden mit kleinem Café von der evangelischen Willehadi-Kirche entfernt, die vor rund drei Wochen niederbrannte. "Das ist doch wie eine Moschee auch ein Gotteshaus", begründet der Muslim seine Unterstützung. "Wir alle sind Garbsen."

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Von der 1969 erbauten Kirche ist nach dem Brand nur noch eine Ruine geblieben. Anwohner haben den Bauzaun mit bunten Bändern verziert, um ihre Solidarität zu bekunden. Dahinter dröhnen die Bagger einer Abrissfirma, die die verbrannten Reste aus dem ehemaligen Kirchenraum holen. Vor drei Wochen hatten dort bisher unbekannte Täter Bauschutt des gerade abgerissenen Gemeindehauses angezündet, die Flammen griffen auf die Kirche über.

In dem Stadtteil "Auf der Horst", der als sozialer Brennpunkt gilt, haben in diesem Jahr bereits mehr als 30 Papiercontainer oder Hecken gebrannt. Während die Polizei noch wegen vorsätzlicher Brandstiftung der Willehadi-Kirche ermittelt, mutmaßen vor allem rechtsextreme Gruppierungen, dass ausländische Jugendliche für den Brand verantwortlich sein könnten.

Landesbischof Meister warnt vor Vorurteilen

Orhan Akdag vom örtlichen Moscheeverein steht am Bauzaun, an dem jemand ein Schild "Garbsen ist multikulti" befestigt hat. Nur wenige Tage nach dem Brand hat Akdag gemeinsam mit 300 Menschen hier eine Mahnwache abgehalten. Dass die Brandstiftung einen religiösen Hintergrund hat, bezweifelt der 57-Jährige, der auch Mitglied im Stadtrat ist.

Auch Kirchengemeindemitglied Helmut Pohl glaubt nicht, dass die Täter die Kirche absichtlich treffen wollten. Jeden Tag stapft er mit Gummistiefeln durch den schwarzen Schlamm, redet mit Versicherungen und Restauratoren. "Wütend macht mich der Gedanke an den Leichtsinn der Tat", sagt der 77-Jährige. Vom Kircheninneren blieb nur eine bronzene Christusfigur übrig. "Wir sind zwar eine Gemeinde ohne alles, aber wir haben den Mut zum Wiederaufbau."

Auch der evangelische Landesbischof Ralf Meister warnt vor einer Vorverurteilung der Täter. Er sei erschrocken über die "öffentliche vorurteilsbehaftete Zuordnung von Schuld und Täterschaft", sagt er.

"Kirche anzünden geht gar nicht"

Die meisten Jugendlichen sind über die pauschalen Schuldzuweisungen ebenfalls verärgert. Rund 20 kommen jeden Nachmittag ins benachbarte Freizeitheim, nutzen die kostenlose Hausaufgabenhilfe, spielen Kicker oder proben lautstark im Bandraum. "Kirche anzünden geht gar nicht" sei die häufigste Reaktion gewesen, sagt eine Erzieherin. Es gebe zwar eine Gruppe, die Probleme bereite, aber von ihr dürfe nicht auf die anderen 5.000 Jugendlichen geschlossen werden.

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Der 17-jährige Nam kommt regelmäßig, um mit seiner Band zu proben. Er kann nicht verstehen, dass plötzlich eine Kirche brennt. Die 16-jährige Rüken nutzt den PC im Nebenraum, um Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz zu schreiben. Sie hat die Flammen selbst gesehen und ist immer noch schockiert - "Aber Angst habe ich nicht."  

Für die Jugendlichen, die selbst den Anschluss ans Freizeitheim verloren haben, will Bürgermeister Alexander Heuer (SPD) künftig mehr Angebote schaffen. Drei neue Streetworker will die Stadt einstellen. Nach dem Brand hat Heuer zudem ein "Bündnis für ein friedliches Miteinander" ins Leben gerufen. Bis zu 2.000 Schüler wollen an diesem Freitag mit einem Sternmarsch ein deutliches Zeichen für die verunsicherten Anwohner setzen.

Ratsmitglied Orhan Akdag will vor allem verhindern, dass sich ein religiöser Konflikt entwickelt. Er plant gemeinsam mit der Kirchengemeinde, Schilder mit Zitaten aus Bibel und Koran am Bauzaun zu befestigen. "Die Sätze sollen zeigen, dass beide Religionen Gewalt ablehnen."