Foto: George Popescu
Zum Festtag des Schutzheiligen Dimitrie Basarabov gibt es in Bukarest prunkvolle Feierlichkeiten. Im Mittelpunkt steht ein besonderer Gottesdienst in der Kathedrale des Patriarchats.
Orthodoxie in Rumänien: Gläubigenschwund? Fehlanzeige!
Trotz Wirtschaftskrise geht es der Mehrheitskirche besser denn je.
Wegen der Wirtschaftskrise kürzt die rumänische Regierung Löhne und Sozialleistungen, Krankenhäuser und Schulen werden geschlossen. Gelder für neue Kirchen aber gibt es immer: Insbesondere dann, wenn sich die Wahlen nähern. Seit der Wende traut sich keine Regierung, die orthodoxen Bischöfe zu verstimmen. Doch die Kritik an den Machenschaften wird lauter.

Im Morgengrauen bilden die Pilger eine Schlange auf dem Platz vor der weißen Kathedrale. Menschen aus allen Ecken des Landes sind in die Hauptstadt angereist, sie warten ruhig in der frischen Herbstluft. "Der Heilige wird uns das ganze Jahr über segnen", erhofft sich Florica Badea, die über 400 Kilometer zurückgelegt hat, um an dem jährlichen Festtag von Dimitrie Basarabov, dem Schutzheiligen Bukarests, teilnehmen zu können. Wie die 67-jährige Frau aus einem Dorf in der Bukowina saßen manche Angereiste den ganzen Vortag im Zug und stellten sich bereits am Abend an. Viele beten jetzt mit leiser Stimme, Büchlein oder Gebetsschnur in der Hand.

Die Gendarmen haben, wie man es von Demonstrationen kennt, einen Zaun mitten auf der Straße aufgebaut und achten darauf, dass es nicht zu heftigem Gedrängel kommt. Kurz nach Sonnenaufgang treten Messdiener aufs große Podest, das vor der Kirche thront. Sie decken die Tische, schmücken sie mit Blumen und hängen Ikonen an die Hinterwand. Die Techniker von Trinitas-TV installieren ihre Kameras und Mikrofone. "Bald fängt der Morgengottesdienst an und dann, während der Liturgie, werden die Gebeine des Heiligen aus dem Altar herausgeholt", sagt Florica Badea. "Das geschieht nur einmal im Jahr und deshalb ist für uns dieser Tag, an dem wir die Reliquien verehren dürfen, ein ganz besonderer."

Die prunkvolle Kathedrale des Patriarchats in der rumänischen Hauptstadt Bukarest. Hunderttausende Pilger kommen jedes Jahr, um an dem Festtag des Schutzheiligen Dimitrie Basarabov teilzunehmen.

Auch die Vertreter der Orthodoxen Kirche freuen sich über diesen Tag – und über die Hunderttausende Gläubigen, die an jedem 27. Oktober den Heiligen Dimitrie und damit auch das Bukarester Patriarchat feiern. Gläubigenschwund? Fehlanzeige! Vor allem in den Dörfern, wo fast die Hälfte der Bevölkerung Rumäniens lebt, können die Geistlichen nach wie vor problemlos viele Menschen in die Kirchen locken, und zwar nicht nur an großen Feiertagen, sondern an jedem Sonntag. "Nach 45 Jahren offiziellen Atheismus erlebte unsere Kirche nach der Wende eine wahre Auferstehung", sagt Vater Constantin Stoica, Pressesprecher des Patriarchats.

Die Zahlen scheinen in der Tat diese Aussage zu belegen. Laut jüngsten Umfragen geben 95 Prozent der Rumänen zu Protokoll, dass sie an Gott glauben, und fast 85 Prozent erklären sich orthodox. Auch die Popularität und das Vertrauen in die Orthodoxe Kirche bleiben mit über 60 Prozent hoch, obwohl diese Werte in den 1990er Jahren noch höher waren. Im Übergang von einer sehr konservativen Form des Sozialismus zu einem System der deregulierten Marktwirtschaft habe die Kirche eine wichtige Rolle gespielt, erklärt Kultur- und Kultusminister Daniel Barbu: "Dabei übernahm die Kirche vor allem soziale Aufgaben."

"In schwierigen Zeiten wendet man sich an die Kirche"

Der Staat in Rumänien konnte in den 1990er Jahren mangels Gelds seine Kernfunktionen kaum erfüllen. Renten und Löhne im öffentlichen Sektor wurden nur verspätet gezahlt. Korruption zerstörte das Vertrauen in die Justiz und Polizei. Perspektivlosigkeit und bittere Armut waren Konstanten der Lebenswelt vieler Rumänen bis kurz vor dem EU-Beitritt des Landes 2007 und auch in den Jahren danach blieb die Situation vor allem in Dörfern und Kleinstädten trotz des raschen Anstiegs der Einkommen kompliziert. "Es waren schwierige Zeiten für die Rumänen und in schwierigen Zeiten wendet man sich an die Kirche", erklärt Constantin Stoica.

Um die Armut einigermaßen zu lindern und die beinahe Abwesenheit des Staates zu kompensieren, gründete das Patriarchat soziale Einrichtungen und baute damit einen Bereich wieder aus, den sie nach dem Zweiten Weltkrieg zu Gunsten des Staats abtreten musste. Das weltliche Werk der Kirche floriert seitdem wie nie zuvor: Kinder- und Seniorenheime, Lebensmittelausgaben für die Bedürftigen, Kleidungssammelstellen für die Opfer von Hochwasser, die wegen der maroden Infrastruktur und der massiven Abholzung im jährlichen Takt gerettet werden müssen.

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"Die sozialen Aufgaben des Staates blieben einfach jahrelang unerfüllt und die Kirche sprang in diese Lücke ein", sagt der linke Publizist und Blogger Costi Rogozanu. Doch ihr Werk ist weder systematisch, noch nachhaltig, dafür aber sehr konservativ – und steuerfinanziert", kritisiert er. In der Tat verfügt die Orthodoxe Kirche im Moment selten über Programme, die über Spenden und Almosen hinausgehen. Doch kann und soll sie auch nicht die Rolle des Staates komplett übernehmen, wie Rogozanu und andere Kritiker betonen.

Vor allem im klösterlichen Milieu wird diese "Institutionalisierung" der Kirche kritisch beobachtet. Pressesprecher Constantin Stoica spricht ungerne über diesen Konflikt. "Die Klöster sind das Rückgrat der Orthodoxie. Jeder Bischoff ist letztendlich ein Mönch und muss es auch bleiben. Es kann keine Abteilung der Kirche geben, in der das liturgische Leben plötzlich aufhört. Trotzdem müssen wir im Gegensatz zu den Pharisäern Verantwortung für unsere Nächsten übernehmen und Antworten auf die Herausforderungen von heute finden."

Tatsächlich hat die Kirche versucht, auf ihrer Art und Weise diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Für die Herde hat Patriarch Daniel einen Medienkonzern aufgebaut, Pilgerreisen im In- und Ausland werden organisiert und häufig auch über Reiseportale im Internet angeboten, damit auch ein junges Publikum erreicht werden kann.

Zu üppige Projekte? - Kirche weißt Vorwurf zurück

Den Vorwurf, dass sie zu Zeiten von Sparmaßnahmen üppige Projekte betreibt, weist die Kirche von sich zurück. "Wegen der Wirtschaftskrise kürzt die Regierung Löhne und Sozialleistungen, Krankenhäuser und Schulen werden geschlossen. Gelder für neue Kirchen aber gibt es immer: Insbesondere dann, wenn sich die Wahlen nähern", mokiert sich Publizist Rogozanu. "Und die Arbeiten an der neuen imposanten Kathedrale mitten in Bukarest laufen auf Hochtouren, während fast alle anderen Bauprojekte eingestellt wurden".

Die Vertreter des Synods betonen hingegen, dass die neuen Kirchen immer voll sind. "Das zeigt, dass viele Rumänen dieses Bedürfnis haben und es wäre undemokratisch, sich dem Willen der Mehrheit zu widersetzen", sagt Constantin Stoica. Die Umfragen und Statistiken geben ihm recht.

Doch die direkte Finanzierung der Kirche aus Steuergeldern bleibt umstritten, auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung diese Lösung nach wie vor bevorzugt. Linksliberale Kritiker prangern die "Geiselnahme der Politik und des Staats durch die Orthodoxe Kirche, die vor allem auf dem Land nach wie vor über einen großen Einfluss auf die Wähler verfügt", wie es der grüne Abgeordnete Remus Cernea ausdrückt. Seine jüngste Initiative, ein freiwilliges kirchensteuerbasiertes Finanzierungssystem nach deutschem Vorbild einzuführen, konnte im Bukarester Parlament keine Mehrheit finden.