Josef Wulf ist begeistert: Er steht in einer blau gefliesten Duschkabine, breitet die Arme aus und dreht sich einmal um die eigene Achse. Genügend Platz für eine Pflegekraft, links ein gekachelter Sitz, eine breite Flügeltür, ebenerdig. Alles schön seniorenfreundlich. Das komplette Haus ist auf die Bedürfnisse älterer Menschen abgestimmt.
###mehr-artikel###Zur Zeit ist dieser Bungalow unbewohnt, doch lange wird es sicherlich nicht dauern, bis das Haus einen neuen Besitzer hat – auf der Warteliste für ein Anwesen im "Seniorenwohnpark am Heideweg" in der niedersächsischen Kleinstadt Meppen stehen etwa fünfzig Interessenten. Zwischen 340 und 610 Quadratmeter sind die Grundstücke groß. Architekt Josef Wulf, weißes Haar, kräftige Statur und laute Stimme, ist überzeugt: von der blau gekachelten Dusche, von dem Bungalow und vor allem von seiner Idee – eine Siedlung nur für Senioren. "Das ist die Krönung meines beruflichen Lebens", sagt er. Beim Sprechen rollt er das "R" hart.
Ruhig. Eigenständig. Unabhängig. Wenn Josef Wulf über den Seniorenpark spricht, fallen diese Worte häufig. Die Idee entstand 2004, Josef Wulf nahm an einer Podiumsdiskussion zum Thema "Leben im Alter" teil. Er begriff: Es sollte eine Wohnform her, bei der Sicherheit und Freiheit keine Gegensätze sind, sich vielmehr ergänzten. Eine Wohnform, bei der ältere Menschen selbstbestimmt leben können, ihr eigenes Grundstück haben und nicht an Strukturen wie beispielsweise in einem Pflegeheim gebunden sind. Dabei aber seniorenfreundlich wohnen können, mit Nachbarn, die die gleichen Bedürfnisse haben. Der Wohnpark am Heideweg ist der erste dieser Art in Deutschland. 62 Senioren leben hier in 34 Einfamilienhäusern, hauptsächlich Bungalows. Etwa vierzig Prozent davon wohnen im Seniorenpark zur Miete, den restlichen Bewohnern gehört ihr Häuschen. Das Durchschnittsalter: 68 Jahre. Um hier wohnen zu dürfen, muss man die sechzig erreicht haben.
Nirgends gibt es Stufen, Schwellen, Kanten. Statt dessen Rampen für Rollatoren und für Rollstühle. Das Viertel ist umringt von hohen Bäumen, bis zum Dortmund-Ems-Kanal ist es nicht weit und Josef Wulf sagt manchmal aus Versehen "Feriendorf" statt "Seniorendorf". Blumenkästen schmücken die Fenster der Backsteinhäuser, die Vorgärten sind akkurat gepflegt. Eine Idylle, abgeschottet vom Rest der Welt – ohne Infrastruktur: Der Seniorenpark ist ein reines Wohnviertel, eine Apotheke, einen Arzt oder Supermarkt gibt es nicht. Bis in Meppens Innenstadt sind es etwa zwei Kilometer. "Naja, man kann sich Essen liefern lassen, oder ein Taxi nehmen. Demnächst soll es auch eine Bushaltestelle geben", meint Wulf.
Bärbel Blady, 65 Jahre alt, und ihr Mann wohnen ein paar Häuser neben dem leerstehenden Bungalow. Seit 2011 leben sie im Seniorenpark, über einen Fernsehbeitrag wurden sie auf das Wohnprojekt aufmerksam. Aus Essen sind sie hergezogen, und Bärbel Blady sagt: "Es war die richtige Entscheidung." Dass in der Siedlung nur Rentner wohnen, stört sie nicht, sie beschränken sich nicht auf das Viertel, sondern pflegen viele soziale Kontakte nach außen. Den Bungalow haben sie gekauft, weil ihnen ihr Haus in Essen zu groß geworden ist, weil sie die Gegend mögen, weil sie nun etwas näher bei ihrer Tochter wohnen. "Das Paket hat uns gefallen, das Drumherum", sagt Bärbel Blady. Soweit findet Wulfs Plan Anklang.
Katja Angeli vom Bundesfamilienministerium beschreibt verschiedene Initiativen, die der Staat unterstützt – zum Beispiel das Generationen übergreifende Wohnen. Sie zitiert eine Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen von 2005, die ergeben hat, dass für siebzig Prozent der Befragten der direkte Kontakt zu Familie und Freunden eine große Rolle spielt. Nur mit Gleichaltrigen zusammen zu leben sei eher nachrangig.
Der Seniorenpark – eine Nische?
"Wohnprojekte wie der Seniorenpark bedienen aus unserer Sicht eher eine Nische – sie werden nur von einer relativ kleinen Gruppe nachgefragt", sagt Annette Hellwig vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Sie koordiniert den Arbeitskreis Seniorenimmobilien. Verschiedene Umfragen hätten ergeben, dass bis zu 93 Prozent der Senioren auch im Alter in der Wohnung wohnen möchten, in der sie in der Regel seit Jahrzehnten gelebt haben und in ihrer gewohnten Umgebung bleiben möchten.
Josef Wulf hingegen schätzt, mit dem Seniorenpark ein Drittel aller Senioren anzusprechen: Selbstständig in den eigenen vier Wänden wohnen und gleichzeitig die Möglichkeit haben, Hilfe in Anspruch zu nehmen. "Und vor allem: nebenan Menschen, die so denken wie man selbst - so dass keine Streitigkeiten aufkommen."
Das stimmt nicht ganz. Zum Beispiel die Sache mit dem Gemeinschaftshaus: Wulf hat es in die Mitte des Wohnviertels gebaut, damit die Senioren einen Treffpunkt haben, vielleicht einmal einen Kaffee dort zusammen trinken, sich für Spielenachmittage treffen. Doch das funktioniert nicht: Das Gebäude mit der großen Fensterfront und den zehn Tischen mit Stoffblumen wird nicht genutzt. Allmählich legt sich eine dünne Staubschicht auf den Tischschmuck, der Getränkeautomat in der Ecke ist nicht angeschlossen.
"Das Problem ist", erklärt Wulf, "dass Rentner alles umsonst haben wollen – von einem Senior einen Cent zu bekommen, ist schwieriger, als von manch anderen eine Million!" Da die Bewohner nicht bereit sind, einen monatlichen Betrag für den Unterhalt des Hauses zu zahlen, verwaist das Gemeinschaftshaus nun. Ihn enttäuscht das. Und eine Einigung, ob und wie sie das Gebäude nutzen, scheint unmöglich zu sein: "Wenn die Mehrheit etwas will, will der Senior das noch lange nicht." Josef Wulf sagt gerne solche Sätze. Dann schiebt er hinterher: "Naja, es sind ja nicht alle Bewohner so. Aber so fünf, sechs, die alles blockieren."
34 Bungalows, 34 verschiedene Meinungen
Josef Wulf kennt hier alle persönlich, mit den meisten ist er per Du. "Mit dem Wohnen sind hier alle zufrieden!" Helga Hebel, 74 Jahre alt, stimmt ihm zu – sie dreht gerade ihre tägliche Runde mit dem Rollator. "Wo soll ich denn sonst hin?", fragt sie. Vor zwei Jahren kam sie aus Hamburg hier her, bereut hat sie es nicht. Einige Häuser weiter schlägt Siegrun Sobotta, klein, drahtig, 70 Jahre alt, hingegen andere Töne an: "Uns wurde zu viel versprochen: Zum Beispiel die 'Kümmerin'! Und dafür haben wir unser Haus im Sauerland aufgegeben", klagt sie. Josef Wulf hört Kritik an seinem Schmuckstück nicht gerne: "Da sind aber die Senioren Schuld, die haben die Kümmerin ja raus geekelt!"
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Die "Kümmerin" lebte bis vor einem Jahr hier. Sie sollte nach dem Rechten sehen und die Bewohner bei organisatorischen Aufgaben unterstützen, zum Beispiel Anträge ausfüllen, einen Gärtner, Essen auf Rädern oder Pflegedienste bestellen. "Für nur 120 Euro im Monat sollte sie die Eigenständigkeit der Bewohner so lange wie möglich erhalten helfen", beschreibt Wulf das Konzept. "Die Alternative wäre ein Pflegeheim – allerdings kostet ein Heim das Fünffache!" Doch sechs Senioren hätten der Kümmerin das Leben schwer gemacht. Wulf erzählt, sie hätten zum Beispiel akribisch notiert, wie viel Zeit sie bei welchen Bewohnern verbracht habe – bis sie schließlich weggezogen ist. Wie es mit der Kümmerin weiter gehen soll, ob es eine neue geben wird und welche Qualifikationen sie mitbringen soll, ist genauso unklar wie die Zukunft des Gemeinschaftshauses.
Damit hat Josef Wulf nicht gerechnet, das hat er sich anders vorgestellt. "Ich habe Fehler in der Planung gemacht. Die komplette Eigenständigkeit der Senioren würde ich heute einschränken." Sie hätten bauen können, wie und mit wem sie wollten, sie können ein Leben führen, wie sie es möchten. "Aber sie müssen auch in der Lage sein, eine gemeinschaftliche Entscheidung zu treffen." Mit seinen 68 Jahren würde er gut in den Seniorenpark passen. Früher, als er das Projekt startete, hatte er fest vor, hier auch einmal zu wohnen. Jetzt nicht mehr. Seine Tochter ist mit ihrem Sohn bei Wulf eingezogen. Im Alter in einer Großfamilie zu leben, sei ideal.