Zu kühl, zu heiß, Donner und Blitz, zu nass. Über wenig anderes kann man sich leidenschaftlicher ärgern, als über das, was sich täglich über unseren Köpfen frisch zusammenbraut oder verpufft. Eine Einheitswohlfühltemperatur für alle gibt es nicht. Zu verschieden ist unser Empfinden: Wann ist es heiß genug für den nächsten Sprung ins kühle Wasser? Zu unterschiedlich sind die eigenen Erwartungen: Wann spendet ein Regenschauer endlich das nötige Nass für die Pflanzen im Garten? Alle reden vom Wetter, schimpfen oder fühlen sich überrumpelt.
Das ist kein Phänomen unserer Zeit. Der Legende nach wurde auch Martin Luther am 2. Juli 1505 von einem schweren Gewitter in der Nähe von Erfurt überrascht. Auf dem freien Feld suchte er unter einem Baum Schutz, als ihn plötzlich ein Blitzschlag sich zu Boden werfen und ihn in Todesangst geloben ließ: "Ich will Mönch werden!" Ändern lässt sich das Wetter nicht, aber im Regen muss auch keiner mehr stehen. "Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel anders setzen", sagte der Philosoph Aristoteles im vierten Jahrhundert vor Christus. Das setzt das Wissen voraus, prognostizieren zu können, wie das künftige Wetter sein wird.
Landwirte nutzen Tiere und Pflanzen als Wetterpropheten
Unsere Vorfahren auf dem Land wussten bereits vor Tausenden Jahren, und damit lange Zeit vor der modernen Meteorologie mit Satellitenbildern, vorauszusagen, ob ein Regenschauer die Felder überzieht oder der Winter frostig wird. Sie stützten sich auf die Erfahrungen vorangegangener Generationen wie auf ihre eigenen. Ihre Erkenntnisse fassten sie in Reime, um sie sich leichter merken zu können. Manches wurde von Mönchen aufgeschrieben, anderes beim Abendessen den Kindern erzählt. Für Landwirte bleibt die Frage nach dem Wetter auch heute noch existentiell. Denn davon hängt die Ernte ab. Wer das Klima vorhersehen will, tut gut, auf bestimmte Zeichen in der Pflanzen- und Tierwelt zu achten, die gewissermaßen als Wetterpropheten in Erscheinung treten. So enthält auch das älteste meteorologische Druckwerk in deutscher Sprache, das "Wetterbüchlein" von Reynmann aus dem Jahr 1505 einige Regeln dieser Art. "Wenn die Mücke stechen tut, tut bald Gewitterfrische gut" oder "Je höher die Ameisenhügel, desto straffer des Winters Zügel", sind nur zwei von unzähligen Bauernregeln oder Wettersprüchen. Zutreffend sein sollen auch: "Abendrot – Schönwetterbot', Morgenrot – Schlechtwetter droht" oder "Wenn Flämmchen sich Zeigen an Kirchturmspitzen, wird's bald donnern und vom Himmel blitzen".
Zur besseren zeitlichen Einordnung sind viele Beobachtungen auch nach dem Heiligenkalender benannt worden. Ein Beispiel: "Laurentius (10. August) heiter und gut, einen schönen Herbst verheißen tut". Dann spricht man von Heiligenregeln, die in der frühen Neuzeit von vielen protestantischen Gebieten der Tradition nach beibehalten wurden, auch wenn die Evangelischen die Heiligen nicht mehr verehrten. Oft soll sich auch nachfolgende Regel bewahrheiten: "Ziehen dunkle Wolken an Mariä Himmelfahrt über's Land, so regnet's zwei Wochen am laufenden Band; doch wenn Sonnenschein die Welt erhellt, bis Raimund (31.08.) kaum Regen fällt".
###mehr-personen###Der Meteorologe Dr. Jurik Müller untersucht alte Volksweisheiten wissenschaftlich. Dabei wird auch das Entstehungsgebiet der Bauernregel berücksichtigt, also ob sie etwa im Alpenraum oder an der Küste entstanden ist. Müller bezeichnet sich selbst als Bauernregel-Dichter. Hat er doch über 4000 selbst zu Papier gebracht und alte Spruchweisheiten in ein neues Gewand gekleidet. "Oft sind in dem umfangreichen Schatz der alten Bauernregeln die Grenzen zwischen Unsinn, Aberglaube, Träumen und Hoffnungen der Menschen sowie Erfahrungen von Generationen mehr oder minder eng miteinander verwoben", erzählt Jurik. Will man Anfang August eines Jahres etwa wissen, wie der Winter wird, kann man dieser Tage die Bauernregel beobachten: "Fängt der August mit Hitze an, bleibt sehr lang die Schlittenbahn".
Jurik Müller kennt Bauernregeln, die wirklich stimmen:
"Wenn die Schwalben hoch am Himmel kreisen, sie weiter auf schönes Wetter hinweisen, doch fliegen sie am Boden tief, dann hängt der Wettersegen schief"
Jurik Müller: Bei sonnigen Hochdruckwetter gelangen Futterinsekten wie Grillen mit Thermik-Blasen in höhere Luftschichten. Um diese zu fressen, müssen die Schwalben aufsteigen. Naht Regen und Wind, fliegen Mücken und Fliegen mangels Thermik in Bodennähe und halten sich im Schutz von Bäumen und Büschen auf. Dort sind dann auch die Schwalben.
"Dreht die Kuh mit dem Schwanz sich von Osten nach Westen, entwickelt das Wetter sich nicht zum Besten"
Müller: Instinktiv stellen sich Kühe, Rinder oder auch Rehe beim Fressen mit dem Schwanz in die Richtung, aus der der Wind weht, damit sie Raubtiere oder Jäger besser sehen können, die sich gegen den Wind anschleichen. Blicken die Tiere nach Westen, bläst der Wind aus dem Osten - und bringt trockene, kontinentale Luft mit sich, während Westwinde überwiegend feuchte und wolkenreiche Luft heran transportieren. Dann kann mit Regen gerechnet werden.
"Wenn abends die Katzen sich öfters lecken, wird morgen uns Frau Sonne wecken"
Müller: Katzen reiben sich gerne an Tischbeine oder auch unseren Füßen. Wenn die Luft trocken ist beziehungsweise trockenes Wetter naht, lädt sich die Katze beim Reiben mit ihren Haaren besonders gut elektrisch auf. Leckt sich das Tier sehr häufig, erhöht sich die Leitfähigkeit des Fells. Dadurch kann die für die Katze unangenehme Ladung, die sich im Tagesverlauf durch die Reibung aufgebaut hat, besser abfließen. Im Falle hoher Luftfeuchtigkeit findet dagegen fast keine elektrostatische Aufladung des Katzenfells statt. Es lässt sich fesstellen: Bei feuchter Luft leckt sich die Katze lediglich, um sich zu reinigen.
###mehr-info###"Frösche auf Stegen und Wegen deuten auf baldigen Regen"
Müller: Frösche verlassen nur ungern ihren Teich, wenn das Wetter trocken ist. Naht jedoch Regen, verlassen sie das Gewässer, ohnen einen Verlust ihrer Körperflüssigkeit fürchten zu müssen.
"Ziehen die Wolken dem Wind entgegen, gibt's am anderen Tage Regen"
Müller: Wer diese Vorgänge am Himmel beobachtet, kann sich sicher sein, dass sich eine Warmluftfront mit Dauerregen oder eine Kaltluftfront mit Schauern nähert. Der Schirm sollte in beiden Fällen nicht vergessen werden.
"Wenn der Frauenmantel schwitzt, bald Regen uns im Nacken sitzt"
Müller: Die Pflanze kann nicht mehr ausreichend Flüssigkeit verdunsten, wenn die Luft durch schlechteres Wetter feuchter wird. Dann schüttet sie überschüssiges Wasser durch ihre feinen Poren ab. Dieser Vorgang heißt Guttation.
Irrläufer der Wetterprognose:
"Wie die ersten zwölf Tage im Januar walten, so werden sich die zwölf Monate gestalten"
Müller: Dieser Regel liegt ein Wetteraberglaube zugrunde, der mehr als drei Jahrtausende überdauert hat. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, dass das Wetter der ersten zwölf Tage des Jahres die Witterung der kommenden zwölf Monate im Embryonalzustand enthalte. Das ist Aberglaube und bewahrheitet sich nicht.
"Wenn viel Gras die Hunde fressen,wird es bald vom Himmel nässen"
Müller: Der Trieb der Hunde Gras zu fressen, lässt sich nicht mit dem Wetter oder dessen weiterer Entwicklung erklären. Sie tun das, um ihren Verdauungsapparat in Schwung zu bringen – also eine ganz natürliche Angelegenheit. So hilfreich unser bester Freund manchmal auch ist, bei der Wettervorhersage können wir ihn nicht gebrauchen.
Zwischen Tradition und Moderne
Die Bauernregeln könnten zwar die Leistungen der modernen Meteorologie nicht ersetzen, sollten aber von Zeit zu Zeit in das Bewusstsein besonders auch jüngerer Menschen gehoben werden, sagt der Wetterexperte Jurik. "Sonst geht in der Hektik unserer schnelllebigen Zeit das Gespür für die Vorgänge in der Natur und die Fähigkeit der Beobachtung solcher Vorgänge verloren." Er fügt hinzu: "Gegen die Hightech-Prognosen sind sie in der Regel aber chancenlos." Dennoch gehören sie für ihn eindeutig zum bewahrenswerten Kulturgut.
Dieser Artikel erschien erstmals am 8. August 2013 auf evangelisch.de