Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
Ein freier Tag für alle? Luthers Vermächtnis ist es wert
Arbeitgebervertreter haben vor einem Milliardenschaden für deutsche Unternehmen gewarnt, wenn die Länder einen einmaligen bundesweiten Feiertag am Reformationstag 2017 zulassen. Sie verkennen dabei aber, dass die Reformation nicht nur zur Gründung der protestantischen Kirchen geführt hat, sondern Luther Deutschland und die Welt verändert hat - auch zugunsten der Wirtschaft.
01.08.2013
evangelisch.de
Janek Rauhe

Es ist eine gewaltige Zahl: Mehrere Milliarden Euro könnten der deutschen Wirtschaft entgehen, wenn im Jahr 2017 alle Arbeitnehmer am 31. Oktober frei bekämen - an diesem Tag hat Martin Luther vor 500 Jahren der Legende nach seine 95 Thesen an die Tore der Schlosskirche von Wittenberg genagelt. Damit rechnet der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen, Luitwin Mallmann. 500 Millionen Euro verlören allein die Arbeitgeber in Mallmanns Stammland NRW. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände spricht sich aus Kostengründen ebenfalls gegen einen gesetzlichen Feiertag aus.

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Mallmanns Rechenbeispiel scheint auf den ersten Blick beeindruckend. Freilich ist völlig unklar, wie diese Summe zustande kommt. Die zusätzlichen Einnahmen, die Hoteliers, Reiseunternehmen und Gastronomen im Jubiläumsjahr 2017 erzielen werden, wenn an verschiedenen Orten in Deutschland große Reformationsfeiern begangen werden, lässt er jedenfalls außer Acht.

Mallmann wehrt sich dagegen, dass am 500. Reformationstag alle deutschen Bundesländer einen einmaligen gesetzlichen Feiertag begehen. Dabei ist in allen ostdeutschen Bundesländern außer Berlin seit der Wiedervereinigung der 31. Oktober bereits ein gesetzlicher Feiertag. In Baden-Württemberg haben Schüler und Lehrer dann schulfrei. Die Mehrheit der westlichen Bundesländer hat bereits entsprechende Beschlüsse für einen Feiertag gefasst oder signalisiert, dies in Kürze zu tun. Eine Herzenssache scheint ihm seine Forderung ohnehin nicht zu sein. Denn er selbst bietet den Kompromis an, dass der Reformationstag zu einem einmaligen bundesweiten Ruhe- und Gedenktag wird. Arbeitnehmer könnten dann vor- und nacharbeiten, wenn sie am 31. Oktober frei haben möchten.

Reformation war ein Meilenstein auf dem Weg zur  Demokratie

Selbst wenn Mallmanns Berechnungen zuträfen: Die Reformation hat Deutschland wie kein anderes Land geprägt. Sie war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem demokratischen Gemeinwesen. Durch Luthers Thesen wurde das Bildungswesen reformiert, mehr Menschen bekamen Zugang zu Schulen und Universitäten. Die Aufklärung wäre ohne die Reformation anders verlaufen. Gerade Wirtschaft, Kapitalismus und Industralisierung sind eng mit der Reformation verwoben, siehe Max Webers "Protestantische Ethik".

Mallmann würdigt zwar all diese Verdienste in seinem Schreiben, er sagt aber auch, dass ein gesetzlicher Feiertag in einem unangemessenen Verhältnis zu den wirtschaftlichen Kosten stehe. Allerdings sind es gerade die Folgen der Reformation auf die deutsche Geschichte und Entwicklung, die während der 500-Jahr-Feier gewürdigt werden sollen. Es geht dabei nicht nur um Religion, sondern auch um die deutsche Demokratie, die ohne Reformation vielleicht undenkbar gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund mutet Mallmanns Rechenbeispiel knauserig an. Luthers historischen Verdienst mit einem freien Arbeitstag zu würdigen, ist mehr als angemessen.