Eine Stadt mit 60.000 Einwohnern macht Furore unter Kirchenmusikern und Kirchenmusikliebhabern. Das Jubiläumsthema des Festivals Europäische Kirchenmusik Schwäbisch Gmünd, "Feuer und Flamme", spiegele sich "täglich in den Augen des Publikums, der Künstler, aber auch der Förderer und der Macher", schwärmt Intendant Klaus Stemmler. Ralf Häcker, Leiter des Kulturbüros der Stadt Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis), bringt das auf einen kurzen Nenner: "Hier passt Hardware zu Software". Das Festival endet am 4. August.
Atmosphäre und Akustik von rund zwei Dutzend Kirchen, Klöstern und Plätzen aus acht Jahrhunderten nutzt das Festival. Dort erklingen Bach und Pärt, Flamenco, Jazz und Renaissancemusik. Dort entstehen von Musik begleitet Feuerskulpturen, wogen vielstimmige Chöre oder füllen klare Orgelklänge den Raum. Die Stadt sei "bis in ihre Seele geprägt" von Kirchen, Klöstern und einer über Jahrhunderte gepflegten Kirchenmusik. Was also habe näher gelegen, als "das örtlich breite Angebot ab 1989 mit einer internationalen Spitze zu kombinieren", sagt Häcker.
"Wesentliche Fragen musikalisch thematisieren"
Impulsgeber war 1986 der damalige Leiter des Kulturamts, Klaus Eilhoff. Er holte Ewald Liska ins Boot, der die Partnerschaft von Festival und dem Landes-Rundfunksender SDR, heute SWR, voranbrachte. Beide sind bis heute dabei. Als Testläufe fanden sommerliche Orgelreihen statt.
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1989 folgte das erste Festival. 2001 erhielt es mit "Farben des Lichts" erstmals ein Motto. Uraufführungen und Auftragskompositionen, Wettbewerbe für Komposition geistlicher Musik und für Orgelimprovisation setzen eben so Akzente wie der Festival-Preis, der in Jubiläumsjahr an Sir John Tavener ging.
Ziel des Festivals ist, "die für den Menschen wesentlichen Fragen musikalisch zu thematisieren", betonen die sechs Festivalmacher. Musik wird dazu ergänzt von anderen Kunstsparten wie Film, Tanz, Pantomime und Akrobatik.
Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) betont, er sei stolz auf dieses von der Kommune organisierte Festival, zu dem die Kirchen kein Geld, sondern Räume beisteuern. Neben den Großen der Kirchenmusik sei "auch Raum für junge Talente, für spannende Experimente und eine große Bandbreite an Beteiligung".
Das Publikum ist "nicht vom Bazillus der Eventsuche befallen"
Diese Basis-Beteiligung - etwa von Kinderchören, die auch mal von Kulturamtsleiter Häcker selbst dirigiert werden - macht mit einem offenbar besonderen Publikum die Faszination dieses Festivals aus, sagen Kenner. Die Festival-Preisträgerin von 2009, die Komponistin Sofia Gubajdulina, schrieb dankbar: "Nie werde ich jene innere Bewegung, Aufrichtigkeit und Verbundenheit zwischen den Musikern und Zuhörern vergessen." Und Preisträger Frieder Bernius merkt lobend an, dass "das Publikum in Schwäbisch Gmünd noch nicht vom Bazillus der Eventsuche befallen" sei.
Regelmäßige Festivalgäste bestätigen dies. "Ich freue mich auf neue Eindrücke und Momente des Zur-Ruhe-Kommens", sagt etwa Norbert Barthle, CDU-Bundestagsabgeordneter. Zwei Manager sprechen von "atemberaubendem Genuss, sich von der Kirchenmusik aus ganz Europa verzaubern zu lassen" und der "Zeitlosigkeit und Mystik der Kirchenmusik im Kontrast zu Schnelllebigkeit".
Gefragt, was für die Zukunft des Festivals aus seiner Sicht unaufgebbar sei, nennt Intendant Klaus Stemmler die Angebote zur Förderung junger Talente. "Ebenfalls von großer Bedeutung sind innovative Projekte und Kompositionsaufträge", ergänzt er. Auch künftig wolle "das Festival seinen Teil dazu beitragen, die Europäische Kirchenmusik lebendig mit zu gestalten".