45 Mal hat George die unverwechselbare Jacke des proletarischen Polizisten aus Duisburg getragen: 29 mal im Rahmen des "Tatort" (von 1981 bis 1991), seit 1997 in 16 Einzelfilmen. Der Ausnahmeschauspieler ist unter all jenen, die ihren Ruhm nie im Ausland suchten, vermutlich der größte deutsche Kino- und Fernseh-Star. Dass er für viele trotzdem "der Schimanski" geblieben ist, hat natürlich auch damit zu tun, dass diese Art TV-Kommissar vor dreißig Jahren ein völlig neuer Ermittlertypus war. Der nachhaltige Ruhm ist auch der überzeugenden Urwüchsigkeit zu verdanken, mit der George diesen erfrischend polternden Kriminalhauptkommissar verkörperte.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn er gar nicht erst versucht, das Alter des pensionierten Polizisten zu verhehlen. Man mag George die Jahre nicht ansehen, aber dass Schimanski seine beste Zeit hinter sich hat, ist offenkundig. Um so sympathischer sind die selbstironischen Momente, wenn das einstige Raubein im jüngsten Film "Schuld und Sühne" einen Gegner mit einem Tritt zwischen die Beine erledigt und sich dafür entschuldigt ("Ich weiß, so wehren sich nur Mädchen").
Natürlich ist es pure Nostalgie, dass der Rentner immer wieder mal ermitteln darf, schließlich wirkt er mit seiner Integrität, seinem ausgeprägten Moralempfinden und dem klaren Bekenntnis zu seinen sozialen und geografischen Wurzeln in der globalisierten Welt wie ein Fossil. Das weiß er selbst am besten. "Ein Scheiß-Job", kommentiert er die Arbeit der Kollegen, die sich auf offener Straße von Jugendlichen anpöbeln lassen müssen: "Möcht’ ich heute nicht mehr machen." Gerade deshalb aber gibt er sich mit dem Offenkundigen nicht zufrieden: Schimanski ist in einer Welt aufgewachsen, in der er früh gelernt hat, dem Anschein zu misstrauen.
Auch beim harten Kerl sind Gefühle wichtiger als Action
Als sich ein junger Polizist das Leben nimmt, sind die Kollegen zwar bestürzt, gehen den Gründen für den Suizid jedoch nicht weiter nach. Schimanski jedoch lässt nicht locker und findet raus, dass Oliver, Sohn einer alten Freundin (Ulrike Kriener), im Auftrag der Abteilung für interne Ermittlungen die eigenen Kollegen überprüfen sollte (unter anderem Hannes Jaenicke, der 1984 mit George in dem Kino-Thriller "Abwärts" seine erste Rolle gespielt hat). Tatsächlich zeigt sich, dass einige im Revier Dreck am Stecken haben müssen; die Frage ist nur, wer.
Zum Klima des Misstrauens passen nicht nur die heruntergekommenen Handlungsorte, sondern auch die frostig-feindselige Atmosphäre, die Regisseur Thomas Jauch und Kameramann Clemens Messow kreieren. Jauch inszeniert die Geschichte (Buch: Jürgen Werner) zwar nicht als Referenz an den Mythos Schimanski, doch mit spürbarem Respekt vor der Figur. Körperlichkeit spielt nach wie vor eine große Rolle, aber es gibt kaum Action-Szenen. Gefühle sind einfach wichtiger: Schimanski fehlendes Verständnis für korrupte Beamte, die Loyalität zu seinen Leuten, die raue, aber herzliche Freundschaft zum ähnlich unverwüstlichen Hänschen (Chiem van Houweninge). Geschickt weckt die Dramaturgie zudem Neugier auf die Vorgeschichte, die in Form einer langen Rückblende erzählt wird: Zu Beginn scheint Schimanski nach einem angeblichen Amoklauf am Ende. 77 Filmminuten später schließt sich der Kreis; aber danach passiert noch eine ganze Menge.
Handlung und Umsetzung sind fesselnd; das galt nicht für alle "Schimanski"-Filme. Ginge es nach dem WDR, seit je her Schimanskis Heimat, dürfte der einzig wahre letzte Bulle seinen Kollegen aus Duisburg wohl auch weiter aus der Patsche helfen; tatsächlich hat George kürzlich ein weiteres Mal die berühmte Jacke getragen.