Foto: epd-bild/Martin Hagenmaier
Die Kirche in Uelvesbüll-Eiderstedt ist eine von achtzehn Gotteshäusern auf der spärlich bewohnten Halbinsel.
Sechs Kirchen und ein Todesfall
Wohl nirgendwo in Europa sind auf engem Raum mehr mittelalterliche Kirchen zu finden als auf der Nordsee-Halbinsel Eiderstedt. Jetzt steht dort ein großes Jubiläum an. Einen ganzen Sommer lang feiern in diesem Jahr sechs Kirchen auf der Halbinsel ihr 900-jähriges Bestehen. Dabei sind von den alten Kirchen, die 1113 gegründet wurden, heute nur noch ein paar Mauerreste übrig. Und genau genommen wird ein Pastorenmord gefeiert.
27.07.2013
epd
Thomas Morell

Die meisten Touristen kennen die 30 km lange Halbinsel Eiderstedt nur von der Durchfahrt nach St. Peter-Ording. An heißen Sommertagen bevölkern dort Zehntausende den Strand. Die kulturellen Schätze der Halbinsel gehen da leicht unter: In keiner Region in Europa sind auf so engem Raum mehr mittelalterliche Kirchen zu finden.

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Anfang des 12. Jahrhunderts mussten die Familien aus den umliegenden Dörfern sonntags mehrere Kilometer zum Gottesdienst nach Garding laufen. Im Jahr 1113 soll es dann vorgekommen sein, berichtet Pastorin Eva Hoefflin, dass der Gardinger Pastor Harmen Lütke mit dem Gottesdienst begann, ohne auf die Dörfler zu warten. Daraufhin sollen diese so erbost gewesen sein, dass sie ihn erschlugen.

Nach dem Pastorenmord wurden in den Dörfern eigene Kirchen gegegründet

Danach war mit gemeinsamen Gottesdiensten erst einmal Schluss, und die Dorfbewohner der Umgebung mussten ihre eigenen Kirchen gründen. Dass Eva Hoefflin heute gemeinsame Pastorin von Garding und der Nachbargemeinde Osterhever ist, zeigt, dass zumindest ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist.

Später wurde auch Pastor Nikolaus Süwels in Poppenbüll 1494 erschlagen. Wo so viel Streit ist, bleibt das Bedürfnis nach Vergebung nicht aus. Zahlreiche evangelische Beichtstühle zeugten von einer "lebendigen Beichttradition" bis ins 19. Jahrhundert, heißt es im Eiderstedter Kirchenführer. Die St. Michael-Kirche im kleinen Dorf Welt besitzt wohl den schönsten. Anders als die engen und dunklen katholischen Beichtstühle hat er Fenster und war eher ein Ort des vertraulichen Gesprächs mit dem Pastor.

Hochmoderne, romantische Sauer-Orgel in ausgedienter Kirche

Besucher bewundern in Welt auch den schmucken Orgelprospekt mit seinen feinen, zum Teil nur handgroßen Orgelpfeifen. Es ist allerdings eine Attrappe, denn die Pfeifen bestehen aus Holz. Dahinter verbirgt sich jedoch eine hochmoderne, romantische Sauer-Orgel. Als Gemeindekirche hat die Kirche von Welt ausgedient. Seit 1977 gestaltet ein engagiertes Team hier ein Sommerprogramm mit Lesungen, Vorträgen und Konzerten.

Aus dem Jahr 1113 ist wenig Bausubstanz übriggeblieben. In Vollerwiek etwa zeugen noch die Felssteine der Mauer von 900 Jahren Kirchengeschichte. In Poppenbüll stammen einige Wände noch aus romanischer Zeit. Tetenbüll hatte anfangs vermutlich nur eine Holzkapelle, und erst um 1400 wurde die heutige Kirche gebaut. Es lasse sich nicht mehr nachvollziehen, wie die Kirchen damals ausgesehen haben, sagt Holger Beermann, Pastor in Tetenbüll. Möglicherweise sei an einigen Orten auch nur der Grundstein gelegt worden.

Reichhaltige Kirchenkultur abseits der großen Städte

Besucher finden heute insgesamt 18 evangelische Kirchen auf Eiderstedt, die fast alle aus dem Mittelalter stammen. In Vollerwiek steht Eiderstedts ältester Schnitzaltar aus dem 15. Jahrhundert. Die kunstvoll geschnitzte Kanzel in Katharinenheerd wurde vermutlich aus einer Kirche "recycelt", die bei einer Sturmflut untergegangen ist. In Osterhever schwebt ein Taufengel im Kirchenraum. Typisch für die Eiderstedter Kirchen sind die Triumphkreuzgruppen unter dem Chorbogen.

Bleibt die Frage, wie sich abseits der großen Städte eine so reichhaltige Kirchenkultur entwickeln konnte. Es sei ein großer Fehler, die Kultur der Nordsee-Marschen zu unterschätzen, warnt Professor Konrad Küster (Freiburg), der über die Orgeln der Nordsee-Region geforscht hat. Die Marschenbauern seien damals reich und weltläufig gewesen. In Kulturfragen hätten sie mit den Hamburgern oder Lübeckern durchaus auf Augenhöhe gestanden.