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"Ich bin Christ und du bist Moslem"
Wie ein Mohammed-Video die Stimmung im christlich-islamischen Dialog beeinflusst
Das beleidigende Video über den Propheten Mohammed sei "kein Beitrag zum guten Miteinander", sagt Kirchenrat Gerhard Duncker. Er ist bei der Evangelischen Kirche von Westfalen zuständig für den Dialog zwischen Christen und Muslimen. Die Debatte um das Video empfindet er als belastend. Muslimischen Gläubigen wünscht Duncker mehr Gelassenheit, allen anderen rät er zu Respekt gegenüber dem Islam.
19.09.2012
evangelisch.de

In der arabischen Welt herrscht große Aufregung um das Mohammed-Video. Ist das eine Minderheit oder die große Mehrheit der Muslime, die sich so aufregen?

Gerhard Duncker: Ich kann das nicht empirisch belegen, aber ich glaube, dass es die Mehrheit ist, weil in der islamischen Welt der Prophet Mohammed eine große Verehrung genießt, so wie man sich das hier vielleicht gar nicht vorstellen kann. Und weil die Leute sowieso ja etwas heißblütiger sind als der Mitteleuropäer, sie echauffieren sich doch dann sehr und sind verletzt. Das sollte man nicht unterschätzen über die Breite auch von liberalen Muslimen.

Können Sie verstehen, dass viele sich so beleidigt fühlen?

Duncker: Ich kann das schon gut verstehen. Ich fühle mich auch beleidigt, wenn ich sehe, dass in der Titanic etwa - obwohl ich nicht katholisch bin - über den Papst hergezogen wird mit - wie ich finde - pornographischen Bildern. Oder wenn ich sehe, dass aus einem Kruzifix ein Klorollenhalter gemacht wird, fühle ich mich auch beleidigt. Aber ich kann aus meinem Beleidigtsein nicht die Konsequenzen ziehen, die jetzt in einigen muslimischen Ländern gezogen werden, wenn dort Botschaften angezündet wird.

Wie erleben Sie Muslime bei sich in Westfalen, wenn von dem Video die Rede ist?

Duncker: Die Muslime, mit denen ich gesprochen habe, haben sich das auch alle angeguckt, das kann man ja auf Youtube anklicken - jedenfalls Sequenzen dieses Films. Sie äußern schon ihre Empörung, aber unterscheiden hier natürlich doch etwas klarer als andere, die auf einmal die ganze westliche Welt verantwortlich machen. Sie unterscheiden schon und es ist ihnen auch klar, dass wir damit nichts zu tun haben. Sie sagen: "Das betrifft jetzt nicht unser gutes Miteinander."

"Jemanden zu verunglimpfen ist noch keine Tugend als solche"

Sie kümmern sich um den christlich-islamischen Dialog in der Evangelischen Kirche von Westfalen. Stört der Vorfall mit dem Video den Dialog?

Duncker: Es stört insgesamt das Klima, das Klima auch in der Bevölkerung. Wir hatten gerade erst die ganzen Beschneidungsdebatten, und jetzt haben wir die Debatte "Darf man so einen Film öffentlich zeigen, ja oder nein?" Es belastet das Miteinander der Menschen. Und es betrübt mich eigentlich am meisten, dass Leute das nutzen, um gegen Religion als Ganzes zu Felde zu ziehen. Sie sind dabei nicht besonders tolerant und sagen: "Am besten, Religion verschwindet völlig aus der Öffentlichkeit, dann haben wir damit gar nichts mehr am Hut." Also insgesamt ist das kein Beitrag zum guten Miteinander, der da geliefert wird.

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Was meinen Sie denn zu der Frage, ob das Video gezeigt oder verboten werden soll?

Duncker: Es geht ja um zwei unterschiedliche Dinge. Es geht einmal um die Frage, ob ich das Video als solches verbiete, dazu sehe ich gar keine Veranlassung. Verbieten können wir gar nichts. Was man verbieten kann, sind öffentliche Aufführungen, also Public Viewings, die bedürfen ja der Genehmigung. Da würde ich dann meinen: Um die öffentliche Ordnung nicht zu gefährden, sollte man das verbieten. Wenn sich radikale politische Kräfte auf die Marktplätze stellen, das Video zeigen - da kann es Schlägereien und Verletzte geben, die Polizei muss einschreiten und so weiter.

Sie können das bei Youtube aber nicht verbieten - wie wollen Sie das machen? Oder wenn es einer in seinem Wohnzimmer zeigt, können Sie es auch nicht verbieten. Verbieten nützt auch wenig, glaube ich, wie immer im Leben. Verbieten macht die Leute nur erst recht neugierig. Aber ich finde, man müsste noch mal deutlich machen, dass nicht alles, was erlaubt ist, auch förderlich ist. Und jemanden zu verunglimpfen ist noch keine Tugend als solche. Jemanden zu beleidigen ist noch kein besonders gutes Bürgerrecht. Ich erwarte auch von Leuten, die nicht glauben, die nicht religiös gebunden sind, dass sie die religiöse Bindung anderer akzeptieren und respektieren und das auch zeigen. 

Falls das Video nicht gezeigt wird - machen wir uns damit nicht die Normen radikaler Muslime zu eigen?

Duncker: Viele von uns würden sagen, das Video ist schlecht gemacht, das ist auch sehr primitiv und dumm. Wir können hier nicht sagen, die muslimische Religion ist sakrosankt. Man muss auch was gegen Mohammed sagen können, man muss sich auseinandersetzen können. Das Christentum hat sich ja daran gewöhnt, dass wir in den Dreck gezogen werden und dass man uns verunglimpfen kann - auch etwa im Namen der Kunst. Dagegen geht kein Christ randalierend auf die Straße. Aber man muss anderen Leuten eben auch zugestehen, dass sie vielleicht ein bisschen empfindlicher sind als wir. Wir haben uns das auch etwas abgewöhnt, das Empfindliche, und sind da sehr viel leidensfähiger.

"Ich bin nie angegriffen worden von Muslimen, auch verbal nicht"

Wie können wir in Diskussionen mit muslimischen Gläubigen sinnvoll unser Christsein betonen?

Duncker: Ich vermisse im Dialog ein bisschen, dass die christliche Seite sprachfähig ist. Man muss nicht immer sagen: "Fragen Sie den Pastor." Sondern man muss vielleicht selber mal eine Antwort geben. Ich vermisse, dass wir auskunftsfähig sind über unseren Glauben. Ich selber habe ja neun Jahre in der Türkei gelebt. Ich bin nie angegriffen worden von Muslimen, auch verbal nicht. Ich habe denen gesagt: "Ich bin Christ und du bist Moslem." Zusammen mit ihnen gebetet habe ich nicht, aber ich habe sie respektiert und wir sind uns begegnet. Manche Sachen finde ich auch kritikfähig, da muss man drüber reden: Vielehe, Gewalt gegen Frauen … - da darf man nicht sagen "Jeder darf machen was er will." Darf er eben nicht. Aber da macht der Ton die Musik und ich finde, es gibt in der arabischen Welt so ein schönes Sprichwort, das heißt "Musik, Religion und Sport, das hat man im Blut." Sie können in der arabischen Welt mit jedem Taxifahrer über Religion reden. Dass sich unsere Christenmenschen doch auch ein bisschen mehr trauen, von ihrem Glauben zu sprechen - das muss man auch üben - , also das wäre mein Wunsch für unsere Leute, egal ob evangelisch oder katholisch.

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Versuchen wir einen Blick in die Zukunft: Wird es irgendwann unproblematisch sein, Videos oder Karikaturen von Mohammed zu zeigen?

Duncker: Es kommt sehr auf die Karikaturen und Videos an, und es kommt auch darauf an, wo ich das zeige. Nur eines müssen wir bedenken: Im Irakkrieg, da gingen diese Bilder durchs Fernsehen, wie britische Soldaten gefangene Iraker an einer Hundeleine hinter sich herzogen. Diese Bilder haben eine katastrophale Wirkung gehabt. Da haben die Leute gesagt: "Guckt mal, so sind die im Westen." Die differenzieren manchmal so wenig wie unsere Leute differenzieren, wenn sie sagen "Überall in der muslimischen Welt werden die Frauen nach Ehebruch gesteinigt" - was auch nicht stimmt. Ich würde mir bei den Muslimen ein bisschen mehr Gelassenheit wünschen, und von andern Menschen ein bisschen mehr Respekt.