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Gar nicht so einfach hier den Überblick zu behalten: Trotz großer Datenmengen zum Stand des Kita-Ausbaus ist nicht klar, ob der Rechtsanspruch erfüllt werden kann.
Kein Gericht kann einen Betreuungsplatz zaubern
Die Lage vor dem 1. August 2013, an dem der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Unter-Dreijährige in Kraft tritt, ist unübersichtlich. Mal ist davon die Rede, dass genügend Plätze geschaffen wurden, mal wiederum nicht. Ein Überblick über die widersprüchlichen Zahlen.
26.07.2013
Paul Crone, Mit Material von epd und dpa

Mal sind es 30.000 Plätze mehr als nötig, mal 100.000 weniger. Wie viele Kita-Plätze für die Kleinsten es derzeit wirklich gibt, ist schwer nachzuvollziehen. "Auf Basis der Zahlen, die uns zur Verfügung stehen, dürfen wir fest davon ausgehen, dass zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs am 1. August zahlenmäßig nahezu ausreichend Kita-Plätze real in Betrieb sein werden", sagte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) Anfang Juli.

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Nach Angaben der Ministerin stehen knapp 712.000 Plätze bereit, 90.000 weitere befinden sich noch im Bau oder warten auf die Betriebserlaubnis. Dazu kommen noch etwa 11.000 weitere, für deren Einrichtung die Kommunen zinsgünstige Kredite bekommen sollen. So ist der Stand Ende Juni. Alle Angaben beziehen sich dabei immer auf die Zielmarke von 780.000 Plätzen. So viele Plätze, schätzten Bund, Länder und Kommunen 2007 auf dem Krippengipfel, brauche man, um den Rechtsanspruch zu erfüllen. Damit würden rund 39 Prozent der ein- bis dreijährigen Kinder einen Betreuungsplatz bekommen.

Städtetag: Noch 100.000 Plätze fehlen

Kritik kommt auf der Zielgerade auf dem Weg zum Rechtsanspruch vor allem von den Kommunen: Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Ulrich Maly (SPD), monierte Anfang Juli, dass vor allem in Groß- und Universitätsstädten, wo der Nachfrage nach Betreuungsplätzen höher ist, Lücken blieben. Mehr als 100.000 Betreuungsplätze würden noch fehlen.

Auch über die Gruppengröße und die Betreuungsquote wird gestritten. Empfohlen wird, dass drei Kleinkinder von einer Vollzeitkraft betreut werden.

Im Streit zwischen Bund und Kommunen wurden rund um alle Wasserstandsmeldungen der letzten Jahre immer wieder Vorwürfe laut, dass die Kommunen zu lange mit den nötigen Investitionen gezögert hätten. Das weisen die Kommunen zurück und verweisen wiederum auf die schwierigen Ausgangslagen: Im Westen hätten viele Städte und Regionen mit einer Versorgung von sechs Prozent begonnen. In manchen Groß- und insbesondere auch Universitätsstädten liege der Bedarf aber bei über 50 Prozent.

Allerdings muss der Bedarf nicht ausschließlich über Kindertagesstätten gedeckt werden, sondern auch Tagesmütter sind eine Option. Doch das Interesse an Tagesmüttern hat der Städtetag laut Hauptgeschäftsführer Stephan Articus unterschätzt: "Mittlerweile nutzen aber viele Eltern diese Angebote ganz gerne, weil sie individueller und flexibler ausmachen können, wann sie ihr Kind bringen und holen." Bundesweit liegt der Anteil der Tagesmutterbetreuung bei 15,6 Prozent während 84,4 Prozent der Kinder in Einrichtungen betreut werden.

Daten lassen kaum eindeutige Aussagen zu

Eindeutige Aussagen zur Kinderbetreuung sind aufgrund der Daten schwierig, die in den meisten Fällen bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung veraltet sind. So gab zum Beispiel das Statistische Bundesamt Anfang Juli einen Überblick über die tatsächlich betreuten unter Dreijährigen zum Stichtag am 1. März 2013. Doch, so der eindeutige Hinweis, geben die Zahlen keine Auskunft darüber, wie viele Plätze zu diesem Zeitpunkt verfügbar waren und derzeit verfügbar sind.

###mehr-artikel### Anfang März wurden rund 597.000 Kinder unter drei Jahren in einer Kita oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut. Dies waren gut 37.000 Kinder mehr als im Vorjahr. Damit ist die Zahl der betreuten Kleinkinder gegenüber dem Vorjahr bundesweit um 6,6 Prozent gestiegen. Im Ländervergleich verzeichneten dabei Bremen (10,1 Prozent), Hamburg (10,4 Prozent), Niedersachsen (10,6 Prozent), Nordrhein-Westfalen (10,1 Prozent) und das Saarland (11,1 Prozent) den höchsten Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. In den ostdeutschen Bundesländern fiel der Anstieg hingegen nur sehr gering aus, auch weil dort bereits vorher hohe Betreuungszahlen erreicht wurden.

Bund und Kommunen erwarten bisher kaum Klagen

Wo die Zielmarke von 39 Prozent nicht erreicht wird, oder wo der Bedarf am 1. August über dieser Schätzung liegt, lässt sich derzeit noch nicht prognostizieren. Sollten Eltern bei der Suche nach einem Betreuungsplatz aber leer ausgehen, bleibt die Möglichkeit einer Klage, um den Rechtsanspruch einzufordern. Doch eine Klagewelle erwarten Bund und Kommunen bisher nicht.

###mehr-links### Auch Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht rechnet nicht damit. "Es wird einzelne Klagen geben, und Gerichte werden sich damit befassen, so dass es auch eine Rechtsprechung in diesem Bereich geben wird. Aber ich erwarte, dass die Jugendämter sehr bemüht sein werden, jeweils eine Lösung zu finden", sagte Meysen der dpa. Das Gericht könne auch nur die Kommune auffordern, einen Platz zur Verfügung zu stellen, betont Meysen: "Kein Gericht kann einen Platz zaubern."

Gleichzeitig darf die gesamte Diskussion über den Rechtsanspruch die Qualität der Betreuung nicht vernachlässigen: Dazu wird in der Regel der Betreuungsschlüssel ermittelt, der aussagt, wie viele Kinder eine Erzieherin zu betreuen hat. Dabei empfiehlt die Bertelsmann Stiftung einen Schlüssel von eins zu drei. Doch laut einer Studie wird dieser im bundesweiten Durchschnitt bei weitem nicht erfüllt. Eine Vollzeitkraft kümmert sich dabei rechnerisch um 4,5 statt der empfohlenen 3 Kleinkinder. Der Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland offenbart dabei größere Mängel: In ostdeutschen Kindertagesstätten betreut eine Vollzeitkraft durchschnittlich 6 unter Dreijährige, im Westen sind es noch immer 3,7 pro Erzieher.

"Ein schlechter Kita-Platz ist keinesfalls besser als gar keiner."

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) warnte kürzlich, dass bis zu 30.000 Fachkräfte fehlen würden, um den Rechtsanspruch ohne Qualitätsverluste umzusetzen. Der Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler kritisierte diese Entwicklung: "Ein schlechter Kita-Platz ist keinesfalls besser als gar keiner." Die Opposition und Verbände schätzten den Mangel immerhin auf 20.000 Fachkräfte.

Ein weiterer Qualitätsgedanke, über den sich besonders die Eltern Gedanken machen, ist die Entfernung der Betreuungseinrichtung zum Wohnort der Familien. Auch hier sehen die Prognosen eher dürftig aus: Bereits im Frühjahr 2012 verkündete der Städtetag, dass es angesichts des eher schleppenden Ausbaus vielerorts kaum möglich sein, den gewünschten Krippenplatz "gleich um die Ecke" zu finden. Bundesfamilienministerin Schröder gab zu verstehen, dass im Gesetzestext von einem "bedarfsgerechten Kitaplatz" gesprochen wird. Das impliziere sowohl eine zumutbare Entfernung als auch normale Arbeitszeiten. "Das heißt nicht, dass damit jede Nachtarbeitszeit abgedeckt ist", erklärte Schröder dazu weiter.

In der vergangenen Woche wurde die Diskussion über die wohnortnahe Betreuung durch zwei Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichts Köln wieder angeheizt: "Nach Auffassung des Gerichts haben Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben ab dem 1. August 2013 einen gesetzlichen Anspruch auf Zuteilung eines Betreuungsplatzes in einer wohnortnahen Kindertageseinrichtung", teilte das Gericht am 18. Juli mit. Im Kölner Stadtgebiet sei die Grenze der Wohnortnähe im städtischen Bereich überschritten, wenn die Kindertageseinrichtung in einer Entfernung von mehr als 5 km (Wegstreckenentfernung) vom Wohnort des Kindes gelegen ist. Die Entscheidungen sind zwar anfechtbar, doch darüber wird nach dem 1. August gestritten werden.

Die nächste Baustelle

Und so kurz vor dem Beginn des Rechtanspruches tun sich bereits neue Lücken in puncto Kinderbetreuung auf. Die nächste Baustelle ist dabei die Frage nach einem Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Grundschule, zu dem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits grundsätzlich positiv geäußert hat: "Ich kann nicht einen Kindergarten anbieten und in dem Moment, wenn es in die Schule kommt, steht es frohgelaunt um 10.45 Uhr vor der Haustür."

Merkel betonte, die Ganztagsangebote hätten massiv zugenommen. Es müsse der Anspruch sein, dass überall dort, wo Familien eine Betreuung über den Schulrahmen hinaus wollen, auch Betreuungsangebote vorhanden sind. Dies verstehe sie unter Vereinbarkeit von Familie und Beruf.